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Finanzminister Olaf Scholz zur Coronakrise
"Wir haben eine Perspektive"

Bundesfinanzminister Olaf Scholz zeigt sich zuversichtlich, dass es bald eine Rückkehr "zu einem normaleren Leben" geben werde. Bei dem Zusammenspiel zwischen der Öffnungsstrategie, den Impfungen und dem Testen brauche es aber "eine Lösung aus einem Guss", sagte er im Dlf.

Olaf Scholz im Gespräch mit Theo Geers |
Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz auf dem SPD-Parteitag am 7. Februar 2021
Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz auf dem SPD-Parteitag am 7. Februar 2021 (AFP / POOL / Tobias Schwarz)
Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat mit Blick auf die Öffnungsstrategie Bund und Länder zu durchdachten Beschlüssen ermahnt. "Ich bestehe darauf, dass wir hier eine gemeinschaftliche Führungsleistung in Deutschland zustande bringen", sagte Scholz im Deutschlandfunk. Er bestätigte, dass man einen Zusammenhang herstellen werde zwischen der Öffnungsstrategie und dem Testen. Auch Selbsttests müssten dabei mit einbezogen werden. Es brauche zusätzlich mehr Gelegenheiten für das Testen, vor allem in Firmen, aber auch an allgemein zugänglichen Orten wie Arztpraxen und Apotheken. Wichtig sei außerdem, dass die Impfkampagne gut funktioniere. Die Hoffnung, dass es besser wird und "wir Stück für Stück Öffnung durchsetzen können", sollte sich für alle verbreiten, so Scholz.

Hoffnung für alle verbreiten

Von der anstehenden Bund-Länder-Runde erwartet Scholz Entscheidungen für eine "präzise Strategie", an der sich Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Wirtschaft orientieren könnten. Wichtig seien klare Ansagen. "Wir haben schon einen Öffnungsschritt hinter uns", sagte Scholz im Dlf. Weitere vorsichtige Schritte würden folgen. Wenn wir jetzt gut weitermachten, "dann kommen wir hinter die Coronakrise, dann können wir sie auch irgendwann hinter uns lassen", sagte der SPD-Kanzlerkandidat im Dlf.
Der Haushalt werde aber auch in den kommenden Jahren nicht zu seinem Vor-Corona-Niveau zurückkehren, dazu seien die Belastungen durch die Pandemie zu groß, so Scholz. Er nehme mit großer Freude zur Kenntnis, dass bei vielen, die vor kurzer Zeit noch ganz andere Erklärungen öffentlich abgegeben hätten, die Erkenntnis wachse, dass Deutschland vor großen Herausforderungen stehe, die sich "nicht einfach mit ein paar Prinzipienerklärungen" wegwischen ließen. Bei den Steuern werde der Staat dauerhaft den vor der Krise prognostizierten Einnahmepfad nicht wieder erreichen. Das müsse Konsequenzen haben.
Scholz (SPD): "Ganz schön einschneidende Maßnahmen ergriffen"Die Alltagseinschränkungen im Zuge der Coronapandemie seien keinesfalls zu milde, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) im Dlf. Bei der Finanzierung der Kredite sprach sich der SPD-Kanzlerkandidat für eine höhere Belastung von Spitzenverdienern und gegen Steuersenkungen aus.
Das Interview im Wortlaut:
Theo Geers: Herr Scholz, wenn ich als Journalist die Hoffnung dieser Tage auf den Punkt bringen müsste, dann würde ich wahrscheinlich eine Schlagzeile formulieren, die in die Richtung ginge: Mehr testen gleich weniger Lockdown. Und in der Unterzeile würde ich vielleicht noch das Impfen erwähnen. Ginge das auch in Ihre Richtung?
Olaf Scholz: Ja, ich glaube, es ist richtig, dass wir die Möglichkeiten, zu testen einbeziehen in unsere Strategien zur Öffnung. Das ist mittlerweile fast ja von fast allen auch akzeptiert worden. Und ich glaube, das ist auch die richtige Richtung.

