Ab heute ist die Suche nach einem sicheren Ort für hoch radioaktiven Müll Sache der Politik. Die Endlagerkommission hat ihren Abschlussbericht dem Bundestagspräsidenten Norbert Lammert übergeben. Am Nachmittag erhält ihn Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, SPD, die auch für die Reaktorsicherheit zuständig ist. Nach ihren Vorstellungen soll ein Standort in den 2030er-Jahren gefunden sein. Ab etwa 2050 das Endlager in Betrieb gehen. Doch schon jetzt gibt es Zweifel an diesem Zeitplan, Stefan Wenzel grüner Umweltminister heute Morgen im Deutschlandfunk:
"Wahrscheinlich dauert es länger, und ich rechne damit, dass das letzte Drittel des Jahrhunderts ein Zeitpunkt sein könnte, zu dem wir ein sicheres Lager haben."
Es waren zwei große Aufgaben, die die Endlager-Kommission des Bundestags zu bearbeiten hatte. Erstens ging es darum, Kriterien zu erarbeiten, wie der hoch radioaktive Müll in Deutschland am sichersten gelagert werden kann.
Zweitens sollte ein Verfahren entwickelt werden, wie die Öffentlichkeit in die Endlagersuche eingebunden werden kann.
"Manchmal mühselig, aber doch konsensorientiert."
So beschreibt Ursula Heinen-Esser, CDU, eine der zwei Ko-Vorsitzenden die Arbeit. Über zwei Jahre lang haben die 32 Mitglieder um Lösungen gerungen. In der Kommission saßen Vertreter aus Politik, Wirtschaft, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft.
Salz, Ton und Granit kommen infrage
Das Ergebnis der Endlagerkommission ist ein Steckbrief – noch kein konkreter Standort. Gesucht wird ein Bergwerk, mindestens 300 Meter unter der Erde. Der strahlende Müll, abgebrannte Brennstäbe aus Atomkraftwerken, soll dort in einer Gesteinsschicht eingelagert und abgeschirmt werden.
Infrage kommen – und das ist eines der wichtigsten Ergebnisse – drei Wirtsgesteine: Salz, Ton und Granit. In verschiedenen Phasen werden die Suchkriterien angewendet, bis schließlich nur noch eine Handvoll Orte übrig bleiben, in denen ein Erforschungs-Bergwerk entstehen soll.
Robert Habeck, grüner Umweltminister aus Schleswig-Holstein zur Verantwortung der Kommission:
"Unsere Generation, obwohl wir in Teilen dagegen waren, hat den Schlamassel angerichtet, wir müssen den auch beseitigen. Das ist unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit."
500 Seiten umfasst der Abschlussbericht. Ein wichtiges Prinzip ist die sogenannte weiße Landkarte. Das heißt, es wird in jedem Bundesland nach einem Endlager-Standort gesucht.
Damit steht fest, dass dies auch für Gorleben gilt. Seit Jahrzehnten wurde der Salzstock in Niedersachsen als potenzielles Endlager erforscht, derzeit ruhen die Arbeiten. Für die Kommission - der größte Zankapfel.
Die Umweltorganisation BUND wird ein Sondervotum abgeben. Klaus Brunsmeier zur Begründung:
"Gorleben ist politisch verbrannt und geologisch ungeeignet, das ist unsere klare Aussage dazu."
Bürger werden mit eingebunden
Begleitet wird der heutige Tag von mehreren Protestaktionen. Bauern aus dem Wendland protestieren mit einem Treckerkorso im Regierungsviertel gegen die Empfehlungen der Kommission, die Gorleben einschließt.
Der niedersächsische Umweltminister Wenzel im Deutschlandfunk, glaubt, dass Gorleben im Suchprozess ausscheidet:
"Ich glaube, dass die neuen Sicherheitsanforderungen, verbunden mit verschiedenen Kriterien im Bericht, dass die eine Nutzung von Gorleben nicht mehr zulassen."
Es ist jedoch nicht das einzige Sondervotum: Das geben auch die Bundesländer Sachsen und Bayern ab. Sie wollen Granit als Wirtsgestein ausschließen und so verhindern, dass auch dort nach einem Endlager gesucht wird. Auch die Linke, der BDI und ein Wissenschaftler haben Sondervoten vorgelegt.
Bis September können Bürger auf der Homepage der Endlager-Kommission die Ergebnisse kommentieren. Nach der Sommerpause soll das Bundeskabinett eine Novelle des Standortauswahlgesetzes vorlegen, der Bundestag noch in diesem Jahr entscheiden. Das Thema soll nicht in den Bundestagswahlkampf 2017 geraten.