Heinlein: Herr Faltlhauser, wie froh sind Sie, dass Sie Finanzminister in München und nicht in Berlin sind?
Faltlhauser: Ich glaube fröhlich läuft zur Zeit kein Finanzminister durchs Land, weil jeder natürlich auf seiner Ebene, auch jeder Kämmerer in den Kommunen, erhebliche Probleme hat. Wenn wir deutliche Wachstumseinbrüche haben, haben wir eben entsprechend geringere Einnahmen. Der Freistaat Bayern hat aber seine Dinge doch im Griff. Wir haben eine Kreditfinanzierungsquote von 1 Prozent, im Verhältnis zum Bund von 7,6 Prozent. Wir haben eine Zinsabgabenquote von 3 Prozent, der Bund von 15,3 Prozent, und eine Pro-Kopf-Verschuldung von 1500 Euro, die beim Bund bei 8600 Euro liegt. Wir sind also weit entfernt. Insofern sind wir mit Sicherheit mit Abstand das finanzpolitisch stabilste Land der Bundesrepublik Deutschland.
Heinlein: Sie haben vor Tagen angekündigt, Herr Faltlhauser, Bayern bleibe bei seinem Ziel, 2006 einen Haushalt ohne Neuverschuldung zu erreichen. Sind Sie da nicht ein wenig zu optimistisch wie seinerzeit auch Hans Eichel?
Faltlhauser: Zunächst einmal ist Herr Eichel sicherlich deshalb jetzt in besonderen Schwierigkeiten, weil seine Ankündigung und seine festen Behauptungen, die er immer mit seinem etwas naiven Gesicht so vor sich hergesagt hat, im Kontrast zu seinen Realitäten steht. Die tatsächlichen Realitäten holen ihn jetzt ein. Wir haben 2006 das Ziel des ausgeglichenen Haushalts nicht nur politisch angekündigt, sondern wir haben uns gesetzlich verpflichtet. In der bayerischen Haushaltsordnung steht dies festgeschrieben. Also bleibt allen politischen Akteuren hier im Freistaat gar nichts übrig, das tatsächlich zu erreichen. Ich habe in dem laufenden Doppelhaushalt 2003/2004 dementsprechend auch planmäßig von Jahr zu Jahr eine Absenkung der Nettoneuverschuldung um 117 Millionen Euro mit drin, und so kommen wir planmäßig im Jahr 2006 dann herunter auf null. Das bedeutet natürlich jetzt dann nach der Steuersetzung mit Sicherheit, dass wir noch einmal Einsparungen vornehmen müssen.
Heinlein: Wo wollen Sie denn noch sparen?
Faltlhauser: Lassen Sie es der Entscheidung des Kabinetts in Bayern, wie wir sparen, aber wir werden noch mal sparen müssen.
Heinlein: Und wenn Hans Eichel jetzt im Bund weiter sparen will - das hat er ja angekündigt -, wird das die CSU im Bundesrat unterstützen? Wird das Bayern tun?
Faltlhauser: Ich glaube nicht, dass wir Herrn Eichel bisher an irgendeiner Stelle gehindert haben zu sparen. Vielleicht haben wir es zu spät deutlich genug gemacht. Er hat sehr viel Lasten verschoben und hat auch mitgemacht bei einer Menge von Steuererhöhungen. Genau das wollen wir nicht. Er macht jetzt im Grunde zwei Dinge, die erheblich schädlich sind für die Konjunktur. Erstens: er wollte Steuererhöhungen machen, insgesamt 35 Steuererhöhungen im Rahmen des Steuervergünstigungsabbaugesetzes, und jetzt diese Tabaksteuererhöhung. Zweitens kommt die Nettoneuverschuldung hinzu. Ich schätze, dass der Bund, der jetzt im Jahr 2003 18,9 Milliarden Neuverschuldung im Haushalt stehen hat, bei etwas mehr als 30 Milliarden landen wird. Da dann die Investitionen des Bundes bei nur 26,7 Milliarden liegen, ist dann der Bundeshaushalt 2003 erneut verfassungswidrig. Ich will eine Bemerkung dazu machen. Das kann man nur dann vertreten, wenn der Bundesfinanzminister und der Wirtschaftsminister erklären, diese Nettoneuverschuldung über der Verfassungsgrenze ist notwendig zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes. Ich möchte aber wissen, wie Herr Eichel mit dieser Nettoneuverschuldungserhöhung eine Abwehr - ich unterstreiche Abwehr - tatsächlich begründen will.
