Kurth: Guten Morgen Herr Meurer.
Meurer: Wie tief geht die Krise, in der Berlin sich befindet?
Kurth: Zunächst einmal hatten wir eine Krise der Bankgesellschaft. Die Bankgesellschaft drohte, mit ihrer Kapitalquote unter das gesetzlich vorgeschriebene Maß zu sinken. Und da gab es nur die Alternative, dass das Land Berlin jetzt zunächst die Bereitschaft erklärt, diese Kapitalquote, die gesetzlich erforderlich ist, wieder herzustellen. Das geht im Moment tatsächlich nur über die Ermächtigung neuer Schulden, weil wir in dem Jahr bereits über eine Milliarde Absenkung in unseren Ausgaben hatten und im Nachtragshaushalt entsprechend auch noch zusätzliche Anstrengungen vorgenommen haben. In diesem Jahr ist mehr - das weiß jeder, der Berlin kennt - über Ausgabenabsenkung nicht möglich.
Meurer: Und welche Krise haben Sie jetzt?
Kurth: Die Koalition muss und wird ein Konzept vorlegen, dass die Folgebelastungen hieraus - die ja nicht nur steigende Zinsaufwendungen sind, sondern andauernde Steuerausfälle aus dem Bereich des Komplexes Bankgesellschaft und eines Divedentenausfalls, der sich auch nicht nur auf dieses Jahr beschränken wird -, sie muss ein Konzept vorlegen, dass sie mit diesen Folgebelastungen fertig wird.
Meurer: Wer trägt die Verantwortung für das Desaster, Herr Kurth?
Kurth: Ich glaube, da sind mehrere Ursachen zu nennen. Es ist zum einen eine in der Tat in den neuen Bundesländern und vor allem in Berlin schwierige Lage in der Bau- und in der Immobilienwirtschaft. Da sind eine ganze Reihe von Kreditproblemen drauf zurückzuführen. Es gab außerdem - ganz eindeutig und nicht zu verharmlosen - eine Reihe von Beanstandungen, zum Teil sogar von Gesetzesverstößen im Umgang mit problematischen Krediten, deren Folgewirkungen jetzt eskaliert sind. Es gab möglicherweise auch bestimmte strukturelle Schwierigkeiten innerhalb der Bankgesellschaft, die eine klare Führung und Steuerung des Konzerns in den vergangenen Jahren nicht erleichtert oder ausgeschlossen haben. Und an all diesen Punkten werden wir arbeiten.
Meurer: Wie groß ist die Verantwortung, die der Ex-CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky tragen müsste?
Kurth: Also, dieses Problem ist so vielschichtig, dass da einer alleine gar nicht verantwortlich sein kann.
Meurer: Er war aber immerhin der Manager und Chef - Vorstandschef - der Hypothekentochter.
Kurth: Er war der Vorstandschef - richtig - einer der Teilbanken aus der Bankgesellschaft, aber auch dieses deutet ja an, dass er für andere Bereiche die Verantwortung nicht hat. Herr Landowsky hat für das, was man ihm vorzuwerfen hat - das, was er sich vorzuwerfen hat - sehr frühzeitig die Konsequenzen gezogen, Anfang Februar, und er hat seine berufliche Funktion beendet.
Meurer: Nachdem die Bankenaufsicht ihn für unqualifiziert für das Amt erklärt hat.
Kurth: Das ist nicht richtig. Es ist zu einem solchen Verfahren nicht gekommen. Herr Landowsky hatte seine Position bereits vorher zur Verfügung gestellt.
Meurer: Wie zufrieden sind Sie mit dem, was Klaus Landowsky jetzt zur Aufklärung beiträgt?
Kurth: Ach, wissen Sie: Die Probleme sind weitergehend, wie ich schon sagte. Es geht nicht nur darum, dass die Kredite im Bereich der Berlin-Hyp. in einem bestimmten Umfange einen höheren Wertberichtigungsbedarf hatten; es geht darum, dass wir eine neue Struktur für die Bankgesellschaft entwickeln - gemeinsam mit den Partnern -, dass wir deutlich machen, wo wir Potentiale sehen, um Kosten zu senken, wo müssen wir uns stärker positionieren. Das alles sind Punkte, da ist der Vorstand von heute gefragt - mit dem Aufsichtsrat gefragt. Und da werden die Mehrheitseigentümer sehr engagiert mitwirken.