"Es wichtig, dass jetzt viel geimpft wird"

Geers: Nun blickt ja alles auf Mittwoch, auf das nächste Treffen im Kanzleramt. Und alle erwarten endlich die Öffnungsperspektive, die man ja schon im Januar versprochen hatte. Das Missliche dabei ist ja nun, dass die Infektionszahlen das ja eigentlich so gar nicht hergeben – sie steigen. Und deshalb die Frage: bereiten wir da uns möglicherweise auch in diesen Tagen da auf irgendetwas vor, was so gar nicht stattfinden kann oder noch nicht stattfinden kann?
Scholz: Dass wir vorsichtig bleiben müssen, ist offensichtlich. Und wir tun das ja in einem Umfeld, wo wir auch Hoffnung haben können, denn das Impfen führt ja dazu, dass ganz tatsächlich wir erwarten können, dass wir im Sommer irgendwann wieder im Biergarten sitzen können und deshalb ist es wichtig, dass jetzt viel geimpft wird und dass wir das auch hinbekommen, dass die Impfkampagne gut funktioniert. Meine große Sorge ist, das will ich ganz offen sagen, dass wir irgendwann zwar mehr Impfdosen haben als jetzt, aber immer noch nicht genug für alle, die gerne eine haben wollen und trotzdem nicht alle Impfdosen auch tatsächlich verimpft werden. Dass muss jetzt durch gute Vorbereitung verhindert werden. Diese Hoffnung ist für die mittlere Frist ja etwas, was uns jetzt helfen kann. Und dann geht es darum, dass wir jetzt ganz konkret gucken: Wie sieht eine Öffnungsstrategie aus? Und darum wird es dann auch jetzt am nächsten Mittwoch gehen.

Eine Strategie, die "Schritt für Schritt funktioniert"

Geers: Wie passt denn das eigentlich zusammen? Die einen reden von der dritten Welle was die Ausbreitung des Coronavirus und vor allem seiner Mutante aus Großbritannien betrifft. Intensivmediziner warnen eindringlich vor zu frühen Öffnungen. Und dann gibt es den Druck aus der Industrie, aus der Wirtschaft, vom Einzelhandel, aus der Gastronomie. Die fordern mit Nachdruck, wieder zu öffnen. Wenn es nach ihnen ginge, am 8. März. Und Sie müssen entscheiden. Was werden Sie entscheiden? Können Sie was entscheiden, für den 8. März schon, oder geht es "nur" um eine Öffnungsperspektive?
Scholz: Wir haben schon einen Öffnungsschritt hinter uns. Das ist die Öffnung von Kitas und Grundschulen vor allem. Es wird im Schulbereich sicherlich bald auch weitere Schritte geben. Darüber werden die Länder entscheiden. Das müssen wir nur insgesamt mit in Rechnung stellen, weil das ja ein Teil des ganzen Geschehens ist. Dann wird es jetzt Öffnungen geben für die Friseure und dann kommen weitere Schritte, die zu beschreiben sind. Und das ist, glaube ich, das Wichtigste. Dass es eine Strategie gibt, die Schritt für Schritt und vorsichtig funktioniert. Und die meisten Bürgerinnen und Bürger, ist mein Eindruck, sind schon noch vorsichtig, wollen aber erkennen, wie es weitergeht. Und das ist die Leistung, die gelingen muss. Und bei dieser Entscheidung hilft, dass wir jetzt viel mehr Testmöglichkeiten haben als sie bisher existiert haben. Und jetzt müssen wir einen Weg finden, sie einzusetzen.

