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Finanzmisere bei Städten, Gemeinden und Kommunen

Durak: Viele Städte, Gemeinden und Kommunen, sie leben regelrecht auf Pump, weil ihre Einnahmen dramatisch gesunken sind: in den letzten Jahren, auch in den letzten Monaten. Sie können ihre Beschäftigten teilweise nicht mehr mit eigenem Geld bezahlen; bei den Sozialleistungen sieht es ähnlich aus. Wir haben auch in diesem Programm immer wieder darüber berichtet. Eine Ursache der Finanzmisere liegt im Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen. Nun befasst sich heute der Bundesrat unter anderem mit der Unternehmenssteuer-Reform. Die Länder wollen auch hier Änderungen. Liegen die aber nun im Interesse der Städte und Gemeinden? Wir fragen einen Mann vom Fach. Das ist Stefan Articus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. Guten Morgen Herr Articus!

    Articus: Guten Morgen Frau Durak.

    Durak: Bleiben wir zunächst mal bei der Unternehmenssteuer-Reform. Die soll fortgesetzt werden. Die Länder wollen Änderungen. Liegen diese Änderungen in Ihrem Interesse?

    Articus: Zum Teil liegen sie in unserem Interesse. Wir hoffen, dass sie auch alle so durchkommen. Ich darf vielleicht die Situation noch einmal ganz kurz schildern. Wir erleben in diesem Jahr einen Gewerbesteuereinbruch in einer Größenordnung von 7, 7,5 Milliarden D-Mark. Wir erwarten Mindereinnahmen in der Gewerbesteuer im nächsten Jahr von 12 bis 12,5 Milliarden D-Mark. Also wir verlieren gegenüber den Erwartungen in diesem und im nächsten Jahr Einnahmen in einer Größenordnung von zirka 20 Milliarden D-Mark. Darauf muss reagiert werden. Eine der möglichen Reaktionen ist etwa die Initiative Bayerns im Bundesrat, dass die Erhöhung der Gewerbesteuerumlage, die den Ländern und dem Bund mehr von dieser Gewerbesteuer gibt, rückgenommen wird, damit mehr bei den Kommunen verbleibt.

    Durak: Noch mal zum Sortieren: Gewerbesteuer, Gewerbesteuerumlage.

    Articus: Die Gewerbesteuer erheben die Städte. Es ist die städtische Wirtschaftssteuer. Die Gewerbesteuerumlage ist die Beteiligung von Bund und Ländern an diesem Gewerbesteueraufkommen, an diesem Aufkommen der städtischen Steuer. Im Rahmen der Steuerreform ist diese Gewerbesteuerumlage erhöht worden. Das heißt der Bund und die Länder werden sich statt wie bisher 20 Prozent im Laufe der nächsten Jahre immer mehr von dieser Gewerbesteuer nehmen, ab dem Jahr 2004 ungefähr 30 Prozent. Diese Erhöhung stößt natürlich auf die heftige Kritik der Kommunen. Diese Kritik ist jetzt in einer Initiative von Bayern aufgegriffen worden und wird heute auch im Bundesrat verhandelt.

    Durak: Ist Bayern das einzige Land, das Sie dabei unterstützt?

    Articus: Das hoffen wir nicht. Wir wollen hoffen, dass auch die anderen Länder einsichtig sind und sich der extrem schwierigen Finanzlage der Kommunen annehmen. Aber Bayern hat diese Initiative der Absenkung der Umlage ergriffen. Es gibt aber auch andere Themen im Zusammenhang mit der Unternehmenssteuer-Reform, die wichtig sind und die heute behandelt werden.

    Durak: Welche?

