Dienstag, 21. Mai 2024

Die Finals 2023
Was sind Deutsche Meisterschaften noch wert?

159 Meistertitel werden bei den Finals vergeben. Ziel der Veranstalter: Fans anlocken und weniger bekannte Sportarten ins Rampenlicht stellen. Doch klar ist auch: Die Deutschen Meisterschaften sind in einigen Sportarten nicht der Saisonhöhepunkt.

Von Benedikt Kaninski | 08.07.2023
Turnerin Elisabeth Seitz zeigt sich konzentriert bei ihrer Übung auf dem Schwebebalken.
Immer wieder Elisabeth Seitz: Die deutsche Rekordmeisterin im Kunstturnen dominiert auch die Finals 2023 in der Rhein-Ruhr-Region. (IMAGO / Presse-Photo Horst Schnase / IMAGO / Horst Schnase)
Von diesem Moment hat Karateka Douaa Rahbi ihr Leben lang geträumt. Eine kurze Verbeugung in Richtung Kampfrichter, dann beginnt ihr erstes Duell bei einer Deutschen Meisterschaft. Sie tritt an für Budokan Bochum - die Finals in Düsseldorf sind für sie ein kleines Heimspiel. Ein Großteil ihrer Familie ist in der Halle. Am Ende kann sich die 18-Jährige für einen starken dritten Platz feiern lassen.
"Für mich hat das einen ganz großen Wert. Ich kämpfe nicht nur gegen die Topleute aus meiner eigenen Gewichtsklasse, sondern gegen die besten Deutschlands. Und der Gewinner ist halt der beste Deutschlands: das will man doch als Athlet immer hören", sagt Rahbi im Interview mit dem Deutschlandfunk.

Internationale Top-Leistungen ohne Sportförderung kaum möglich

Sie weiß aber auch, dass sie sich mit dem dritten Platz noch keine Sportförderung von der Stiftung Deutsche Sporthilfe erarbeitet hat.
"Aber für uns Athleten, vor allem Nationalkader-Athleten, geht es nicht nur um die Deutsche Meisterschaft, sondern auch halt drüber hinaus, Europameisterschaft und alles. Und dafür muss man schon sehr hart trainieren. Und auch hier in Deutschland siehst du Leute, die sind richtig krass", sagt Rahbi. Und betont: "Die trainieren 24/7, aber wenn man die Förderung nicht hat, dann hat man keine Zeit dafür. Man kann das Ganze nicht finanzieren. Also, das ist schon ein riesiger Faktor."
Einige Karate-Talente haben ihren Traum von der sportlichen Karriere auf der Weltbühne schon früh beendet, weil sie international ohne Förderung eben nicht konkurrenzfähig waren - und die Deutschen Meisterschaften zumindest kein Geld bringen.

Meisterschaft für Turnerin Seitz eher ein WM-Formtest

Ortswechsel: In der Turnhalle in Düsseldorf bietet sich ein anderes Szenario. Hier geht am Freitag eine Rekordhalterin an den Start: Elisabeth Seitz. Wenn jemand weiß, was Deutsche Meisterschaftstitel für eine Sportlerin bedeuten, dann sie. Seitz zeigt einen starken Wettkampf in Düsseldorf, holt sich am Ende dieses Freitags verdient ihren 24. Titel.
"Ich glaube viele denken: Vierundzwanzigster Titel – der zählt schon gar nicht mehr. Nein, das finde ich nicht, denn jeder Titel hat eine ganz besondere Geschichte. Dieser ist noch mal mehr besonders, weil ich eigentlich entschieden hatte, keinen Mehrkampf mehr zu turnen", erklärt Seitz nach ihrem Triumph. "Erst Anfang des Jahres habe ich beschlossen, wieder zu starten. Und dann Deutsche Meisterin zu werden, ist natürlich das Beste, was passieren konnte."
Die 29-Jährige verbindet mit diesem Titel also eine besondere Geschichte, sieht den Mehrkampf in Düsseldorf aber auch eher als Formtest: "Bei uns war das jetzt keine Qualifikation oder Ähnliches. Aber es war der Weg in Richtung Weltmeisterschaften. Für mich hat das einen riesigen Stellenwert, einerseits turnerisch, aber auch für meine Motivation." Sie wolle deshalb den Wert der Deutschen Meisterschaften nicht schmälern.

Deutsche Meisterschaften als Chance, sich zu beweisen

Finanzielle Förderung gibt es von der Deutschen Sporthilfe in der Regel allerdings erst, wenn die Athletinnen und Athleten die klare Perspektive haben, bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen unter die besten acht zu kommen.
Insbesondere für die Athletinnen und Athleten, die nicht um die großen internationalen Titel kämpfen, seien die Deutschen Meisterschaften aber eine Chance sich zu beweisen, findet Thomas Gutekunst, Sportdirektor beim Deutschen Turnerbund: "Nationale Meisterschaften sind für viele auch so der Jahreshöhepunkt, die jetzt vielleicht nicht zu den Weltmeisterschaften fahren."

Nationaler Titel je nach Sportart verschieden prestigeträchtig

Es geht also auch um Prestige. Das gilt zum Beispiel für Borussia Düsseldorf. Der Tischtennis-Verein will sich für das verlorene Champions-League-Finale gegen den 1. FC Saarbrücken revanchieren.
Manche Top-Sportler, wie etwa Schwimmer Florian Wellbrock, verzichten dagegen auf den Start bei den Deutschen Meisterschaften in Berlin. Er fokussiert sich auf die Schwimm-WM in Japan, die schon am Freitag, 14.07.2023 eröffnet wird.
Und in der Leichtathletik haben Läuferin Konstanze Klosterhalfen und Speerwerfer Johannes Vetter kurzfristig verletzungsbedingt abgesagt. Sie wollen sich ebenfalls auf die internationalen Saisonhöhepunkte konzentrieren. Je nach Sportart hat der nationale Titelkampf also unterschiedliches Prestige.