Selbsttests bei Lockerungen miteinbeziehen

Geers: Heißt das jetzt, dass wir von dem Ziel 50 oder auch 35 etwas weggehen, dass wir das etwas relativieren, weil wir sagen, wir können das mit einer Teststrategie verbinden, und wenn wir testen können wir auch lockern?
Scholz: Es ist auf alle Fälle so, dass die Tatsache, dass wir viel mehr Testmöglichkeiten haben und uns auch mehr sichern für Deutschland und sicherstellen, dass sie verfügt werden können, dass es bald die Möglichkeit gibt, im größeren Umfang sich selbst zu testen, mit einbezogen werden muss in unser Vorgehen. Ich bin froh, dass die Möglichkeiten existieren, aber an Ihren vielen Fragen sieht man ja auch, dass es keine Sache ist, die man einfach so aus dem Ärmel schütteln kann, sondern dass es unbedingt wichtig ist zu überlegen, wie kann das eingesetzt werden und wo hilft es überhaupt? Denn allein mit dem Satz "Testen ist eine Hilfe" haben wir ja noch nicht alle Probleme gelöst. Sondern wir müssen dann sagen, wie und wo kann das genau der Fall sein und da berichte ich Ihnen gerne, dass gegenwärtig überall Gespräche stattfinden zwischen den Ländern, zwischen den Ländern und der Bundesregierung, innerhalb der Bundesregierung, was konkret wir für Handlungsoptionen wir dadurch gewinnen, und ich bin sehr dafür, dass man das sorgfältig tut, damit wir nicht falsche Hoffnungen erwecken. Denn das ist ja ganz wichtig. Wenn wir jetzt eine präzisere Strategie beschreiben, wenn wir sagen: das sind die nächsten Schritte und so soll das vor sich gehen, dann wollen ja nicht alle das Gefühl haben, dass das auch nur eine Halteverfügung ist. Sondern sie wollen sich daran orientieren können.
Geers: Bleiben wir aber noch mal bei der Teststrategie und bei den Beschlüssen, die am 3. März möglich sind. Ich sagte gerade schon, der Einzelhandel, die Gastronomie drängen darauf, dass sie am 8. März wieder öffnen können. Sehen Sie das?
Scholz: Wir wissen, dass die Einzelhändlerinnen und Einzelhändler wirklich in einer ganz schwierigen Situation sind, und aus der Perspektive wäre es richtig, jetzt zu sagen: jetzt gebt uns wieder den Freiraum. Aber niemand hat etwas davon, wenn wir Geschäfte öffnen und kurz danach wieder schließen. Deshalb sage ich, ich bin dafür, dass es nicht bei vagen Aussagen bleibt, sondern dass wir sehr klare, präzise Festlegungen treffen, dass sie zwischen den Ländern und mit der Bundesregierung besprochen werden und dass wir dann uns auch gemeinsam vorwärts bewegen.

"Wir müssen einen Plan haben, den alle verstehen"

Geers: Klingt aber nicht so, als ob Geschäfte am 8. März offen wären?
Scholz: Ich glaube, dass wir genau hinschauen müssen, was wir tun, aber das Wichtigste ist, dass es eine klare Ansage gibt.
Geers: Wie bewerten Sie denn das Vorpreschen einzelner Bundesländer, die ja schon vor dem Treffen am Mittwoch einzelne Lockerungen machen? Mir fällt dazu Bayern ein, Markus Söder gibt einerseits den starken Hund, und auf der anderen Seite öffnen am Montag, also zwei Tage vor dem Gipfel, die Baumärkte und die Nagelstudios gleich mit.
Scholz: Das ist so. Das gehört vielleicht zu den Dingen, wo man vorsichtig sein sollte mit dem, was man so sagt. Aber wir müssen einen Plan haben, den die Bürgerinnen und Bürger, den die Geschäftsleute, den alle, die sich damit beschäftigen und die sich darüber Gedanken machen, gut verstehen können. Und deshalb bin ich dafür, ihn sorgfältig zu erarbeiten, aber dann auch mehr zu sagen als vage Andeutungen. Sondern es muss für jeden nachvollziehbar sein.
Geers: Trotzdem, Herr Scholz, es klingt so ein bisschen nach einem Systemwechsel. Wir haben uns bisher überwiegend an diesen Inzidenzwerten orientiert. Jetzt kommt das Testen dazu. Und das Testen schafft möglicherweise – oder mit großer Wahrscheinlichkeit – Freiräume, um in gewissen Bereichen vielleicht den Deckel mal etwas zu lüften und vom Lockdown wegzukommen. Das ist trotzdem so ein Strategiewechsel. Bis wann kriegen Sie das bewerkstelligt? Ist das noch im März?
Scholz: Es ist ganz klar, dass die Testmöglichkeiten, die ja jetzt in vielfacher Hinsicht neu eingesetzt werden können und neue Möglichkeiten verschaffen, die wir auch nutzen sollten. Und trotzdem gilt auch immer noch, dass wir natürlich das Infektionsgeschehen genau im Blick haben müssen. Es kann ja nicht so sein, dass wir plötzlich wieder explodierende Infektionszahlen haben, da nützt dann auch das ganze Testen nichts. Also muss das gut gemacht werden. Und das alles zusammenzuführen ist die Aufgabe, die jetzt besteht. Ich bin sehr dafür, dass man da präzise Entscheidungen trifft.