Meurer: Nun fragen sich die Berliner natürlich: Wir müssen jetzt den Kopf hinhalten, wir müssen jetzt bluten für die Milliardenschlampereien. Wie erklären Sie das jetzt den Berlinern?
Kurth: Zum einen ist selbstverständlich, dass die Bankgesellschaft alle in Betracht kommenden Regressansprüche prüft und gegebenenfalls durchsetzt - es laufen da bereits eine Reihe von Verfahren -, weil wir sehr gut verstehen, und das ist auch die Position des Aufsichtsrates und des Senats, dass diejenigen, denen man konkrete Vorwürfe machen kann, in einem bestimmten Umfange hier zur Verantwortung gezogen werden müssen. Man darf aber auch nicht vergessen, dass die Bankgesellschaftsproblematik ja nicht das strukturelle Problem der Berliner Finanzen ist. Strukturell ist unsere Schwierigkeit insbesondere darauf zurückzuführen, dass wir eine sehr niedrige Steuerquote haben bei uns. Wir sind wegen sehr wenig steuerzahlende Unternehmen in Berlin nur in der Lage, 40 Prozent unserer Ausgaben über eigene Steuereinnahmen zu decken. Und das ist das strukturelle Problem, mit dem wir uns seit einigen Jahren bereits auseinanderzusetzen haben.
Meurer: Sie haben vor kurzem gesagt, Herr Kurth, Sie fühlten das Ende des alten Berlin nahen. Was ist das 'alte' Berlin, was ist das 'neue' Berlin?
Kurth: Ja, da hat mir ein Journalist etwas in den Mund gelegt . . .
Meurer: . . . ach, das haben Sie gar nicht gesagt? . . .
Kurth: . . . das habe ich so nicht gesagt. Ich kann allerdings den Ausdruck verstehen und nachvollziehen, weil wir ja jetzt wirklich über neue Strukturen reden müssen in unserer Verwaltung, damit sie finanzierbar werden. Ich will ein Beispiel nur mal nennen: Wir haben in der Vergangenheit ja eine sehr aufwendige Infrastruktur deshalb unterhalten, weil sich über viele Jahrzehnte in Berlin, im früheren Ostteil - im früheren Westteil so eine Hauptstadtinfrastruktur entwickelt hat. Alles, was es in einer Hauptstadt normalerweise gibt, haben wir in Berlin ja mindestens doppelt. Und es ist jetzt die Frage zu stellen - 10 Jahre nach der Einheit -: Wie stellen wir die Verwaltung, wie stellen wir genau dieses Dienstleistungsangebot für den Bürger so auf, dass es nicht nur den bisherigen Qualitätsstandard entspricht, sondern auch noch bezahlbar ist. Das heißt: Von einer Reihe von Einrichtungen in öffentlicher Trägerschaft werden wir uns verabschieden müssen.
Meurer: Inwieweit war der Regierende Bürgermeister in das ganze Geschehen involviert?
Kurth: Der Regierende Bürgermeister war persönlich in das Geschehen überhaupt nicht involviert. Da müssen zunächst einmal die Damen und Herren, die in den letzten Jahren und heute in den Aufsichtsräten und auch in den zuständigen Senatsverwaltungen Verantwortung tragen - ich gehöre da auch zu - und sich zu ihrer Mitverantwortung bekennen . . .
Meurer: . . . aber hat der Chef nicht sozusagen die Kontrollfunktion letztlich für alles? . . .
