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Finanzierung des Atomausstiegs
Bundestag billigt Pakt mit AKW-Betreibern

Die Energiekonzerne übernehmen die Kosten für Stilllegung und Abriss ihrer Atomkraftwerke - der Bund trägt die Verantwortung für die Zwischen- und Endlagerung des nuklearen Abfalls. Der Bundestag hat das Gesetz zur Finanzierung der Atommüllentsorgung mit großer Mehrheit gebilligt. Nur die Linksfraktion stimmte dagegen.

Von Nadine Lindner | 15.12.2016
    Das von Eon betriebene Kernkraftwerk in Grohnde an der Weser bei Hameln
    Das von Eon betriebene Kernkraftwerk in Grohnde an der Weser bei Hameln (imago / Rust)
    Bei der Atomkraft ist aus dem Ausstiegskonsens auch ein Entsorgungskonsens geworden.
    Die Verantwortlichkeiten - und damit auch Zahlungsverpflichtungen bei der Entsorgung des Atommülls - werden aufgeteilt. Das hat der Bundestag mit großer Mehrheit beschlossen. Es war nicht die Bundesregierung, sondern die Fraktionen von CDU/ CSU, SPD und Grüne, die den Gesetzesentwurf einbrachten. Eine seltene Eintracht also zwischen Grünen und Großer Koalition. CDU-Wirtschaftspolitiker Michael Fuchs, eigentlich ein Lieblingsfeind der Grünen, lobte die Kooperation:
    "Eine so gute Zusammenarbeit zwischen den Fraktionen, ich kann mich überhaupt nicht dran erinnern, dass wir das schon mal gemacht haben."
    Fuchs ging noch einmal auf die Kernpunkte des Gesetzes ein: die Teilung der Verantwortung für den Atommüll zwischen Staat und Konzernen:
    "Erstens, die Betreiber der Kernkraftwerke bleiben für die Stilllegung und den sicheren Rückbau zur grünen Wiese in der Verantwortung. Sie müssen das bezahlen. Sie haben dafür Rückstellungen gebildet in der Größenordnung von 17,8 Milliarden. Zweitens die Zwischen - und Endlagerung übertragen die Energieversorger die Mittel auf einen Fonds des Bundesfinanzministers."
    Bundestag bekommt mehr Mitspracherechte als geplant
    Der Fonds soll ab dem 1. Juli 2017 zur Verfügung stehen. Dann ist Zahltag, die Konzerne können mit den Überweisungen von insgesamt 23,5 Milliarden Euro beginnen. Ratenzahlungen sind möglich.
    Grundlage für das Gesetz war die Arbeit der Atomausstiegs-Finanzierungs-Kommission (KFK) unter Jürgen Trittin, Matthias Platzeck und Ole von Beust. Sie hatten im April ihren Abschlussbericht vorgelegt.
    Diese Vorschläge wurden im Wesentlichen übernommen. Eine wichtige Änderung gab es jedoch bei der Verwaltung des Fonds: Der Bundestag wird mehr Mitspracherechte bekommen als ursprünglich geplant.
    Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, SPD, lobte die Einigung, er sprach der Anti-Atom-Bewegung auch Anerkennung für ihre Hartnäckigkeit aus.
    "Und es ist nur durch den langen Atem der Protest-Bewegung möglich gewesen, wenigstens mal die unbegrenzte weitere Produktion von Atommüll in Deutschland zu beenden."
    Gabriel verwies darauf, dass durch das Gesetz auch verhindert werden soll, dass sich Konzerne durch Aufspaltung aus der Verantwortung stehlen:
    "Eltern haften für ihre Kinder, das heißt, die Haftung besteht nun unabhängig von konzerninternen Strukturen und ihren Veränderungen."
    Grüne wollen Klagen vom Tisch haben
    Die Einigung löst aber nicht nur Freude aus. Die Grünen, die den Kompromiss zwar mittragen, nannten ihn die bestmögliche Lösung unter schlechten Vorbedingungen und gaben der Bundesregierung gleich noch eine Hausaufgabe mit auf den Weg. Die atompolitische Sprecherin Sylvia Kotting-Uhl:
    "Die beiden Klagen mit relevantem Finanzvolumen bleiben bestehen: die gegen die Brennelementesteuer und die von Vattenfall in Washington. Der Auftrag an die Bundesregierung ist von daher ganz eindeutig: Sorgen sie dafür, dass diese beiden Klagen vom Tisch kommen."
    Die Linksfraktion lehnt die Einigung komplett ab. Der atompolitische Sprecher Hubertus Zdebel fürchtet, dass - mal wieder - Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert würden.
    "…wollen nun im Schulterschluss CDU, CSU, SPD und die Grünen die Verstaatlichung der gesamten Atommüllentsorgung besiegeln und dem Steuerzahler die wesentlichen Risiken aufbürden."
    2100 als realistische Zielmarke
    Bevor das Gesetz geplant zum 1. April in Kraft treten kann, muss morgen noch der Bundesrat zustimmen, was jedoch als sicher gilt. Anschließend prüft die EU-Kommission in einem Notifikationsverfahren, ob unerlaubte Subventionen vorliegen. Nachdem die Finanzierung geklärt ist, muss die Endlagersuche beginnen. Ein Jahrhundertprojekt: Bis ein Endlager gesucht, gebaut, befüllt und versiegelt ist, könnten noch mehrere Jahrzehnte vergehen. Der CDU-Abgeordnete Steffen Kanitz sprach vom Jahr 2100 als realistische Zielmarke.