Lockerungen in Abstimmung zwischen den Ländern

Geers: Wenn man das Aufpassen, das vorsichtig Bleiben mit dem Testen kombiniert und sagt: wir müssen genau hingucken, nichts überstürzen – so verstehe ich Sie. Dann muss man trotzdem fragen, wie dann im Zweifel gelockert würde. Soll das auf regionaler Basis geschehen, also auf Kreisebene, auf Stadtebene? Wie stellen Sie sich das vor?
Scholz: Es muss ein gemeinsames Vorgehen geben, am besten übereinstimmend, mehr oder weniger zwischen allen Ländern verständigt in Deutschland. Und eins muss ganz klar sein: wir müssen die Bereitschaft und den Willen aufbringen, dass wenn irgendwo die Infektionszahlen hochgehen, dass dann auch dort vor Ort schnell gehandelt wird, damit sich das dann nicht wieder über ein ganzes Bundesland oder in Deutschland insgesamt verbreitet.

Hoffnung, dass wir Stück für Stück öffnen können

Geers: Wenn Sie das hinkriegen und Sie selbst gerade so ein bisschen ausweichend geblieben sind als ich Sie fragte, ob denn zum Beispiel die Einzelhändler damit rechnen können, am 8. März wieder offen zu haben, da haben Sie nicht klar geantwortet: ja, sondern…
Scholz: Ich bestehe darauf, dass wir hier eine gemeinschaftliche Führungsleistung in Deutschland zustande bringen, und die wird nicht dadurch besser, dass jede Stunde irgendjemand was erzählt und möglicherweise sogar das Gegenteil von dem, was er drei Tage vorher und drei Tage später gesagt hat oder sagen wird. Sondern da muss doch für die Bürgerinnen und Bürger erkennbar sein, wie wir das gemeinsam machen. Für mich ist aber wichtig, dass die Hoffnung, dass es besser wird und dass wir Stück für Stück Öffnung durchsetzen können, für alle sich auch verbreitet. Und darum ist mir ganz wichtig zu sagen, wir haben eine Perspektive. Das Impfen kann uns helfen, dass wir auch bald wieder ein normaleres Leben führen können. Und das müssen wir auch ganz bewusst erreichen, uns ganz genau darauf konzentrieren, dass das gelingt.
Geers: Bleiben wir mal beim Testen, Herr Scholz und gehen noch mal zum Thema Schnelltests. Der Bund hat sich 850 Millionen Test Kits gesichert allein in diesem Jahr. Und mit dieser Zahl im Rücken ist dann Gesundheitsminister Jens Spahn vorgeprescht und hat gesagt, Schnelltests für alle ab 1. März. Das ist Anfang der Woche im Corona Kabinett wieder einkassiert worden, in dem Sie auch sitzen. Ist es einkassiert worden, weil es zu ungestüm war, weil es nicht durchdacht genug war?

"Ich empfehle allen starke Nerven"

Scholz: Wir haben uns verabredet, alles zusammenzufügen, nämlich einen Zusammenhang herzustellen zwischen der Öffnungsstrategie und dem Testen. Das muss eine Lösung aus einem Guss sein. Und die wollen wir jetzt in ganz kurzer Zeit miteinander zustande bringen.
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Geers: Trotzdem noch mal nachgefragt, Herr Scholz. Solche Stop-and-go Episoden wie die von Montag, wo ein Minister erst was ankündigt und dann wird es wieder einkassiert. Das wirft ja kein gutes Licht, weder auf Jens Spahn, noch auf die Regierung, der er angehört und auch nicht unbedingt auf das Krisenmanagement, was da gerade betrieben wird. Sind Sie genervt von Jens Spahn?
Scholz: Nein. Ich empfehle aber allen starke Nerven. Dass wir uns klarmachen, dass das auch bedeutet, dass man in Situationen, wo Dinge gut vorbereitet werden müssen, miteinander diskutiert werden müssen, das auch klarstellt. Die Bürgerinnen und Bürger können das gut verstehen. Und ich habe gesagt, es ist eine Entscheidung, die wir sorgfältig miteinander vorbereiten, aber es gibt die Hoffnung, dass wir mehr Möglichkeiten haben werden, weil wir jetzt vorankommen mit dem Testen, weil wir vorankommen mit dem Impfen und weil wir deshalb jetzt alle auch ein bisschen erleichtert sagen können: wenn wir das jetzt gut weitermachen die nächsten Tage und Wochen, dann kommen wir hinter die Coronakrise, dann können wir sie auch irgendwann hinter uns lassen. Das ist, glaube ich, das, was uns allen jetzt noch die Kraft gibt für das, was notwendig ist. Aber regieren geht nicht so, dass man, weil man schnell was sagen möchte, das schnell sagt. Oder weil man unter Druck steht in einem Interview, in einem Gespräch wie unserem, dann plötzlich was erzählt, das man sich vielleicht besser noch mal gut überlegt hätte. Das Einzige, was für mich ganz klar ist, ist dass man sich aber auch entscheiden muss. Also wenn wir sagen, wir wollen eine gut vorbereitete Entscheidung am 3. März, wenn die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten sich mit der Bundesregierung treffen, dann wollen wir auch Entscheidungen am 3. März und nicht Vertagung.

