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"Finanzkrise kann Impulse für neue Technologien geben"

Vor Beginn der Weltklimakonferenz im polnischen Posen hat der Direktor des UN-Umweltprogramms UNEP, Achim Steiner, die Finanzkrise als Gefahr und Chance für den Klimaschutz bezeichnet. In der Zusammenführung dieser Herausforderungen liege der Schlüssel für eine Finanzierung des Klimaschutzes, für eine Reduzierung von der CO2-Emission und für ein Konjunkturprogramm.

Achim Steiner im Gespräch mit Bettina Klein |
    Klein: Die UNO-Klimakonferenz in Poznan startet heute unter schwierigen Bedingungen. Die Europäische Union zum Beispiel vereinbarte zwar im vergangenen Jahr ein ambitioniertes Klimaschutzpaket; die Lastenverteilung auf die einzelnen Staaten ist aber noch vollkommen unklar. Bislang waren die Verhandlungen darüber sehr zäh. Die USA haben mit Barack Obama zwar einen für den Klimaschutz aufgeschlossenen Präsidenten gewählt, sind aber offiziell noch mit der Delegation der alten Regierung vertreten, und auf allen lastet die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise. Was also kann der heute beginnende Weltklimagipfel in der polnischen Stadt bringen? - Am Telefon ist Achim Steiner, Leiter des UNO-Umweltprogramms. Ich begrüße ihn direkt in Nairobi. Guten Morgen, Herr Steiner.

    Steiner: Guten Morgen!

    Klein: Ein Kyoto-Nachfolgeabkommen, ein Gerüst dafür zumindest soll entstehen in den kommenden 14 Tagen. Gibt es irgendetwas, das Sie nicht als völlig offen bezeichnen würden?

    Steiner: Es wäre schön, wenn man das sagen kann, aber ich glaube, man muss immer noch feststellen, dass wir natürlich in Poznan weit hinter unserem Zeitplan sind, konkrete erste Vereinbarungen treffen zu können. Trotzdem liegt in Poznan zum ersten Mal ein Verhandlungstext auf dem Tisch und das wird sicherlich für den Prozess und auch für die Delegation ein neuer Meilenstein sein, denn nun geht es um konkrete Verhandlungen, konkrete CO2-Reduzierungsziele, konkrete Finanzierungsmechanismen und auch die Architektur der Klimakonvention, wie diese verschiedenen Fonds und Mechanismen in Zukunft funktionieren sollen. Das heißt, wir sind jetzt 12 Monate vor der Kopenhagen-Konferenz dabei, in die Verhandlungen zu treten.

    Klein: Welche entscheidenden Hürden müssen in Poznan in den kommenden zwei Wochen aus dem Weg geräumt werden?

    Steiner: Sicherlich wird die Frage sein, inwiefern Industrieländer sich auf konkrete Ziele bei der CO2-Reduzierung vereinbaren können und wie dieses auch von den Entwicklungsländern aufgenommen wird, um zumindest im Rahmen freiwilliger Maßnahmen sich an diesem Prozess auch zu beteiligen. Das wird weiterhin der große Knackpunkt bei den Verhandlungen sein.
    Zweitens geht es jetzt konkret auch um Finanzierungsbeträge. Wir müssen auf einen Punkt kommen, trotz Finanzkrise, trotz ökonomischer Krise, wo sich Industrieländer verpflichten, zumindest in Aussicht stellen, dass beträchtliche Finanzierungshilfen auch für Entwicklungsländer zur Verfügung stehen. Das ist für sie die Voraussetzung, hier weiterzukommen.

    Ein drittes Beispiel und ein positives Beispiel ist die Reduzierung von Entwaldungen. Ich glaube, hier werden wir sicherlich in Poznan ein positives Signal sehen, zum ersten Mal einen Versuch, Länder dafür nicht nur zu belohnen, sondern zu entlohnen, dass sie Waldflächen erhalten, die ja sehr wichtige CO2-Speicher auf unserem Planeten sind.

    Klein: Um eine gewisse Blockade herauszugreifen, die bisher vorhanden war bei Entwicklungs- und Schwellenländern. An welcher Stelle genau sehen Sie denn Bewegung?

    Steiner: Ich glaube, im Augenblick wird jeder beobachten, was die neue Administration in den USA an den Tisch bringen wird. In Poznan ist sie ja noch vertreten durch die Bush-Administration, aber es gibt bereits Vertreter auch der Obama-Regierung, die in Poznan an den Diskussionen teilhaben werden. Zumindest sind sie in beobachtender Funktion. Ich glaube, die veränderte Richtung bei der Klimapolitik der Vereinigten Staaten wird sicherlich ein sehr wichtiges Signal sein, das auch in Poznan zum ersten Mal zum tragen kommt.

    Die Entwicklungsländer sind natürlich im Augenblick darauf fixiert zu sehen, ob Industrieländer erstens mal ihre eigenen Verpflichtungen einhalten, und hier müssen wir ja auch anerkennen, dass einige europäische Länder und andere Industrieländer nicht einmal ihre Kyoto-Verpflichtungen im Moment einhalten. Das heißt, wie ernst nehmen die Industrieländer den Klimawandel, und zweitens, können sich Entwicklungsländer in einem internationalen Abkommen durch Finanzierungs- und Technologietransfer auch gewisse Vorteile von einem solchen Rahmenabkommen versprechen.