Kurth: . . . also, die Bankgesellschaft ist ein so bedeutendes Unternehmen, dass das natürlich auch im Interessensbereich des Regierungschefs liegt. Aber wenn Sie sich - das kann man nach den Aufsichtsratsprotokollen sehr genau nachvollziehen - einmal anschauen, wie die Diskussion in den Aufsichtsräten der letzten Jahre gelaufen ist, dass dort in der Regel schon die richtigen Fragen gestellt worden sind und dass wir ja auch in den letzten Jahren testierte Jahresabschlüsse haben - es wird ja auch darüber diskutiert, warum Wirtschaftsprüfer über 4-5 Jahre einen Kredit als relativ unproblematisch darstellen und auch testieren, und dann explodiert in einem Jahr - im Jahr 2001 - der Wertberichtigungsbedarf - die Kredite, über die wir jetzt reden, stammen ja alle nicht aus dem Jahr 2000, die sind alle älter und sind auch in früheren Jahresabschlüssen schon einmal berücksichtigt worden, aber jeweils ganz anders.
Meurer: Das war der CDU-Finanzsenator von Berlin, Peter Kurth. Ich bedanke mich für das Gespräch und auf Wiederhören.
Kurth: Auf Wiederhören Herr Meurer.
Meurer: Die Affäre um die Berliner Bankgesellschaft berührt und betrifft natürlich auch den Koalitionspartner SPD. Noch steht die Partei zur Koalition mit der Union; die Opposition fordert dagegen Neuwahlen. In Berlin begrüße ich Klaus Wowereit, den Vorsitzenden der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Guten Morgen Herr Wowereit.
Wowereit: Guten Morgen.
Meurer: Wie steht's im Augenblick um den Zusammenhalt der großen Koalition?
Wowereit: Nun, wir sind in einer schweren Belastungsprobe. Wir haben große Aufgaben vor uns, wir müssen die Bankenkrise lösen und wir müssen die Finanzkrise lösen. Dazu brauchen wir eine starke CDU; den Eindruck habe ich zur Zeit nicht.
Meurer: Die PDS startet ein Volksbegehren, die Grünen und die FDP hängen sich an. Bringt das die SPD unter Druck?
Wowereit: Nein, das bringt erstmal die SPD unter Druck. Wir haben ja dafür gesorgt, dass Konsequenzen gezogen wurden aus dieser Bankenaffäre. Auf unseren Druck hin ist Herr Landowsky zurückgetreten - worden - möchte ich beinahe sagen, und er wird auch noch seine letzten Ämter aufgeben müssen - den Vize-Landesvorsitzenden und auch sicherlich noch sein Abgeordnetenhausmandat. Es ist ja unerträglich, dass hier die Denker keine Konsequenzen bislang gezogen haben. Und deshalb kann ich verstehen, dass die Opposition die Wut, die in der Bevölkerung vorherrscht gegen diese Machenschaften, aufgreifen wird durch ein Volksbegehren. Das wird sicherlich schon eine gewisse Dimension annehmen.
Meurer: Wie weit geht Ihre Treue zu Eberhard Diepgen?
Wowereit: Ja, wir sind ja nicht in Treue zu Eberhard Diepgen oder zur CDU. Wir haben als SPD gesagt: Wir wollen Regierungsverantwortung für die Stadt übernehmen, wir wollen die Stadt zukunftsfähig gestalten. Und das ist genau die Frage: Ist Eberhard Diepgen noch in der Lage, nach so vielen Amtsjahren und so, wie er nun mal ist, sich überhaupt diesen Zukunftsaufgaben zu stellen. Und das muss er jetzt beweisen.
Meurer: Nun gibt es in Ihrer Partei natürlich Diskussionen über die Fortsetzung der großen Koalition. Spricht aus Ihrer Sicht gegen Neuwahlen, dass am Ende - wenn die Wahlen zu Ende sind - wieder mit der CDU koaliert werden müsste?
Wowereit: Nun, das kann man ja natürlich nicht voraussehen. Die Bürgerinnen und Bürger reagieren Gott sei Dank ja sehr empfindlich auf das, was in der Politik passiert. Meine Befürchtung ist ja eher, dass sich ein Bereich der Politikverdrossenheit - gerade bei jungen Menschen - weiter ausbreitet, weil natürlich wenig differenziert wird im Bereich der Politik. Für viele ist ja Politik sowieso alles eins - egal ob die Partei oder die Partei. Viele denken, es ist immer dasselbe. Und da müssen wir dagegenarbeiten. Es darf nicht zur Politikverdrossenheit beitragen.