Testmöglichkeiten schaffen, etwa in Firmen

Geers: Wenn wir zum Testen kommen, dann reden wir über zwei, drei, vier Millionen Tests am Tag. Und das zusätzlich zu der laufenden Impfkampagne. Wie stellen Sie sich das mit dem Testen im Alltag vor? Wer abends ausgehen will, der muss dann vorher noch mal eben in der Apotheke vorbei und sich testen lassen? Wie soll das laufen, wer soll das machen?
Scholz: Gute Frage. Und deshalb gehört sie zu dem Konzept dazu. Was können wir wie organisieren? Ich fände es gut, wenn auch die Unternehmen noch mal einen großen Sprung machen und viel mehr ihre eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter testen. Und wir müssen gucken, was wir organisieren können an allgemein zugänglichen Testmöglichkeiten: Praxen, Apotheken. Ich weiß, dass es in einigen Bundesländern eine vorbereitete Lösung gibt, das zusammen mit der Feuerwehr zu machen, der freiwilligen Feuerwehr. Und das muss jetzt alles zusammengefügt werden, damit es auch aufgeht. Denn das darf ja nicht passieren, dass Sie morgens verkünden im Radio: so ist das. Und nachmittags möchte jemand davon gleich Gebrauch machen und erfährt, das dauert jetzt noch sehr, sehr lange und wird erst mal nichts. Das muss dann auch klappen.
Geers: Ich bleibe noch mal kurz bei der Praxis und dem Alltag, Herr Scholz. Ich habe jetzt das Beispiel desjenigen genannt, der abends mal gerne wieder ausgehen möchte. Ich könnte genauso gut das Beispiel der Kassiererin im Supermarkt bringen oder der Bedienung im Restaurant. Sollen die sich dann jeden Tag testen lassen?

Wer die Kosten für Tests trägt, ist noch offen

Scholz: Ich fände es gut, wenn die Unternehmen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Tests anbieten, die sie auch nutzen können und die für sie einfach zugänglich sind. Das wäre ein großer Fortschritt. Ich weiß, dass es viele schon machen und wenn das jetzt Praxis wird, dann hat das einen Effekt.
Geers: Herr Scholz, Sie sitzen als Finanzminister bei allen Entscheidungen daneben. Sie haben kraft Amtes, weil Sie Staatsfinanzen verwalten, Sitz und Stimme in den ganzen Gremien. Jetzt fangen wir noch mal bei den Tests klein an. Jeder Test kostet 18 Euro das Stück. Und wenn das so hochläuft, dann kostet Sie das als Finanzminister ungefähr eine Milliarde Euro pro Woche mindestens. Mit welchen Gesamtausgaben rechnen Sie?
Scholz: Das hängt ja davon ab, welche Teststrategien wir wählen und wo wir welche Tests anbieten. Da liegen jetzt ganz unterschiedliche Berechnungen vor. Ich bin froh darüber, dass alle das Rechnen angefangen haben und ich bin beeindruckt darüber, dass Sie das auch tun. Denn tatsächlich muss man ja mit jeder Entscheidung verbinden, wie viele Tests sind das dann und wer bezahlt die und wenn sie finanziert werden aus dem Bundeshaushalt, was kommt da für eine Summer raus, wenn man all die Tests, die man erwartet, zusammenrechnet und was ist, wenn man sich verrechnet, weil es mehr Leute machen als man denkt. Das muss man bedenken.
Geers: Ja. Jetzt haben Sie einen Strich bestimmt doch auch drunter gemacht. Also, was steht denn unterm Strich als Summe?
Scholz: Wie gesagt, ich habe ja vorgeschlagen, dass zum Beispiel die Unternehmen ihre Beschäftigten weiter selber testen sollten, aber dass sie das mehr machen sollten. Das ist eine Sache, die dort organisiert werden muss. Und ich hoffe auch, dass das, was jetzt an zusätzlichen Angeboten existiert, dazu führt, dass die Preise sinken. Denn das wäre ja auch gut nicht nur für die Bundeskasse, sondern auch für die Bürgerinnen und Bürger.