    Articus: Ein Thema ist natürlich die Behandlung der Forderung, weitere Schritte der Unternehmenssteuer-Reform vorzuziehen. Das lehnen wir ab. Das lehnt auch zum großen Teil die öffentliche Hand ab, also die Länder und auch die Bundesregierung, Eichel lehnt es ab, weil wir alle sagen, dass die öffentliche Hand nicht noch mehr Einbrüche in den Steuereinnahmen verkraften kann. Dann gibt es eine Reihe von Detailänderungen im Rahmen der Unternehmenssteuer-Reform, von denen wir hoffen, dass sie in den Diskussionen aufgegriffen und möglicherweise zurückgenommen werden. Die eine ist die so genannte gewerbesteuerliche Befreiung der Dividenden aus Beteiligungen und die gewerbesteuerliche Freistellung von Veräußerungsgewinnen. Früher wurden auf diese Veräußerungsgewinne, auf diese Beteiligungen auch gewerbesteuerliche Zahlungen fällig. Das ist im Zuge der Unternehmenssteuer-Reform geändert worden und wir wollen, dass diese Freistellungen rückgängig gemacht werden.

    Durak: Herr Articus, noch einmal etwas allgemeiner. Wenn es nicht gelingt, die Unternehmenssteuer-Reform so zu dirigieren, wie Sie es gerne hätten, befürchten Sie dann nicht die Konsequenz, dass Unternehmen aus ihren Regionen abwandern, denn dann hätten sie ja auch wieder nichts gewonnen?

    Articus: Die erste Konsequenz, wenn sich nichts ändert, ist eben, dass die Investitionsmöglichkeiten der Kommunen weiterhin dramatisch verfallen. Wir haben im letzten Jahr, im Jahr 2000 einen Investitionsstand in den Kommunen gehabt, der war gerade mal 1992 minus 30 Prozent. Das bedeutet, dass wir als Kommunen in den vergangenen Jahren jeweils bis zu 20 Milliarden D-Mark weniger investieren konnten, weil die Einkommen, die steuerlichen Einkommen einfach nicht mehr da sind. Das bedeutet Leistungseinschränkungen. Das bedeutet Verzicht auf den Ausbau der Infrastruktur. Das bedeutet Verzicht auf aktive Arbeitsmarktpolitik und Wirtschaftsförderung und es bedeutet schwerste Einbußen gerade für den örtlichen Mittelstand, denn der wichtigste öffentliche Investor sind die Kommunen. - Das wird die erste Konsequenz sein!

    Durak: Herr Articus, für den, der nicht so direkt drin steht, sieht das ja so aus: Jeder klagt über den anderen. Jeder klagt, er werde übervorteilt. Die Wirtschaft befürchtet, die Länder wollen die finanzielle Verantwortung für die Kommunen auf die Wirtschaft abschieben. Sie klagen, der Bund wälzt zu viele Aufgaben mit finanziellen Verpflichtungen ab. Aber irgendwie muss es doch geregelt werden. Sehen Sie denn eine Möglichkeit, dass man zu einer Reform der Finanzierung kommt?

    Articus: Eine solche Reform der öffentlichen Finanzen ist dringend erforderlich. Ich finde es absolut berechtigt, dass die Wirtschaft fordert, dass der Staat vor allem die Belastung der Wirtschaft mit Steuern zurücknimmt. Wir haben die Steuerreform deswegen auch immer begrüßt und immer unterstützt. Wir haben aber auch gesagt, man muss sozusagen in den Ausmaßen der Reform auch Rücksicht auf die Belange der öffentlichen Hände nehmen und man muss die Mindereinnahmen, die durch die Städte und durch die Länder zu verkraften sind, eben auch dadurch möglich machen, dass man öffentliche Aufgaben und Ausgaben zurücknimmt. Diesen zweiten Schritt ist bisher leider niemand gegangen.

    Durak: Herr Articus, es wird davon gesprochen, dass ein neues Gemeindefinanzierungssystem entwickelt werden soll. Im kommenden Jahr wird eine Expertenkommission mit Hilfe auch des Bundesfinanzministers einberufen, aber das ganze wird ja erst nach den Wahlen wirksam. Sind denn die Städte, Gemeinden und Kommunen in irgendeiner Form daran beteiligt?