Meurer: Wie wollen Sie dagegenarbeiten, jetzt in dieser schwierigen Situation?
Wowereit: Ich denke, was die Menschen erwarten, ist in der Tat Ehrlichkeit, Ehrlichkeit der Politiker. Es hilft nichts, Schönwetterpolitiker zu spielen, wo das Wetter schlecht ist. Wir müssen den Menschen auch deutlich sagen: Hier sind Fehler gemacht worden. Die Bankenkrise hat ein Riesenloch in den Berliner Haushalt gerissen. Wir hatten vorher schon Probleme gehabt. Aber wir müssen konsequent nun auch unsere eigenen Probleme lösen. Und das bedeutet leider - und da hilft auch gar nichts, egal wer da regiert, dass wir diese einschneidenden Maßnahmen machen müssen. Und diese Wahrheit müssen wir auch der Bevölkerung sagen.
Meurer: Wie schwierig wird das werden, diese Wahrheit zu sagen - Schwimmbäder zu schließen, Kindertagesstätten zu schließen, Sozialhilfe zu kürzen -, weil bei Banken, bei Bankentöchtern Milliarden in den Sand gesetzt wurden?
Wowereit: Ja, das wird natürlich unheimlich schwierig, vor allen Dingen auch schwierig für diejenigen, die ja schon harte Sparmaßnahmen hinter sich haben. Die sind ziemlich zornig; die sagen 'bei mir habt Ihr eine Millionen gestrichen, und jetzt habt Ihr auf einmal 6 Milliarden Mark, die mal so ganz locker über die Kreditaufnahme finanziert werden'. Nur das Problem ist: Ich glaube, dass jeder das bei sich im privaten Haushalt weiß, dass er die Mark, die er einnimmt, er nur einmal ausgeben kann, und dass er ganz schnell, wenn er sich immer nur verschuldet, überhaupt nicht mehr handlungsfähig ist. Was im privaten Bereich jeder weiß, das - denke ich - akzeptiert sogar die breite Mehrheit der Bevölkerung auch im öffentlichen Bereich. Nur: Sie wollen, dass Politiker auch konsequent handeln. Und das fängt oben an, und da ist keiner ausgenommen. Wir müssen also auf allen Ebenen zeigen, dass das konsequent durchgeführt wird, und nicht, dass man Angst hat vor der eigenen Courage. Ich glaube, ein geschlossenes Konzept ist wichtig, und es wird dann auch akzeptiert werden.
Meurer: Noch ganz kurz die Frage, Herr Wowereit: Trägt die SPD Mitverantwortung, weil zum Beispiel Ihre Vertreter auch im Aufsichtsrat saßen?
Wowereit: Also, es gibt sicherlich eine kollektive Verantwortungslosigkeit - so möchte ich es mal bezeichnen. Es haben alle Aufsichtsmechanismen nicht funktioniert. Ich glaube, da soll sich auch gar keiner rausreden. Es gab sicherlich kriminelle Machenschaften im Bereich der Bank, es gab Vertuschung, Verdeckung. Es gab sicherlich auch die Wirtschaftsprüfer, die auch nicht dahintergestiegen sind. Wie soll denn ein einzelner Aufsichtsrat das mitbekommen. Aber trotzdem: Es hat eine Riesenkapitalvernichtung gegeben, die war erkennbar - allein bis zum letzten Jahr 8 Milliarden Mark. Und das ist der Vorwurf, den ich auch Eberhard Diepgen und anderen mache, dass ich sage: Bei dieser Höhe hätten die Alarmglocken klingeln müssen und es hätten Konsequenzen gezogen werden müssen. Ob der Schaden dann zu vermeiden gewesen wäre, weiß ich nicht. Aber zumindest hätte man das Management früher zur Verantwortung ziehen müssen.
Meurer: Der Vorsitzende der SPD-Fraktion in Berlin, Klaus Wowereit - heute früh im Deutschlandfunk. Danke und auf Wiederhören Herr Wowereit.
Wowereit: Auf Wiederhören.
