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Filmemacher in der Türkei
Kreativ trotz Terror-Verdachts

Auf dem Filmfest "FilmAmed" im türkischen Diyarbakir haben junge kurdische Filmemacher ihre Arbeiten gezeigt und sich über ihre Situation inmitten des Konflikts zwischen Türkei und PKK ausgetauscht. Im Mittelpunkt stand die Arbeit an kritischen Dokumentarfilmen. Einige deutsche Filmfestivals haben schon Interesse an den Beiträgen bekundet.

Von Martin Gerner | 10.06.2016
    Einschusslöcher an einem Haus
    Die Zerstörung von Sur, der Altstadt von Diyarbakir belastet die Arbeit der jungen Filmemacher. (dpa-picture-alliance/Refik Tekin)
    Auf Türkisch begrüßt Thomas Balkenhol die Teilnehmer seines Filmseminars. Mit 20 Jahren Lehrtätigkeit in der Türkei geht ihm die Sprache leicht von den Lippen. Er sensibilisiert für alles, was nach dem Dreh kommt.
    "Ich bin eigentlich Cutter. Ein Cutter versucht das Material, egal wie chaotisch es ist, in einen vernünftigen Film zu verwandeln. Und das mache ich eben seit Jahren."
    In Diyarbakir steht er vor kurdischen Filmemachern. Ein Dialog mitten im Konflikt. Die Altstadt von Diyarbakir, ist halb zerstört nach monatelangen Kämpfen, Filmemacher unter diesen Umständen für junge Kurden bedeutet viel.
    Teilnehmer Ekram: "Die Polizei hielt mich fest, als ich mit der Kamera drehte unlängst, so dieser Teilnehmer. Sie wollten aber nicht mein Material sehen, komischerweise. Sie fragten vielmehr: gehörst du zur PKK? Für welche Seite arbeitest du? Ich sagte nur: ich bin kein Terrorist."
    Kein Platz für kritische Arbeiten in Filmfestivals
    Thomas Balkenhol sieht die kurdischen Autoren als kämpferisch, mal mehr, mal weniger:
    "Das Problem im Moment ist, dass alles als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung eingestuft wird, was irgendwie kurdische Symbole oder Kämpfer in Syrien zeigt. Wenn Du einen Film machst, ist das unvermeidlich. Also wenn das Volk ein Poster von Öcalan hat – da gibt es keinen Filter in der Kamera, der das wegmacht. Und das ist sofort Terror-Propaganda."
    Auch in diesem Konflikt leidet die Wahrheit als Erstes.
    "Die machen trotzdem etwas. Das Problem ist immer erst nachher. Du kannst alles drehen. Aber wo es dann aufgeführt wird und ob, da wird es dann gefährlich."
    Verschiedene Filmfestivals im Westen der Türkei, in Istanbul oder Antalya, haben kritische Arbeiten aus dem Programm nehmen müssen, auf Druck der Behörden. In Diyarbakir beobachtet Balkenhol ein eigenes Phänomen:
    "Wenn das irgendein Staatsanwalt – wenn die überhaupt ins Kino gehen sollten, was zum Glück nicht der Fall ist – wenn also ein Staatsanwalt ins Kino geht, dann hat er gleich fünf Straftatbestände in jedem Film."
    Anzeichen von Selbstzensur sind nicht ganz zufällig in diesem angespannten, bleiernen Klima. Die kurdischen Autoren sehen trotzdem eine Entwicklung:
    "Ich glaube an Kunst. Kreative Projekte haben ihre eigene Strahlkraft. Ein Film, ein Theaterstück können Dinge bewegen. Wenn nicht beim ersten, dann beim zweiten Mal. Als ich 10 Jahre alt war, hat die Polizei mich festgenommen. Ich hatte Steine geworfen. Dann haben sie mich wieder frei gelassen, weil ich ein Kind war. Aber es gibt auch Kinder, die kommen nie zurück."
    Zerstörung in Diyarbakir belastet Arbeit
    Mittlerweile ist Filmausbildung auf Kurdisch in Diyarbakir möglich. Es gibt sogar eine Filmschule.
    Die ist wahrscheinlich besser als alle in Istanbul, weil es praktisch und theoretisch ist. Die wussten von Filmgeschichte, 'Nanuk, der Eskimo' zum Beispiel. Das kannten sie alles.
    Umso mehr belastet die Zerstörung von Sur, der Altstadt von Diyarbakir, Alltag und Arbeit:
    "Das war da, wo die Kurden gewohnt haben. Natürlich auch die PKK und die Jugendlichen, die in die Berge gingen oder die kämpfen. Das ist jetzt platt gemacht. Ausgebombt. Vor zehn Jahren 2005, wurde das Verbot der kurdischen Sprache aufgehoben. In diesen 10 Jahren ist es chic geworden, nicht in der Fremdsprache zu reden, in Türkisch, sondern in Kurdisch."
    Er wolle seine Arbeit in Freiheit machen, sagt Ekram. Kurdisch sein, das habe er sich nicht ausgesucht. Das sei Gottes Wunsch.
    "Ich möchte in unserer Sprache arbeiten, auf Kurdisch kreativ sein."
    Einige deutsche Festivals, wie etwa Leipzig, haben für dieses Jahr kritische Filmreihen aus der Türkei angekündigt. Für Thomas Balkenhol heißt das:
    "Vor Ort, die Filmemacher, da gibt es fertige Fernsehteams usw. Einfach die Filme zeigen. Im Dokumentarfilmfestival kann man einfach jemanden schicken, der auch einfach mal schaut und scoutet, was es gibt, und der dann zwei, drei Filme für Leipzig, Kassel oder München aussucht."