    Articus: Wir begrüßen sehr, dass die Bundesregierung jetzt diese Initiative ergriffen hat und erklärt hat, sie wolle Anfang des nächsten Jahres eine Gemeindefinanzreform-Kommission einsetzen, nachdem ja bis dato die Position der Bundesregierung immer die war, die Gemeindefinanz-Reformfrage in dieser Legislaturperiode nicht mehr anzugehen. Dass sich das jetzt geändert hat, halten wir für einen wichtigen Schritt und wir begrüßen diese Initiative. Wir gehen auch davon aus, dass wir an dieser Kommission beteiligt sind. Ich will aber auch sagen, allein diese Kommission einzusetzen und allein die Diskussion über eine Gemeindefinanzreform jetzt zu starten, die vielleicht in drei, vier oder fünf Jahren Ergebnisse zeitigt, reicht nicht. Wir brauchen Sofortmaßnahmen, um die Finanzen der Kommunen in der Form in Ordnung zu bringen, dass wir nicht in einem Maße eigene Einkünfte abgeben müssen, die wir für die eigene Arbeit, für die eigenen örtlichen Aufträge benötigen.

    Durak: Diese Sofortmaßnahmen noch einmal von Ihnen gebündelt?

    Articus: Es geht insbesondere darum, dass die Gewerbesteuerumlage, von der ich eben schon berichtet habe, nicht in dieser Höhe aufrecht erhalten bleibt.

    Durak: Herr Articus, ein jeder kehre doch erst einmal vor seiner eigenen Tür. Sind denn die Städte, Gemeinden und Kommunen tatsächlich frei von Verschwendung? Sparen sie jeweils wirklich am richtigen Ende?

    Articus: Ich glaube es besteht inzwischen kein Zweifel daran, dass von den drei staatlichen Ebenen die Kommunen diejenigen sind, die nicht nur im letzten Jahr, sondern in den letzten acht bis zehn Jahren am konsequentesten, auch mit Einschnitten für die Bürger am härtesten konsolidiert haben. Ich glaube niemand wird ernsthaft den Städten den Vorwurf machen, dass ihre Finanzsituation aus einer Verschwendungssucht kommt.

    Durak: Herr Articus, wie behelfen Sie sich denn mit den Bürgern? Der Bürger bemerkt die Finanznot am ehesten daran, dass irgendwelche Leistungen für ihn eingeschränkt werden, Bäder geschlossen werden, Bibliotheken und so weiter. Welche Möglichkeiten nutzen Sie denn, um den Bürger sozusagen mit ins Boot zu ziehen und ihm klar zu machen, es geht um dein Geld, hilf uns?

    Articus: Diese Frage ist sehr gut und sie ist auch sehr wichtig. Ich glaube es ist äußerst schwierig, die finanziellen Streite zwischen der Stadtpolitik und beispielsweise zwischen der Landespolitik so auszutragen, dass sie für den Bürger transparent werden und dass der Bürger einsieht, dass es einen Sinn macht, die eigene Stadt bei dieser Position zu unterstützen. Diese internen Verteilungsstreite interessieren die Bürger zumeist nicht, was ich auch gut verstehen kann. Deswegen werden die Streite darüber in Formen übersetzt, die auch nicht allzu leicht nachvollziehbar sind. Ich nehme mal ein Beispiel: Wenn die Defizite in den kommunalen Haushalten die Kommunalpolitik zwingen, in bestimmten Bereichen dramatische Einschnitte vorzunehmen, dann werden diese Einschnitte natürlich dort vorgenommen, wo sie den Bürger nicht unmittelbar betreffen. Es werden weniger aktuelle Leistungen eingeschränkt, sondern es werden Investitionen für die Zukunft zurückgefahren. Es werden keine Einschnitte bei Jugendeinrichtungen vorgenommen, aber es wird eben bei der Renovierung von öffentlichen Immobilien gespart.

    Durak: Das merkt der Bürger aber schon!

    Articus: Er merkt das mit der Zeit auch und so weit sind wir inzwischen!

    Durak: Das schwere einfach vermitteln?

    Articus: Ja.

    Durak: Danke schön! - Stefan Articus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages.

    Link: Interview als RealAudio