Christian Bremkamp: An den weltweiten Finanzmärkten wird die Angst vor einer Rezession der Weltwirtschaft offenbar immer größer. Anleger flohen am gestrigen Freitag in Scharen aus Aktien, am Rohstoffmarkt suchten die Investoren ihr Heil vor allem im sicheren Hafen Gold. Meine Kollegin Petra Ensminger hat darüber mit Franz-Josef Leven, Direktor des Deutschen Aktieninstituts gesprochen. Zunächst wollte sie von ihm wissen, ob er sich auch schon von Papieren getrennt hat.
Franz-Josef Leven: Nein, ich habe keine Aktien verkauft, ich muss gestehen, ich habe vor zwei Tagen Aktien gekauft.
Petra Ensminger: Das heißt, Sie sind sich sicher, dass das alles nur kurzzeitige Turbulenzen sind?
Leven: Sicher sein kann man sich an der Börse eigentlich nie, aber ich habe Geld angelegt, das ich in den nächsten fünf Jahren nach aller Wahrscheinlichkeit nicht brauchen werde, und entsprechend bin ich da auf der - nach meinem Empfinden - sicheren Seite.
Ensminger: Da haben Sie ja schon etwas vorweggenommen, was ich Sie als Nächstes sonst gefragt hätte. Wenn man jetzt kauft, auf was sollte man denn achten?
Leven: Man sollte darauf achten, dass man Geld in Aktien anlegt, das man in den nächsten Jahren - und fünf Jahre, zehn Jahre ist da so eine realistische Frist - mit großer Wahrscheinlichkeit nicht braucht. Das heißt also, Geld, das man vorher braucht, sollte man in anderen Anlageformen halten, die weniger kurssensibel sind, damit man jederzeit ans Geld ran kann. Aktien sind eine Langfristanlage und sollten es für den privaten Anleger auch bleiben.
Ensminger: Und dann kann einem nichts passieren?
Leven: Passieren kann einem immer was, es kann auch passieren, dass ein Kursrückgang länger als zehn Jahre dauert, oder es kann passieren, dass die Währung vielleicht doch kaputt geht, und dann hat man andere Probleme. Völlig sicher ist man im Leben und in der Wirtschaft nie.
Ensminger: Also gäbe es doch möglicherweise einen Zeitpunkt, an dem Sie sagen, jetzt raus aus dem Geschäft?
Leven: Ja, der Zeitraum ist dann, wenn der Anleger selber zu nervös wird, nicht mehr ruhig schlafen kann und sagt, mir ist die Realisierung dessen, was jetzt noch an Wert in meinen Aktien steckt, lieber als weitere Unsicherheit. Dann muss er oder dann sollte er überlegen, ob er dann rausgeht. Dann trifft er aber auch die Entscheidung, die Verluste, die bis dahin nur Buchverluste sind, zu realisieren.
Ensminger: Nun setzt sich Ihr Institut ja für die Aktie als Instrument der Unternehmensfinanzierung und Geldanlageform ein, Sie sind also ein Befürworter überhaupt des Aktiengeschäftes. Wenn man aber auf die derzeitige Krise schaut - Sie sagen selbst, man ist vor nichts sicher -, gäbe es nicht doch irgendwann den Moment, wo auch Sie mal sagen würden, jetzt ziehe ich doch ein bisschen was raus, das ist mir jetzt alles zu unsicher, ich hab da doch Sorge und meine Nerven liegen blank?
Leven: Ja, aber das wäre dann eher der Fall, wenn der DAX auf Höhen weit über 8000 steigen würde, dann, wenn nämlich eine Überbewertung ganz deutlich zu sehen ist, dann, glaube ich, würde ich überlegen, einen Teil des Geldes in Sicherheit zu bringen. Im Augenblick bin ich persönlich nicht der Ansicht, dass diese Unterbewertung, die wir haben, oder diese Kurseinbrüche von langer Dauer sein werden.
Ensminger: Also es wird kein schlimmer Crash kommen?
Leven: Ich hoffe es nicht.
Ensminger: Nun ist die Krise ja noch nicht vorbei und die Politik wirkt relativ hilflos, die hohen Staatsschulden der Euroländer, die drücken enorm und werden ja so schnell auch nicht wieder abgebaut. Das alles spricht ja durchaus dafür, dass es doch einige Anleger geben wird, die ihr Geld rausziehen. Wie groß ist da Ihre Sorge?
Leven: Meine Sorge ist nicht, dass Anleger ihr Geld aus der Aktie im Augenblick rausziehen, um es dann auf eine weniger kursreaktive Basis zu stellen. Meine Sorge wäre, dass diese Anleger hinterher, wenn sich die Turbulenzen beruhigt haben, nicht wieder in den Aktienmarkt einsteigen und dadurch halt auch die Chancen im Wiederaufstieg verpassen.
Ensminger: Das heißt verschreckt sind.
