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Finanzhilfen für Griechenland
"Der Rettungsweg wirkt"

Die neuen Finanzhilfen für Griechenland seien geplant gewesen, sagte Manfred Weber, Vorsitzender der europäischen Christdemokraten, im DLF. Griechenlands Wirtschaft wachse. Klar müsse aber sein, dass die Finanzhilfen an EU-Auflagen gebunden sei.

Manfred Weber im Gespräch mit Silvia Engels | 06.11.2014
    Manfred Weber (CSU), der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament im Juli 2014
    Manfred Weber (CSU), Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, verlangt von den europäischen Ländern öffentliche Investitionen. (picture-alliance / dpa / Tobias Hase)
    Die Märkte in Europa benötigten Stabilität, sagte Manfred Weber, Vorsitzender der europäischen Christdemokraten, im Deutschlandfunk. Das neue Hilfsprogramm für Griechenland sei schon immer vorgesehen gewesen. Allerdings müssten die Griechen einsehen, dass das Geld nach wie vor an Auflagen gebunden sei, die die EU auch zwingend überprüfe.
    Um die schwächelnde Wirtschaft in Europa anzukurbeln, plädiert Weber dafür, wirtschaftliche Grenzen und Hürden abzubauen. "Offene Binnenmärkte seien für alle von Vorteil", sagte Weber. Geld aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) will der Politiker nicht für öffentliche Investitionen verwendet wissen und sieht die europäischen Länder in der Pflicht. "Das ESM-Geld ist der Notgroschen Europas."