Link: Interview als RealAudio
Meurer: Wie tief geht die Krise, in der Berlin sich befindet?
Kurth: Zunächst einmal hatten wir eine Krise der Bankgesellschaft. Die Bankgesellschaft drohte, mit ihrer Kapitalquote unter das gesetzlich vorgeschriebene Maß zu sinken. Und da gab es nur die Alternative, dass das Land Berlin jetzt zunächst die Bereitschaft erklärt, diese Kapitalquote, die gesetzlich erforderlich ist, wieder herzustellen. Das geht im Moment tatsächlich nur über die Ermächtigung neuer Schulden, weil wir in dem Jahr bereits über eine Milliarde Absenkung in unseren Ausgaben hatten und im Nachtragshaushalt entsprechend auch noch zusätzliche Anstrengungen vorgenommen haben. In diesem Jahr ist mehr - das weiß jeder, der Berlin kennt - über Ausgabenabsenkung nicht möglich.
Meurer: Und welche Krise haben Sie jetzt?
Kurth: Die Koalition muss und wird ein Konzept vorlegen, dass die Folgebelastungen hieraus - die ja nicht nur steigende Zinsaufwendungen sind, sondern andauernde Steuerausfälle aus dem Bereich des Komplexes Bankgesellschaft und eines Divedentenausfalls, der sich auch nicht nur auf dieses Jahr beschränken wird -, sie muss ein Konzept vorlegen, dass sie mit diesen Folgebelastungen fertig wird.
Meurer: Wer trägt die Verantwortung für das Desaster, Herr Kurth?
Kurth: Ich glaube, da sind mehrere Ursachen zu nennen. Es ist zum einen eine in der Tat in den neuen Bundesländern und vor allem in Berlin schwierige Lage in der Bau- und in der Immobilienwirtschaft. Da sind eine ganze Reihe von Kreditproblemen drauf zurückzuführen. Es gab außerdem - ganz eindeutig und nicht zu verharmlosen - eine Reihe von Beanstandungen, zum Teil sogar von Gesetzesverstößen im Umgang mit problematischen Krediten, deren Folgewirkungen jetzt eskaliert sind. Es gab möglicherweise auch bestimmte strukturelle Schwierigkeiten innerhalb der Bankgesellschaft, die eine klare Führung und Steuerung des Konzerns in den vergangenen Jahren nicht erleichtert oder ausgeschlossen haben. Und an all diesen Punkten werden wir arbeiten.
Meurer: Wie groß ist die Verantwortung, die der Ex-CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky tragen müsste?
Kurth: Also, dieses Problem ist so vielschichtig, dass da einer alleine gar nicht verantwortlich sein kann.
Meurer: Er war aber immerhin der Manager und Chef - Vorstandschef - der Hypothekentochter.
Kurth: Er war der Vorstandschef - richtig - einer der Teilbanken aus der Bankgesellschaft, aber auch dieses deutet ja an, dass er für andere Bereiche die Verantwortung nicht hat. Herr Landowsky hat für das, was man ihm vorzuwerfen hat - das, was er sich vorzuwerfen hat - sehr frühzeitig die Konsequenzen gezogen, Anfang Februar, und er hat seine berufliche Funktion beendet.
Meurer: Nachdem die Bankenaufsicht ihn für unqualifiziert für das Amt erklärt hat.
Kurth: Das ist nicht richtig. Es ist zu einem solchen Verfahren nicht gekommen. Herr Landowsky hatte seine Position bereits vorher zur Verfügung gestellt.
Meurer: Wie zufrieden sind Sie mit dem, was Klaus Landowsky jetzt zur Aufklärung beiträgt?
Kurth: Ach, wissen Sie: Die Probleme sind weitergehend, wie ich schon sagte. Es geht nicht nur darum, dass die Kredite im Bereich der Berlin-Hyp. in einem bestimmten Umfange einen höheren Wertberichtigungsbedarf hatten; es geht darum, dass wir eine neue Struktur für die Bankgesellschaft entwickeln - gemeinsam mit den Partnern -, dass wir deutlich machen, wo wir Potentiale sehen, um Kosten zu senken, wo müssen wir uns stärker positionieren. Das alles sind Punkte, da ist der Vorstand von heute gefragt - mit dem Aufsichtsrat gefragt. Und da werden die Mehrheitseigentümer sehr engagiert mitwirken.
