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Filmfestspiele Cannes
Der Western als Frauenfilm

Cannes hat sich in den vergangenen Jahren als Bühne für Filme abseits des Massenmarkts etabliert. Das gilt in diesem Jahr etwa für David Cronenbergs "Maps to the Stars" oder auch "The Homesman", einen Frauenwestern von und mit Tommy Lee Jones.

Von Josef Schnelle | 21.05.2014
    Schauspieler und Regisseur Tommy Lee Jones bei einem Fototermin für seinen Film "Momesman" auf dem Filmfestival von Cannes. Ekaterina Chesnokova
    Schauspieler und Regisseur Tommy Lee Jones auf dem Filmfestival von Cannes. (picture alliance / Ekaterina Chesnokova)
    Silvester Stallone, Harrison Ford, Arnold Schwarzenegger und Jason Stratham paradieren auf Panzern die Croisette entlang für ihre neue "Expendables"-Fortsetzung. Später, im Smoking, halten sie Zettel hoch mit der Aufschrift "Bring Back Our Girls", um an die entführten Mädchen in Nigeria zu erinnern. Ein schlechter Action-Film wird beworben und dann ein bisschen soziale Verantwortung gezeigt. Gérard Depardieu zeigt seinen abgrundtief dummen Dominique-Strauss-Kahn-Film "Welcome to New York" - immerhin inszeniert vom angesehenen amerikanischen Regisseur Abel Ferrara - abseits in einem Zelt am Strand. Danach stiefelt er eingehakt bei FIFA-Präsident Sepp Blatter die 24 Stufen zum Palais du Festival empor. Beide Filme hätten nicht die geringste Chance, im Hauptprogramm gezeigt zu werden. Aber als Bühne für ein bisschen Werbung eignet sich Cannes trotz alledem.
    Drinnen im Kino - abseits vom Rummelplatz - hat sich an der Croisette in den letzten Jahren ausschließlich "Filmkunst" breitgemacht. Die Filme und ihre Macher setzen sich deutlich ab vom Massenkino, oder sie kritisieren es sogar. Zum Beispiel der kanadische Regisseur David Cronenberg. In "Maps to the Stars" wird die Welt der Spitzenhonorare auch für Kinderstars in Fernsehserien grandios aufgemischt. Havana Segrand - reich, berühmt und schwer neurotisch - verzehrt sich nach einer ganz bestimmten Rolle im Film eines angesagten Regisseurs. Und dann kommt der Anruf ihrer Agentin.
    "Havana, ich hasse es, das übers Telefon mitzuteilen, aber Damien hat sich für Azita entschieden, dabei weiß ich, wie wichtig dir die Rolle war."
    Wichtig war ihr die Rolle vor allem, weil der berühmteste Film ihrer Mutter - deren Celebrity-Leben auch schon verkorkst gewesen ist - neu verfilmt werden soll. Havana erlebt die Besetzung durch eine andere Schauspielerin deshalb als Demütigung. Außerdem sind gerade nicht genügend Antidepressiva in Reichweite, um das zu kompensieren. Cronenberg zieht alle Register, um den schönen Schein der Berühmtheit als arrogante, zynische Selbstbezogenheit zu entlarven.
    "Das alles nur als Attacke auf Hollywood zu sehen, ist eine verkürzte Sichtweise auf den Film."
    Ein Film über die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt
    Natürlich hat "Maps to the Stars" noch viele andere Ebenen. Es ist die Geschichte einer Geschwisterliebe, deren Schuld und Leidenschaft sich in einer anderen Geschwisterliebe spiegelt. In der Hollywood-Edelwelt mit Designerpools und ebensolchen Küchen erfüllt sich das Schicksal von Agatha und Benjiie zwischen Flammenwelten und Designerdrogen: ein Film über die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt. Schwer zu entschlüsseln und gerade deshalb große Kunst. Die Sterne am Himmel und die Stadtpläne, auf denen die Wohnorte der Stars eingezeichnet sind - so der Doppelsinn des Filmtitels - führen nicht wirklich zu einem glücklichen Leben.
    Das hat Mary Bee Cuddy sowieso nicht zu erwarten - im 1854 noch völlig unerschlossenen Westen in Nebraska. Die unverheiratete Frau ist Manns genug, sich als "Homesman", als Vorform des Sheriffs in den noch rechtlosen Territorien - berufen von der Gemeinde - zu melden. Sie soll drei Frauen, die am harten Leben im Nirgendwo Nebraskas verzweifelt sind, in einem geschlossenen Wagen durch die Prairie nach Osten - bis nach Iowa - bringen. Immerhin schafft sie es, in George Briggs einen Tunichtgut als Assistenten anzuheuern. Den spielt Regisseur Tommy Lee Jones natürlich selbst. Cuddy - gespielt von Oscarpreisträgerin Hillary Swank - ist auf den ersten Blick eine toughe Frau, die ihr hartes Leben ohne Klage erträgt. Doch die mehrwöchige Reise durch die Graswüste - mit den Frauen, die ihren Zusammenbruch schon hinter sich haben - wird für alle eine schwere Prüfung. Die Männer in der Prärie sind sexistische Ungeheuer. Die Indianer eine stete Bedrohung. Hollywood-Haudegen Tommy Lee Jones interpretierte seine zweite Regiearbeit auf der Pressekonferenz selbst vor allem als Frauenfilm. Und er hat eine These.
    "Es gibt sicher keine Frau in diesem Raum, die niemals wegen ihres Geschlechts als Sache behandelt oder herablassend behandelt worden ist. Das hat Gründe und es hat eine Geschichte, das finde ich interessant."