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Filmstart: "An Elephant Sitting Still"
Erstlingswerk und Testament des Regisseurs Hu Bo

Vier Menschen im Nordosten Chinas haben die fixe Idee, einen Elefanten aufzusuchen, der nur regungslos dasitzt und die Welt ignoriert. So erhoffen sie sich einen Ausweg aus ihrem tristen, krisenhaften Leben. Der Regisseur Hu Bo beging nach Vollendung des Filmes Selbstmord.

Von Axel Dorloff | 18.11.2018
    Regisseur Hu Bos Mutter und die Besetzung des Films "An Elephant Sitting Still" mit dem Golden Horse Film Award für den besten Spielfilm. Taipei, November 2018
    Regisseur Hu Bos Mutter und die Besetzung des Films "An Elephant Sitting Still" mit dem Golden Horse Film Award für den besten Spielfilm. Taipei, November 2018 (imago / Copyright: xVCGx CFP111176951793)
    Die Geschichte des Elefanten, erzählt aus dem Off. So beginnt der Film. Der Elefant soll im Zoo der nordchinesischen Stadt Manzhouli sitzen. Einfach nur so, still in seinem Gehege. Er steht nie auf, erträgt alles und ignoriert die Welt. Dieser Elefant wird für vier Menschen in China zum Mythos. Zum Symbol für die Sehnsucht nach einem anderen, besseren Leben.
    Wo gehst Du hin? Diese Frage zieht sich durch den Film "An Elephant Sitting Still" von Regisseur Hu Bo. Vier Menschen, die sich im Leben in einer Sackgasse befinden: emotional, finanziell und auch moralisch.
    Schicksalhaft kreuzen sich ihre Wege. In einer gesichtslosen Stadt im Norden Chinas, zugepflastert mit grauen Hochhäusern. Es ist feucht und düster, es liegt Schneematsch und der Smog verzieht sich nur selten. Der Film ist in Hebei gedreht, in der Nachbarprovinz von Peking. Dort wo Schwerindustrie und Kohle das chinesische Wirtschaftswunder befeuern. Mit all den Spuren, die das für Mensch und Umwelt hinterlässt. Der chinesische Schauspieler Zhang Yu spielt einen der Protagonisten.
    Ein anderes China
    "Es hat einen Grund, warum Regisseur Hu Bo diesen Drehort gewählt hat. Er wollte eine düstere, bedrückende Umgebung zeigen, Nebel und Smog. Deshalb konnten wir auch nur drei Stunden jeden Tag filmen. Am frühen Morgen und kurz bevor die Nacht anbrach. Und wenn sich mal kurz blauer Himmel zeigte, hat Hu Bo sich gleich beschwert, dass das Wetter gegen ihn sei."
    Zhang Yu spielt den Charakter Yu Cheng, der sich für den Suizid eines Freundes verantwortlich fühlt. Wie die anderen wirkt er aufgefressen von den Konflikten des Alltags. Ein Alltag, der durchsetzt ist von Mobbing, Egoismus, Schlägereien, Affären und Einsamkeit. Regisseur Hu Bo portraitiert eine trostlose, chinesische Gesellschaft. Abseits des Glitzers, des Geldes und der Dynamik, die das offizielle China gerne propagiert.
    Hu Bo hat einen sentimentalen, emotionalen und bewegenden Film geschaffen, ohne dabei ins Kitschige abzugleiten. Die Filmlänge von 3 Stunden 50 Minuten ist ungewohnt, die langen Bildeinstellungen wirken anfangs befremdlich. Aber sie lassen Zeit für einen tiefen Einblick in die chinesische Seele, die in diesem Film weitgehend verzweifelt und auf der Suche ist. "An Elephant Sitting Still" ist ein grandioses Gesellschaftsportrait.
    Debüt und Testament
    Der junge Regisseur Hu Bo hat zuvor unter dem Synonym Hu Qian zwei preisgekrönte Romane geschrieben, er galt nicht wenigen Kritikern als junges Genie. Nach der Fertigstellung des Films hat sich Hu Bo im Alter von 29 Jahren das Leben genommen. Schauspieler Zhang Yu.
    "Hu Bo war ein enger Freund von mir. Er hat uns dieses Werk hinterlassen. Ich kann nicht für ihn sprechen, aber ich freue mich für ihn, dass es diesen Film gibt."
    Am Ende ein Bus im Dunkeln. Menschen spielen im Scheinwerferlicht lakonisch Federfußball. Sie wollen den Elefanten aufsuchen. Und dann hört man das Trompeten eines Elefanten. Es kommt aus der Dunkelheit und verschwindet dort wieder. Vielleicht wird das die Erlösung.