Heinlein: Haben Sie denn einen Vorschlag, wie man es in dieser Situation besser machen könnte als Hans Eichel?
Faltlhauser: Durch deutliche Einsparungen. Ich glaube die Diskussion von Seiten der Union läuft ja schon sehr konstruktiv, dass man tatsächlich bei den Subventionen noch mal ordentlich rangeht. Das steht im sogenannten Akutprogramm der CSU und dies ist auch die Absicht von Herrn Koch. Wie man das im Detail jetzt macht, dazu beginnen ja in dieser Woche auch Gespräche zwischen Herrn Steinbrück und Herrn Koch bzw. Herrn Diekmann und Herrn Weimar. Da werden andere mit teilnehmen. Eine konstruktive und gute Diskussion, wie ich meine.
Heinlein: Aber innerhalb der Union, sprich Jürgen Rüttgers, ist man sich ja nicht einig, die Subventionen pauschal um 10 Prozent zu kürzen. Muss die Union dort auch noch ihre Hausaufgaben machen, ehe man dann die Regierung weiter kritisiert?
Faltlhauser: Ich glaube nicht, dass es jetzt darum geht, öffentliche Vorankündigungen zu machen. Jetzt muss schlicht gearbeitet werden und diese Arbeit beginnt in dieser Woche. Darauf setze ich und ich habe durchaus die Vorstellung, dass man auch pauschale Kürzungen machen kann. Ob man dann einzelne Ausnahmen macht oder besondere Akzente setzt, ist der Detaildebatte vorenthalten. Durch allgemeine Erklärungen ist da nichts geholfen.
Heinlein: Vor diesem Hintergrund, Herr Faltlhauser, werben ja viele in der CDU, unter anderem Angela Merkel, für steuerpolitische Beschlüsse möglichst gemeinsam mit der SPD. Wird es Zeit für eine große Koalition?
Faltlhauser: Nein! Ich glaube nicht, dass diesem Land durch eine große Koalition geholfen ist. Diesem Land ist geholfen durch klare Alternativen und dann auch punktuell durch konstruktives Zusammenwirken zwischen Regierung, Bundestag und Bundesrat. Wie man das macht, haben wir jetzt ja bei dem Steuervergünstigungsabbaugesetz im Bereich der Körperschaftssteuer gezeigt. Da wo es vernünftig ist werden wir diese Politik fortfahren. Allerdings ist klar: irgendwelche Kungelrunden kann es nicht geben. Vorher gewissermaßen abstimmen zwischen Regierung und Opposition, was geht und was nicht geht, so läuft es nicht. Zunächst muss die Bundesregierung jeweils mit ihren konkreten, in Gesetzesform formulierten Vorschlägen kommen. Dann kann die Opposition und die Mehrheit im Bundesrat sagen ja oder nein.
Heinlein: Wollen Sie diese Diskussion, die Sie gerade angesprochen haben, gemeinsam mit Hans Eichel führen, oder muss er vorher zurücktreten?
Faltlhauser: Ich beteilige mich als Kollege nicht an der Rücktrittsdebatte eines Finanzministers.
Heinlein: Ist es denn richtig, dass Hans Eichel nun Prügelknabe der Nation ist?
Faltlhauser: Ich glaube, dass an der gegenwärtigen Situation, hervorgerufen vor allem durch mangelndes Wachstum, die gesamte Bundesregierung unter Führung von Schröder verantwortlich ist. Herr Eichel ist, wie ich schon gesagt habe, vor allem verantwortlich für die enorme Lücke zwischen einerseits Ankündigung und andererseits Realität.
Heinlein: Also muss Schröder zurücktreten?
Faltlhauser: Ich will keine Rücktrittsdiskussion. Die halte ich für etwas vordergründig. Wir sollten über die Sache reden und in der Sache kritisieren.
Heinlein: Das war der bayerische Finanzminister Kurt Faltlhauser. - Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach München!
Link: Interview als RealAudio