    Das Interview in voller Länge:
    Silvia Engels: Griechenland braucht neue Finanzhilfen. Diese und ähnliche Schlagzeilen haben uns während der Finanzkrise im Euro-Raum oft begleitet. Zuletzt waren sie allerdings ein wenig aus der Mode gekommen. Das lag daran, dass die Konjunktur in Griechenland wieder etwas besser lief. Doch die Lage ist längst noch nicht so stabil, dass sich Athen frisches Geld wieder ganz normal zu Marktzinsen auf den internationalen Kapitalmärkten leihen könnte, und deshalb beraten ab heute die europäischen Finanzminister nach längerer Pause wieder einmal über frisches Geld für Athen.
    Am Telefon ist nun Manfred Weber. Er gehört der CSU an und er ist der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europäischen Parlament. Guten Morgen, Herr Weber!
    Manfred Weber: Guten Morgen, Frau Engels.
    Engels: Greifen wir das gerade gehörte Thema auf: die Sitzung der europäischen Finanzminister. Es geht um Griechenland. Soll Athen ein neues Hilfsprogramm bekommen?
    Weber: Zunächst ist das neue Hilfsprogramm insofern nichts Neues, weil schon immer geplant war, dass nach den großen Paketen, die Griechenland zum Überleben bekommen hat von den europäischen Partnern, auch den Übergang organisiert bekommt. Es geht ja jetzt um die Überbrückung, bis Griechenland wirklich sich wieder auf den Märkten selbst versorgen kann, und das portugiesische, so wie das im Beitrag ja auch beschrieben worden ist, und irische Modell funktioniert bei Griechenland eben nicht. Insofern ist es nichts "Neues", aber es steht jetzt zur Entscheidung an, und die Märkte haben uns einen klaren Warnschuss gegeben. Sie wollen Stabilität in Europa und deswegen muss auch Griechenland akzeptieren, dass es hier einen Beitrag zur Stabilität jetzt leistet.
    Engels: Das heißt: Das was sich die Griechen vorstellen, dass sie demnächst Richtlinien erfüllen wollen, aber nicht mehr so streng kontrolliert werden, das lehnen Sie ab?
    Weber: Das lehnen wir ab. Es war immer klar in Europa, wenn es Geld gibt, dass dafür klare Auflagen notwendig sind und dass die auch exekutiert, überprüft werden müssen, und da wird es auch bei diesem Programm, das jetzt ansteht, kein Wackeln geben.
    "Wir sollten schon Respekt gegenüber Griechenland anwenden"
    Engels: Andererseits hat Griechenland ja selbst seiner eigenen Bevölkerung in Aussicht gestellt, dass die Zeit der absoluten Nöte vorbei ist. Muss man da nicht den Griechen auch etwas entgegenkommen?
    Weber: Wir sollten schon Respekt gegenüber Griechenland anwenden, weil Griechenland die letzten Jahre wirklich Dramatisches entschieden hat, auch gelitten hat, auch die Menschen dort gelitten haben, und Griechenland hat jetzt Haushaltsüberschuss und Griechenland hat jetzt Wachstum. Das heißt, die Maßnahmen wirken auch. Wir sollten auch positiv bewerten die Wege, die Samaras und auch die griechische Regierung gegangen sind. Deswegen ist Hilfe auch richtig, wir sind am richtigen Weg. Die anderen Programmstaaten sind ja sowieso schon raus aus dem Programm, brauchen keine fremde Hilfe mehr. Der gesamte Rettungsweg ist also richtig. Es geht jetzt nur noch um den Übergang, und wenn die Märkte sensibel reagieren, dann müssen wir auch klar sagen, Griechenland braucht den Übergang, braucht das neue Paket, muss aber dann auch Auflagen respektieren, und das müssen auch die griechischen Politiker ihren Bürgern vermitteln.
    "Die Grundsatzdaten in Griechenland sind positiv"
    Engels: Was denken Sie denn, wie lange dieser Übergang dauern wird, bis Griechenland sich selbst wieder am Kapitalmarkt finanzieren kann?
    Weber: Zunächst: Die Grundsatzdaten in Griechenland sind positiv, eben mit dem Haushaltsüberschuss. Die Voraussagen für die nächsten Jahre sind auch da sehr positiv. Und wenn Griechenland Kurs hält, wenn es auch politisch stabil bleibt, was das wichtigste ist, dann, glaube ich, hat Griechenland gute Chancen, nach diesem Programm wirklich auf eigenen Beinen wieder zu stehen. Und das Wichtigste ist Wachstum. Das ist übrigens kein nur griechisches Problem. Das geht ja mittlerweile uns Deutsche auch an, dass wir Sorge haben vor Wachstumsschwäche. Also wir haben es mit einer europäischen Herausforderung jetzt zu tun.
    Bürokratie, Binnenmarkt und das 300-Milliarden-Paket
    Engels: Und damit sind wir bei dem anderen Thema, was wir besprechen wollen. Weiten wir den Blick nämlich auf die Frage hin, was tun, um das schwächelnde Wachstum in Europa insgesamt voranzubringen. Gestern hatte ja der neue Kommissionschef Juncker seinen ersten großen Auftritt und er hat Selbstbewusstsein demonstriert. Schon früher hatte er 300 Milliarden Euro versprochen, um öffentliche Investitionen in Europa anzukurbeln. Woher kommt das Geld?
    Weber: Zunächst muss man den Blick weiten. Wir dürfen nicht in die Falle tappen, dass wir jetzt nur über Geld und vor allem über neues Geld reden, weil zunächst mal ganz andere Fragen im Raum stehen. Wir als EVP, als Bürgerliche, als Christdemokraten in Europa fordern zunächst mal, alle Hürden wegzunehmen, die unsere Wirtschaft derzeit hindern: Alles was Bürokratie bedeutet, alles was auch Europa an Bürokratie aufgebaut hat. Die Stoiber-Vorschläge müssen jetzt schlicht und einfach umgesetzt werden. Wir reden dauernd davon und jetzt müssen wir endlich handeln.
    Das zweite große Thema ist Binnenmarkt. Bisher haben wir die Erfahrung gemacht, dass immer, wenn wir die Grenzen für unsere Wirtschaft abgebaut haben, in Europa Binnenmarkt geschafft haben, dass das für alle von Vorteil war, dass wir Wachstum und Arbeitsplätze geschaffen haben, und ganz konkret wollen wir das im Energiebereich und wir wollen das im digitalen Bereich endlich auch umsetzen. Dort haben wir noch sehr zersplitterte nationale Märkte.
    Und das Dritte ist dann das Geld, das 300-Milliarden-Paket, und da hat Jean-Claude Juncker die Eckpfeiler eingerammt. Er hat gesagt, Europa kann nicht mehr Schulden machen. Das heißt, beim öffentlichen Geld haben wir Limits. Aber wir müssen kreativ sein, als Staat Strukturen zu schaffen, damit privates Geld mobilisiert werden kann, und da steht die EIB, die Europäische Investitionsbank, an vorderster Front in Verantwortung. Geld ist genug da in Europa, privates Geld, und das müssen wir jetzt mobilisieren für sinnvolle, nachhaltige Investments.
    Engels: Geld ist genug da in Europa, sagen Sie. Da gibt es auch die Idee, den Europäischen Rettungsschirm ESM anzuzapfen, der ja Rücklagen gebildet hat. Das wird im Moment möglicherweise von den Krisenstaaten nicht mehr so dringend gebraucht. Kann man da ran?
    Weber: Die ESM-Gelder sind unser Notgroschen, um das so zu sagen, für die Krise, für einen Extremfall, zu wissen, ich habe noch ein Sonderkonto auf der Bank, um mich retten zu können, wenn große Probleme auftreten. Und deswegen tun wir gut daran, an dieses Geld jetzt nicht ranzugehen. Es gibt genug andere Möglichkeiten und wir sollten das jetzt anpacken.
    Europäische Wirtschaft am Wendepunkt
    Engels: Genug andere Möglichkeiten. Da würde auch Frankreich, Italien oder Spanien etwas einfallen, nämlich den Druck auf Deutschland erhöhen, mehr Geld für die öffentliche Konjunkturbelebung in Europa bereitzustellen.
    Weber: Europa steht vor der Sorge vor Deflation. Das heißt, wir haben wirklich die Sorge, dass die europäische Wirtschaft am Wendepunkt steht, ob wir den Aufschwung schaffen, oder ob wir eben wegrutschen. Und das betrifft uns Deutsche genauso wie Frankreich, Italien und andere. Deswegen sind wir da in einer gemeinsamen Verantwortung. Da ist Europa wichtig, die Punkte, die ich beschrieben habe, da sind die Strukturreformen in den Ländern extrem wichtig, aber es ist auch wichtig, dass jeder in seinem eigenen Budget, in seinem eigenen Haushalt jetzt überlegt, wie er Wachstumsimpulse setzen kann, und das gilt auch für uns Deutsche. Wir wissen, dass wir zum Beispiel in der Frage der Infrastruktur eine Investitionslücke in Deutschland haben, zu wenig Geld in die Infrastruktur investieren, und deswegen müssen auch wir, muss auch Berlin darüber nachdenken, wie wir bestehende Gelder optimal anwenden, sprich jetzt eher Schwerpunkte bei Investitionen setzen. Das wird bei den Ländern eine Frage sein und das muss auch im Bund eine Frage sein.
    Engels: Manfred Weber, CSU-Mitglied und Fraktionschef der bürgerlichen EVP im Europäischen Parlament. Wir sprachen mit ihm über mögliche neue Hilfen für Griechenland und die generelle Frage, woher öffentliches Investitionsgeld in Europa kommen kann. Vielen Dank für Ihre Zeit.
    Weber: Danke schön.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.