Leven: Verschreckt sind, ja. Wir haben seit dem Höchststand der Aktionärszahlen - das war im Jahr 2001 - über drei Millionen Aktionäre verloren in Deutschland, Aktionäre und Aktienfondsanleger, die sind verschreckt durch die Kursturbulenzen, die der Börse innewohnen - Börse ohne Kursturbulenzen ist nicht denkbar auf Dauer -, aber auf der Gegenseite steht halt eine langfristig attraktive Rendite. Aber wie gesagt, wir haben viele Anleger verschreckt durch die Kursturbulenzen, die deswegen jetzt auf die Rendite verzichten.
Ensminger: Was wäre denn so schlimm daran, wenn die Anleger nicht zurückkommen würden?
Leven: Nun, es hat zwei Nachteile: Der erste Nachteil ist der für die Anleger selber. Sie verzichten auf die Rendite aus der Unternehmensbeteiligung, die die Aktie ja letztlich darstellt, sie geben sich mit der Sparbuchrendite, sie geben sich mit der Rendite für festverzinsliche Wertpapiere zufrieden ...
Ensminger: Setzen also auf Sicherheit.
Leven: Setzen auf Sicherheit, wobei eine 20-jährige Anlage in Aktien auch so sicher ist wie eine 20-jährige Anlage in festverzinsliche Papiere, nur dass sie halt zwei Prozentpunkte pro Jahr im Durchschnitt mehr bringt. Und jeder kann sich selbst ausrechnen, was zwei Prozentpunkte pro Jahr bei Zinseszinseffekt ausmachen nach 20 Jahren. Da steckten ganz erkleckliche Differenzen drin. Also das erste Problem ist, Anleger schaden sich selber, wenn sie nicht einen Teil ihres Geld vernünftig in Aktien anlegen. Und der zweite Teil ist, sie schaden auch der Wirtschaft, denn unsere Wirtschaft ist auf Eigenkapital angewiesen, Aktien sind Eigenkapital. Man kann natürlich jetzt sagen, dass die Banken dieses Eigenkapital bereitstellen, indem sie halt die Ersparnisse der Anleger nehmen, im Bereich festverzinslicher Spareinlagen und so weiter, und dann die Banken halt dafür Aktien kaufen. Aber dann haben auch die Banken letztlich oder die Bankeigentümer, die Bankaktionäre wiederum auch den Renditevorteil der Aktie, und der geht den privaten Anlegern verloren. Und das System ist nicht so effizient und auch unsere gesellschaftspolitische Ordnung ist nicht so stabil, wie sie wäre, wenn viele Anleger auch unternehmerisch engagiert wären.
Bremkamp: Franz-Josef Leven vom Deutschen Aktieninstitut im Gespräch mit meiner Kollegin Petra Ensminger.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Franz-Josef Leven: Nein, ich habe keine Aktien verkauft, ich muss gestehen, ich habe vor zwei Tagen Aktien gekauft.
Petra Ensminger: Das heißt, Sie sind sich sicher, dass das alles nur kurzzeitige Turbulenzen sind?
Leven: Sicher sein kann man sich an der Börse eigentlich nie, aber ich habe Geld angelegt, das ich in den nächsten fünf Jahren nach aller Wahrscheinlichkeit nicht brauchen werde, und entsprechend bin ich da auf der - nach meinem Empfinden - sicheren Seite.
Ensminger: Da haben Sie ja schon etwas vorweggenommen, was ich Sie als Nächstes sonst gefragt hätte. Wenn man jetzt kauft, auf was sollte man denn achten?
Leven: Man sollte darauf achten, dass man Geld in Aktien anlegt, das man in den nächsten Jahren - und fünf Jahre, zehn Jahre ist da so eine realistische Frist - mit großer Wahrscheinlichkeit nicht braucht. Das heißt also, Geld, das man vorher braucht, sollte man in anderen Anlageformen halten, die weniger kurssensibel sind, damit man jederzeit ans Geld ran kann. Aktien sind eine Langfristanlage und sollten es für den privaten Anleger auch bleiben.
Ensminger: Und dann kann einem nichts passieren?
Leven: Passieren kann einem immer was, es kann auch passieren, dass ein Kursrückgang länger als zehn Jahre dauert, oder es kann passieren, dass die Währung vielleicht doch kaputt geht, und dann hat man andere Probleme. Völlig sicher ist man im Leben und in der Wirtschaft nie.
Ensminger: Also gäbe es doch möglicherweise einen Zeitpunkt, an dem Sie sagen, jetzt raus aus dem Geschäft?
Leven: Ja, der Zeitraum ist dann, wenn der Anleger selber zu nervös wird, nicht mehr ruhig schlafen kann und sagt, mir ist die Realisierung dessen, was jetzt noch an Wert in meinen Aktien steckt, lieber als weitere Unsicherheit. Dann muss er oder dann sollte er überlegen, ob er dann rausgeht. Dann trifft er aber auch die Entscheidung, die Verluste, die bis dahin nur Buchverluste sind, zu realisieren.