Zusätzliche Belastungen für den Bundeshaushalt

Geers: Also ist die eine Milliarde, die ich gerade nannte, pro Woche so ein bisschen aus der Luft gegriffen ist und das wird weniger?
Scholz: Wir werden erstmal gucken, was wir bezahlen und was andere finanzieren und dann rechnen wir das zusammen.
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Geers: Damit sind wir beim Thema Haushalt, Herr Scholz. Sie haben sich für 2021 180 Milliarden Euro für neue Kredite genehmigen lassen – so viel wie noch nie. Kommen Sie damit hin dieses Jahr?
Scholz: Wir rechnen das regelmäßig neu aus und werden auch im Zusammenhang mit den Entscheidungen, die nächste Woche zu treffen sind, über das Testen und über die Öffnungsstrategie, die damit verbundenen zusätzlichen Belastungen für den Bundeshaushalt ausrechnen und dann jeweils hinterher sagen, ob das Konsequenzen hat für das, was wir tun müssen. Für mich ist nur eine Entscheidung klar, wir werden das Erforderliche immer machen und wir werden das auch immer machen können. Und das ist die gute Botschaft an die Wirtschaft, die gute Botschaft an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und natürlich auch die gute Botschaft an die Bürgerinnen und Bürger, die um ihre Gesundheit sich Sorgen machen. Wir werden tun was notwendig ist.
Geers: Trotzdem nochmal gefragt. Im Monat Februar – der noch nicht einmal zu Ende ist – will kein Finanzminister gerne zugeben, wenn er auf das Gesamtjahr blickt, ‚ich komme vielleicht nicht hin‘. Das ist ein bisschen blöd, wenn man gerade erst den Haushalt für dieses Jahr beschlossen hat und das ist zwei Monate her. Auf der anderen Seite, wenn Sie auf den Rest des Jahres blicken, dann haben wir Wahlkampf irgendwann, vorher eine Sommerpause – das ist auch nicht unbedingt ein guter Zeitpunkt, um dann zu sagen, ich brauche mehr. Deshalb meine Frage, müssen Sie nicht jetzt schon mit einem Nachtragshaushalt sicherheitshalber kalkulieren, um dann Ruhe an der Front zu haben?
Scholz: Ich bin Bundesminister der Finanzen und das ist keine Aufgabe, die man dadurch erledigt, dass man taktisch agiert. Erst rechnen wir zusammen, was aus den jeweiligen Entscheidungen, aus den wirtschaftlichen und in diesem Fall gesundheitlichen Entwicklungen für Kostenfolgen für den Bundeshaushalt zu errechnen sind und wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass das jetzt neue Entscheidungen auslösen muss, dann schlagen wir sie dem Bundestag und der Bundesregierung vor.

"Werden auf den Einnahmepfad vorerst nicht zurückkehren"