Meurer: Nun fragen sich die Berliner natürlich: Wir müssen jetzt den Kopf hinhalten, wir müssen jetzt bluten für die Milliardenschlampereien. Wie erklären Sie das jetzt den Berlinern?
Kurth: Zum einen ist selbstverständlich, dass die Bankgesellschaft alle in Betracht kommenden Regressansprüche prüft und gegebenenfalls durchsetzt - es laufen da bereits eine Reihe von Verfahren -, weil wir sehr gut verstehen, und das ist auch die Position des Aufsichtsrates und des Senats, dass diejenigen, denen man konkrete Vorwürfe machen kann, in einem bestimmten Umfange hier zur Verantwortung gezogen werden müssen. Man darf aber auch nicht vergessen, dass die Bankgesellschaftsproblematik ja nicht das strukturelle Problem der Berliner Finanzen ist. Strukturell ist unsere Schwierigkeit insbesondere darauf zurückzuführen, dass wir eine sehr niedrige Steuerquote haben bei uns. Wir sind wegen sehr wenig steuerzahlende Unternehmen in Berlin nur in der Lage, 40 Prozent unserer Ausgaben über eigene Steuereinnahmen zu decken. Und das ist das strukturelle Problem, mit dem wir uns seit einigen Jahren bereits auseinanderzusetzen haben.
Meurer: Sie haben vor kurzem gesagt, Herr Kurth, Sie fühlten das Ende des alten Berlin nahen. Was ist das 'alte' Berlin, was ist das 'neue' Berlin?
Kurth: Ja, da hat mir ein Journalist etwas in den Mund gelegt . . .
Meurer: . . . ach, das haben Sie gar nicht gesagt? . . .
Kurth: . . . das habe ich so nicht gesagt. Ich kann allerdings den Ausdruck verstehen und nachvollziehen, weil wir ja jetzt wirklich über neue Strukturen reden müssen in unserer Verwaltung, damit sie finanzierbar werden. Ich will ein Beispiel nur mal nennen: Wir haben in der Vergangenheit ja eine sehr aufwendige Infrastruktur deshalb unterhalten, weil sich über viele Jahrzehnte in Berlin, im früheren Ostteil - im früheren Westteil so eine Hauptstadtinfrastruktur entwickelt hat. Alles, was es in einer Hauptstadt normalerweise gibt, haben wir in Berlin ja mindestens doppelt. Und es ist jetzt die Frage zu stellen - 10 Jahre nach der Einheit -: Wie stellen wir die Verwaltung, wie stellen wir genau dieses Dienstleistungsangebot für den Bürger so auf, dass es nicht nur den bisherigen Qualitätsstandard entspricht, sondern auch noch bezahlbar ist. Das heißt: Von einer Reihe von Einrichtungen in öffentlicher Trägerschaft werden wir uns verabschieden müssen.
Meurer: Inwieweit war der Regierende Bürgermeister in das ganze Geschehen involviert?
Kurth: Der Regierende Bürgermeister war persönlich in das Geschehen überhaupt nicht involviert. Da müssen zunächst einmal die Damen und Herren, die in den letzten Jahren und heute in den Aufsichtsräten und auch in den zuständigen Senatsverwaltungen Verantwortung tragen - ich gehöre da auch zu - und sich zu ihrer Mitverantwortung bekennen . . .
Meurer: . . . aber hat der Chef nicht sozusagen die Kontrollfunktion letztlich für alles? . . .