    Klein: Das heißt, Sie sehen schon die USA im Augenblick am Zuge, die den ersten entscheidenden Schritt gehen müssen und damit auch Bewegung bei den Industrie- und Schwellenländern erreichen können?

    Steiner: Ja, und das ist ein wenig das unglückliche Timing für Poznan, dass natürlich wir gerade in einer Phase sind, in der die alte Regierung noch an der Macht ist, die neue Administration erst im Januar die Zügel in die Hand nimmt. Das macht natürlich für Poznan nicht gerade ein sehr leichtes Verhandeln. Aber ich glaube, wir haben in Poznan die Möglichkeit, sicherlich seitens der Atmosphäre für die Verhandlungen ganz andere Vorzeichen zu sehen als noch in Bali vor einem Jahr, und das ist ja auch unsere Hoffnung, dass man hier mit konkreten Signalen seitens Washingtons auch die Entwicklungsländer zu einer größeren Verhandlungsbereitschaft bringt.

    Klein: Werden viele Regierungen nicht vielleicht erst einmal abwarten wollen, welchen Kurs der künftige amerikanische Präsident denn dann tatsächlich und ganz konkret einschlägt?

    Steiner: Die Gefahr ist natürlich da. Nur muss man auch feststellen, dass ja gerade der gewählte Präsident Obama in den letzten zwei Wochen sehr konkrete Signale auch an die internationale Gemeinschaft geschickt hat, dass er die Klimafrage sehr ernst nimmt und dass er sie vor allem auch als Bestandteil seiner Finanz- und Konjunkturprogramme betrachtet, und das ist ja auch etwas, was wir im Umweltprogramm der Vereinten Nationen in den letzten Wochen immer wieder gefordert haben. Man kann die Finanzkrise nicht auf Kosten der Klimakrise lösen, sondern in dem Zusammenführen dieser Herausforderungen liegt der Schlüssel für Finanzierung, aber auch Reduzierung von CO2-Emissionen und Konjunkturprogrammen für unsere Wirtschaft.

    Klein: Wie gewichtig ist die Rolle, die die Finanz- und Wirtschaftskrise weltweit im Augenblick spielt? Sprich: wie weit verbreitet ist das Denken noch, in wirtschaftlich harten Zeiten hat die Ökonomie eben doch Vorrang vor der Ökologie?

    Steiner: Dieses Denken wird natürlich vor allem von denen vertreten, die im Augenblick, vielleicht in den letzten Jahren es verpasst haben, sich auf die Klimafrage einzustellen. Das sind also die Stahl- und Energieunternehmen, die Autoindustrie, die natürlich in der Finanzkrise und in der Rezession, die sich jetzt abzeichnet, vor allem leiden werden. Das ist einerseits verständlich und hier versucht man ja auch, in verschiedensten Formen zu unterstützen. Nur ich glaube, wenn wir uns darauf einlassen, dass unsere Wirtschaft, unsere Volkswirtschaft von morgen heute von den Sektoren von gestern definiert wird, dann werden wir zum einen nicht die volkswirtschaftliche Krise bewältigen und vor allem werden wir es verpassen, bis zum nächsten Jahr die Klimakrise mit vernünftigen und auch bedeutenden Schritten anzugehen. Das ist daher mein Appell auch, und das ist ja nicht nur ein Appell seitens von Umweltorganisationen, sondern ob es Siemens ist, ob es George Sorrows ist, ob es die chinesische Regierung ist oder Präsident Obama, viele haben ja inzwischen erkannt, dass gerade die Finanzkrise zum einen eine Gefahr bedeutet für diese Politik gegen das Klima, gegen die globale Erwärmung, aber eben auch eine Möglichkeit für neue Technologien, neue Arbeitsplätze, neue wirtschaftliche Impulse.

    Klein: Schauen wir noch auf die Position der Europäischen Union. Die ist ja auch weiterhin nicht ganz klar. Die eigenen Ziele werden wieder verwässert, auch auf Druck der deutschen Regierung. Die Emissionsziele für die Autoindustrie wurden nach unten verschoben. Auch beim Emissionshandel droht nun Ähnliches. Wo sehen Sie die Europäische Union und Deutschland, noch in einer Rolle eines Vorreiters?

    Steiner: Ja. Ich glaube, Deutschland und Europa vor allem haben in den letzten Jahren sicherlich die Vorreiterrolle gehabt. Nur muss man anerkennen, dass zum einen die Veränderungen in den USA auch für Europa von großer Bedeutung sind, nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt der Welterwerbsfähigkeit, aber auch Länder wie China und Indien investieren inzwischen enorm in erneuerbare Energien und werden zu international sehr dominanten Akteuren. Das heißt für Europa, ein Rückschritt von seien Zielen, bis 2020 CO2-Emissionen um 20 Prozent zu reduzieren, wäre sicherlich sehr bedauerlich und auch unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten ein Rückschritt.

    Klein: Achim Steiner war das, der Leiter des UNO-Umweltprogramms, live aus Nairobi zum heute beginnenden Weltklimagipfel in Poznan. Danke Ihnen, Herr Steiner, für das Gespräch.

    Steiner: Ich danke Ihnen.