Ensminger: Nun setzt sich Ihr Institut ja für die Aktie als Instrument der Unternehmensfinanzierung und Geldanlageform ein, Sie sind also ein Befürworter überhaupt des Aktiengeschäftes. Wenn man aber auf die derzeitige Krise schaut - Sie sagen selbst, man ist vor nichts sicher -, gäbe es nicht doch irgendwann den Moment, wo auch Sie mal sagen würden, jetzt ziehe ich doch ein bisschen was raus, das ist mir jetzt alles zu unsicher, ich hab da doch Sorge und meine Nerven liegen blank?
Leven: Ja, aber das wäre dann eher der Fall, wenn der DAX auf Höhen weit über 8000 steigen würde, dann, wenn nämlich eine Überbewertung ganz deutlich zu sehen ist, dann, glaube ich, würde ich überlegen, einen Teil des Geldes in Sicherheit zu bringen. Im Augenblick bin ich persönlich nicht der Ansicht, dass diese Unterbewertung, die wir haben, oder diese Kurseinbrüche von langer Dauer sein werden.
Ensminger: Also es wird kein schlimmer Crash kommen?
Leven: Ich hoffe es nicht.
Ensminger: Nun ist die Krise ja noch nicht vorbei und die Politik wirkt relativ hilflos, die hohen Staatsschulden der Euroländer, die drücken enorm und werden ja so schnell auch nicht wieder abgebaut. Das alles spricht ja durchaus dafür, dass es doch einige Anleger geben wird, die ihr Geld rausziehen. Wie groß ist da Ihre Sorge?
Leven: Meine Sorge ist nicht, dass Anleger ihr Geld aus der Aktie im Augenblick rausziehen, um es dann auf eine weniger kursreaktive Basis zu stellen. Meine Sorge wäre, dass diese Anleger hinterher, wenn sich die Turbulenzen beruhigt haben, nicht wieder in den Aktienmarkt einsteigen und dadurch halt auch die Chancen im Wiederaufstieg verpassen.
Ensminger: Das heißt verschreckt sind.
Leven: Verschreckt sind, ja. Wir haben seit dem Höchststand der Aktionärszahlen - das war im Jahr 2001 - über drei Millionen Aktionäre verloren in Deutschland, Aktionäre und Aktienfondsanleger, die sind verschreckt durch die Kursturbulenzen, die der Börse innewohnen - Börse ohne Kursturbulenzen ist nicht denkbar auf Dauer -, aber auf der Gegenseite steht halt eine langfristig attraktive Rendite. Aber wie gesagt, wir haben viele Anleger verschreckt durch die Kursturbulenzen, die deswegen jetzt auf die Rendite verzichten.
Ensminger: Was wäre denn so schlimm daran, wenn die Anleger nicht zurückkommen würden?
Leven: Nun, es hat zwei Nachteile: Der erste Nachteil ist der für die Anleger selber. Sie verzichten auf die Rendite aus der Unternehmensbeteiligung, die die Aktie ja letztlich darstellt, sie geben sich mit der Sparbuchrendite, sie geben sich mit der Rendite für festverzinsliche Wertpapiere zufrieden ...
Ensminger: Setzen also auf Sicherheit.
Leven: Setzen auf Sicherheit, wobei eine 20-jährige Anlage in Aktien auch so sicher ist wie eine 20-jährige Anlage in festverzinsliche Papiere, nur dass sie halt zwei Prozentpunkte pro Jahr im Durchschnitt mehr bringt. Und jeder kann sich selbst ausrechnen, was zwei Prozentpunkte pro Jahr bei Zinseszinseffekt ausmachen nach 20 Jahren. Da steckten ganz erkleckliche Differenzen drin. Also das erste Problem ist, Anleger schaden sich selber, wenn sie nicht einen Teil ihres Geld vernünftig in Aktien anlegen. Und der zweite Teil ist, sie schaden auch der Wirtschaft, denn unsere Wirtschaft ist auf Eigenkapital angewiesen, Aktien sind Eigenkapital. Man kann natürlich jetzt sagen, dass die Banken dieses Eigenkapital bereitstellen, indem sie halt die Ersparnisse der Anleger nehmen, im Bereich festverzinslicher Spareinlagen und so weiter, und dann die Banken halt dafür Aktien kaufen. Aber dann haben auch die Banken letztlich oder die Bankeigentümer, die Bankaktionäre wiederum auch den Renditevorteil der Aktie, und der geht den privaten Anlegern verloren. Und das System ist nicht so effizient und auch unsere gesellschaftspolitische Ordnung ist nicht so stabil, wie sie wäre, wenn viele Anleger auch unternehmerisch engagiert wären.
Bremkamp: Franz-Josef Leven vom Deutschen Aktieninstitut im Gespräch mit meiner Kollegin Petra Ensminger.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.