Geers: Gut, dann rechnen Sie ja auch schon für 2022, für den nächsten Haushalt die Ausgaben zusammen. Das Verfahren hat ja jetzt angefangen und am 24. März, also in gut drei Wochen, schlägt da die Stunde der Wahrheit. Armin Laschet, der CDU-Vorsitzende, hat schon gesagt, auch 2022 werden wir die Schuldenbremse wohl nochmal aussetzen müssen. Der Finanzminister hat bisher dazu geschwiegen. Was sagt denn Olaf Scholz?
Scholz: Wenn ich am Ende des Monats März dem Bundeskabinett einen Vorschlag mache für die Eckwerte des Bundeshaushaltes des nächsten Jahres und – das darf man nicht vergessen – der Finanzplanung für die ganze kommende Legislaturperiode, dann ist das in der Tat die Stunde der Wahrheit. Und ich nehme mit großer Freude zur Kenntnis, dass bei vielen, die vor kurzer Zeit noch ganz andere Erklärungen öffentlich abgegeben haben, die Erkenntnis wächst, dass wir vor großen Herausforderungen stehen, die sich nicht einfach mit ein paar Prinzipienerklärungen wegwischen lassen. Also, was ist die Herausforderung? Wir werden auf den Einnahmepfad, den wir vor der Krise – also noch 2019 – für die Jahre 22, 23, 24, 25 vorhergesagt haben, nicht wieder zurückkehren und zwar dauerhaft nicht, und das muss Konsequenzen haben. Deshalb sage ich ganz klar, die große Herausforderung sind das nächste Jahr und die kommenden Jahre.
Geers: Wenn wir da mal kurz bleiben. Also, Schuldenbremse 2022 – setzen wir sie aus? Müssen wir sie aussetzen?
Scholz: Ich finde, wir haben verschiedene Alternativen und es ist gut, dass auch diese jetzt erörtert werden und ganz offenbar kein ideologisches Thema mehr ist.
Geers: Und wie sieht es in den Jahren nach 2022 aus, also 23, 24, 25? Kann es bei der Schuldenbremse so, wie sie derzeit ist, bleiben oder müssen wir da mal was ändern?
Scholz: Alle sollten sich jetzt ganz genau die Zahlen angucken. Und da gibt es jetzt ja die Wünsche aus den verschiedenen Ressorts. Wenn man sich strikt an die Finanzplanung hält, die wir im letzten Jahr aufgestellt haben, dann wird es schon für viele eng im Hinblick auf die Vorstellung, die sie für die Zukunft haben. Und wenn man all die Vorstellungen noch dazurechnet, die viele Ressorts und viele, die in der Politik Pläne schmieden jetzt entwickeln, dann wird das auch knapp. Das, glaube ich, muss man gemeinsam betrachten. Und es wird diesmal ganz anders sein als in vielen Jahren vorher.

"Wollen Zukunftsinvestitionen weiter aufrechterhalten"

Geers: Die Frage ist, Herr Scholz, soll man weiter wie jetzt agieren? Das heißt, die Schuldenbremse im Prinzip so lassen und dann jedes Jahr eine Ausnahmeregelung beantragen beim Bundestag und sich das genehmigen lassen oder soll man die Schuldenbremse besser reformieren? Sie könnten doch hingehen und sagen, so eine Jahrhundertkatastrophe wie COVID-19 konnte niemand vorhersehen als wir die Schuldenbremse seinerzeit beschlossen haben, und Politik ist nun mal dafür da, um Probleme zu lösen und nicht um den Kopf in den Sand zu stecken und zu sagen, da gucke ich einfach nicht hin. Also, deshalb die Frage: Was wäre Ihnen lieber, was finden Sie besser, die Schuldenbremse jedes Jahr aussetzen oder reformieren?
Scholz: Erstmal gucken wir, was wir brauchen – das ist das, was jetzt gerade stattfindet. Und da bin ich auch sehr für, weil das führt dazu, dass die Diskussion nicht so abstrakt geführt wird. Abstrakte Diskussionen führen uns hier nicht weiter, sondern wir brauchen ganz konkrete Zahlen. Die tragen wir jetzt zusammen, wir diskutieren das mit den Ressorts und dann schauen wir uns das mal an. Und dann – das sage ich mal voraus – wird es so sein, dass es für alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes offensichtlich ist, dass da eine Aufgabe vor uns steht und dass wir sagen müssen, wie wir sie lösen wollen. Ich bin dafür, dass wir uns bekennen dazu, dass wir die Zukunftsinvestitionen weiter aufrechterhalten wollen, dass wir bestimmte Verpflichtungen auch weiter akzeptieren, die wir gegenüber der Welt haben, wo wir ja gerade sehr genau verstehen, dass zum Beispiel auch die Coronakrise nur bekämpft werden kann, wenn wir auch sicherstellen, dass auch in anderen Ländern eine Impfung der Bürgerinnen und Bürger möglich ist, selbst wenn das sehr arme Staaten sind. Und wir müssen natürlich auch sicherstellen, dass wir unser Gemeinwesen gut weiterentwickeln, da geht es um den Sozialstaat. Also, das stellen wir mal schön klar, was das bedeutet und dann erkennen wir, wie groß die Aufgabe ist und auf welche Weise wir sie dann erfüllen können.