Kurth: . . . also, die Bankgesellschaft ist ein so bedeutendes Unternehmen, dass das natürlich auch im Interessensbereich des Regierungschefs liegt. Aber wenn Sie sich - das kann man nach den Aufsichtsratsprotokollen sehr genau nachvollziehen - einmal anschauen, wie die Diskussion in den Aufsichtsräten der letzten Jahre gelaufen ist, dass dort in der Regel schon die richtigen Fragen gestellt worden sind und dass wir ja auch in den letzten Jahren testierte Jahresabschlüsse haben - es wird ja auch darüber diskutiert, warum Wirtschaftsprüfer über 4-5 Jahre einen Kredit als relativ unproblematisch darstellen und auch testieren, und dann explodiert in einem Jahr - im Jahr 2001 - der Wertberichtigungsbedarf - die Kredite, über die wir jetzt reden, stammen ja alle nicht aus dem Jahr 2000, die sind alle älter und sind auch in früheren Jahresabschlüssen schon einmal berücksichtigt worden, aber jeweils ganz anders.
Meurer: Das war der CDU-Finanzsenator von Berlin, Peter Kurth. Ich bedanke mich für das Gespräch und auf Wiederhören.
Kurth: Auf Wiederhören Herr Meurer.
Meurer: Die Affäre um die Berliner Bankgesellschaft berührt und betrifft natürlich auch den Koalitionspartner SPD. Noch steht die Partei zur Koalition mit der Union; die Opposition fordert dagegen Neuwahlen. In Berlin begrüße ich Klaus Wowereit, den Vorsitzenden der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Guten Morgen Herr Wowereit.
Wowereit: Guten Morgen.
Meurer: Wie steht's im Augenblick um den Zusammenhalt der großen Koalition?
Wowereit: Nun, wir sind in einer schweren Belastungsprobe. Wir haben große Aufgaben vor uns, wir müssen die Bankenkrise lösen und wir müssen die Finanzkrise lösen. Dazu brauchen wir eine starke CDU; den Eindruck habe ich zur Zeit nicht.
Meurer: Die PDS startet ein Volksbegehren, die Grünen und die FDP hängen sich an. Bringt das die SPD unter Druck?
Wowereit: Nein, das bringt erstmal die SPD unter Druck. Wir haben ja dafür gesorgt, dass Konsequenzen gezogen wurden aus dieser Bankenaffäre. Auf unseren Druck hin ist Herr Landowsky zurückgetreten - worden - möchte ich beinahe sagen, und er wird auch noch seine letzten Ämter aufgeben müssen - den Vize-Landesvorsitzenden und auch sicherlich noch sein Abgeordnetenhausmandat. Es ist ja unerträglich, dass hier die Denker keine Konsequenzen bislang gezogen haben. Und deshalb kann ich verstehen, dass die Opposition die Wut, die in der Bevölkerung vorherrscht gegen diese Machenschaften, aufgreifen wird durch ein Volksbegehren. Das wird sicherlich schon eine gewisse Dimension annehmen.
Meurer: Wie weit geht Ihre Treue zu Eberhard Diepgen?
Wowereit: Ja, wir sind ja nicht in Treue zu Eberhard Diepgen oder zur CDU. Wir haben als SPD gesagt: Wir wollen Regierungsverantwortung für die Stadt übernehmen, wir wollen die Stadt zukunftsfähig gestalten. Und das ist genau die Frage: Ist Eberhard Diepgen noch in der Lage, nach so vielen Amtsjahren und so, wie er nun mal ist, sich überhaupt diesen Zukunftsaufgaben zu stellen. Und das muss er jetzt beweisen.
Meurer: Nun gibt es in Ihrer Partei natürlich Diskussionen über die Fortsetzung der großen Koalition. Spricht aus Ihrer Sicht gegen Neuwahlen, dass am Ende - wenn die Wahlen zu Ende sind - wieder mit der CDU koaliert werden müsste?
Wowereit: Nun, das kann man ja natürlich nicht voraussehen. Die Bürgerinnen und Bürger reagieren Gott sei Dank ja sehr empfindlich auf das, was in der Politik passiert. Meine Befürchtung ist ja eher, dass sich ein Bereich der Politikverdrossenheit - gerade bei jungen Menschen - weiter ausbreitet, weil natürlich wenig differenziert wird im Bereich der Politik. Für viele ist ja Politik sowieso alles eins - egal ob die Partei oder die Partei. Viele denken, es ist immer dasselbe. Und da müssen wir dagegenarbeiten. Es darf nicht zur Politikverdrossenheit beitragen.