SPD mache "sehr gute Regierungsarbeit"

Geers: Herr Scholz, blicken wir noch kurz auf das Wahljahr und die SPD und auf die Pandemie. Für Sie ist alles drin in diesem Jahr, von Kanzleramt bis Absturz.
Scholz: Ich bin für Kanzleramt.
Geers: Das habe ich mir gedacht. Nun ist es aber so, dass wenn man jetzt das ganze Krisenmanagement nimmt, dass das eigentlich bisher nicht auf die SPD und nicht auf Sie als Kanzlerkandidat abfärbt, das landet alles bei Frau Merkel und der Union. Was läuft da schief?
Olaf Scholz (SPD, M), Bundesminister der Finanzen und SPD-Kanzlerkandidaten, gibt nach der Jahresklausur des SPD-Vorstands eine Pressekonferenz hinter der Willy-Brandt-Statue neben den SPD-Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans
Trübe Aussichten für die Sozialdemokraten
Die SPD sei auf der Suche nach sich selbst, meint Frank Capellan über die Vorstandsklausur der Partei. Sie habe zwar einige Kernthemen durchgekriegt, Kanzlerkandidat Olaf Scholz sei aber ein Getriebener und verliere an Glaubwürdigkeit. Die Partei und er hätten sich noch nicht gefunden.
Scholz: Wir haben einen klaren Weg für die SPD entwickelt, wie wir einen Erfolg bei der Bundestagswahl zustande bringen können und wie wir es schaffen, dass der nächste Kanzler ein Sozialdemokrat ist. Dazu zählte, dass wir sehr früh gesagt haben, wer der Kanzlerkandidat der SPD ist, nämlich ich. Dazu zählt, dass die SPD sehr geschlossen agiert. Und dazu zählt, dass die SPD einen Plan für die Zukunft, für die 20er-Jahre entwickelt. Denn natürlich werden die Bürgerinnen und Bürger, umso mehr wie die Coronakrise hinter uns lassen, auch über die Frage diskutieren wollen, was kommt dann jetzt. Und da haben wir sehr klar die Themen benannt, die für uns wichtig sind. Wir wollen dafür kämpfen, dass wir mit einer Politik, die die Zukunft anpackt es schaffen, dass wir auch in zehn, 20, 30 Jahren noch gute Arbeitsplätze haben und den menschengemachten Klimawandel aufhalten können. Das geht nicht von alleine, das kommt nicht von alleine, dafür muss man etwas tun. Deshalb haben wir vier Zukunftsmissionen beschrieben, mit denen wir das machen wollen. Klimawandel aufhalten mit dem Ausbau der Erneuerbare Energien und dem Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft, moderne Mobilität, auch mit Elektrifizierung von Fahrzeugen, die Gigabit-Gesellschaft und eine starke Gesundheitswirtschaft, von der wir jetzt verstehen, wie wichtig sie ist. Wir wollen, dass es mehr Respekt und Anerkennung in unserer Gesellschaft gibt. Es reicht nicht, den Corona-Heldinnen und Corona-Helden Beifall zu klatschen, die brauchen schlichtweg bessere Arbeitsverträge und bessere Löhne und Gehälter. Und natürlich ein starkes Europa. Das sind die Themen. Und unsere Vorstellung ist, wir machen sehr gute Regierungsarbeit, wir sorgen dafür, dass das Land auch durch diese Corona-Pandemie kommt. Und da gibt es gar keinen Zweifel, dass wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten da einen wichtigen Beitrag zu leisten.

SPD hat für die Zukunft des Landes den "fortschrittlichsten Plan"

Geers: Ja, bloß es kommt nicht an, Herr Scholz.
Scholz: Na ja, die Frage ist nicht, ob man immer auf den nächsten Tag schielt. Dann verstolpert man sich so, wie einige Politiker das gegenwärtig jeden Tag tun, weil sie den nächsten Tweet und die nächste Presseerklärung wichtiger finden als die langfristige Orientierung am Wohl des Landes. Und ich sage, das aber machen genau wir und deshalb sind wir sicher, dass wir wegen unseres guten Krisenmanagements, wegen der Leistung, die wir in dieser Legislaturperiode zustande gebracht haben, um das Land gerechter zu machen und Fortschritt durchzusetzen, wegen unserer Pläne für die 20ger Jahre und die Zukunft dieses Landes und wegen eines guten Kanzlerkandidaten, die Wahl auch gewinnen werden.
Geers: Wird die Wahl – letzte Frage, Herr Scholz – durch die Pandemie entschieden, wie man damit klargekommen ist?
Scholz: Die Pandemie und wie wir damit umgehen, spielt eine Rolle, aber es geht um die Zukunft des Landes. Und deshalb ist es so wichtig, dass die SPD dazu den besten und fortschrittlichsten Plan hat, überhaupt einen Plan, was uns von allen anderen unterscheidet, und zwar einen, der was mit Fortschritt zu tun hat.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.