Meurer: Wie wollen Sie dagegenarbeiten, jetzt in dieser schwierigen Situation?
Wowereit: Ich denke, was die Menschen erwarten, ist in der Tat Ehrlichkeit, Ehrlichkeit der Politiker. Es hilft nichts, Schönwetterpolitiker zu spielen, wo das Wetter schlecht ist. Wir müssen den Menschen auch deutlich sagen: Hier sind Fehler gemacht worden. Die Bankenkrise hat ein Riesenloch in den Berliner Haushalt gerissen. Wir hatten vorher schon Probleme gehabt. Aber wir müssen konsequent nun auch unsere eigenen Probleme lösen. Und das bedeutet leider - und da hilft auch gar nichts, egal wer da regiert, dass wir diese einschneidenden Maßnahmen machen müssen. Und diese Wahrheit müssen wir auch der Bevölkerung sagen.
Meurer: Wie schwierig wird das werden, diese Wahrheit zu sagen - Schwimmbäder zu schließen, Kindertagesstätten zu schließen, Sozialhilfe zu kürzen -, weil bei Banken, bei Bankentöchtern Milliarden in den Sand gesetzt wurden?
Wowereit: Ja, das wird natürlich unheimlich schwierig, vor allen Dingen auch schwierig für diejenigen, die ja schon harte Sparmaßnahmen hinter sich haben. Die sind ziemlich zornig; die sagen 'bei mir habt Ihr eine Millionen gestrichen, und jetzt habt Ihr auf einmal 6 Milliarden Mark, die mal so ganz locker über die Kreditaufnahme finanziert werden'. Nur das Problem ist: Ich glaube, dass jeder das bei sich im privaten Haushalt weiß, dass er die Mark, die er einnimmt, er nur einmal ausgeben kann, und dass er ganz schnell, wenn er sich immer nur verschuldet, überhaupt nicht mehr handlungsfähig ist. Was im privaten Bereich jeder weiß, das - denke ich - akzeptiert sogar die breite Mehrheit der Bevölkerung auch im öffentlichen Bereich. Nur: Sie wollen, dass Politiker auch konsequent handeln. Und das fängt oben an, und da ist keiner ausgenommen. Wir müssen also auf allen Ebenen zeigen, dass das konsequent durchgeführt wird, und nicht, dass man Angst hat vor der eigenen Courage. Ich glaube, ein geschlossenes Konzept ist wichtig, und es wird dann auch akzeptiert werden.
Meurer: Noch ganz kurz die Frage, Herr Wowereit: Trägt die SPD Mitverantwortung, weil zum Beispiel Ihre Vertreter auch im Aufsichtsrat saßen?
Wowereit: Also, es gibt sicherlich eine kollektive Verantwortungslosigkeit - so möchte ich es mal bezeichnen. Es haben alle Aufsichtsmechanismen nicht funktioniert. Ich glaube, da soll sich auch gar keiner rausreden. Es gab sicherlich kriminelle Machenschaften im Bereich der Bank, es gab Vertuschung, Verdeckung. Es gab sicherlich auch die Wirtschaftsprüfer, die auch nicht dahintergestiegen sind. Wie soll denn ein einzelner Aufsichtsrat das mitbekommen. Aber trotzdem: Es hat eine Riesenkapitalvernichtung gegeben, die war erkennbar - allein bis zum letzten Jahr 8 Milliarden Mark. Und das ist der Vorwurf, den ich auch Eberhard Diepgen und anderen mache, dass ich sage: Bei dieser Höhe hätten die Alarmglocken klingeln müssen und es hätten Konsequenzen gezogen werden müssen. Ob der Schaden dann zu vermeiden gewesen wäre, weiß ich nicht. Aber zumindest hätte man das Management früher zur Verantwortung ziehen müssen.
Meurer: Der Vorsitzende der SPD-Fraktion in Berlin, Klaus Wowereit - heute früh im Deutschlandfunk. Danke und auf Wiederhören Herr Wowereit.
Wowereit: Auf Wiederhören.
Link: Interview als RealAudio