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Fingerabdruck für die Fahndung

Analphabeten benutzen sie als Unterschrift. Die Polizei überführt damit Straftäter. Fingerabdrücke sind heutzutage offizielles Identifizierungsmerkmal und ihre Nutzung ist in vielen Bereichen nicht mehr wegzudenken. Vor 150 Jahren nahm der britische Kolonialbeamte William Herschel in Indien zum ersten Mal einen Fingerabdruck zur Identifizierung ab.

Von Regina Kusch | 28.07.2008
    "Daktylogramm, der Abdruck der Fingerbeere auf Gegenständen,"

    so die Definition des Fingerabdrucks in Meyers Lexikon.

    "Jeder Mensch hat eine für ihn charakteristische, während des ganzen Lebens unveränderliche Struktur der Hautleisten an den Innenhandflächen und den Fußsohlen."

    Wie oft schon hatte sich Sir William Herschel geärgert! Immer wieder hatte der britische Kolonialbeamte in Hooghly bei Kalkutta feststellen müssen, für seine Straßenbauprojekte mehr Leute bezahlt zu haben, als auf seiner Lohnliste standen. In den Ohren des Engländers klangen die indischen Namen seiner Angestellten alle gleich und auch ihre Gesichter konnte er nicht auseinander halten. Nie war er sicher, ob sich am Tag der Auszahlung Spitzbuben nicht nach Erhalt des Geldes gleich ein zweites Mal anstellten.

    Dann fand William Herschel die Lösung für sein Problem: Schon länger hatte er mit Fingerabdrücken experimentiert. Am 28. Juli 1858 schwärzte er einem Baustofflieferanten die Handfläche mit Druckerfarbe und ließ ihn damit den Kontrakt unterzeichnen. Anschließend legte er eine Kartei mit Abdrücken aller seiner Angestellten an. Jetzt bekamen nur noch diejenigen Geld, deren Abdrücke mit den bereits registrierten übereinstimmten.

    Auf die Idee, mit Fingerabdrücken Verbrechen aufzuklären, kam William Herschel damals nicht. Doch als er 1877 zum höchsten Beamten von Hooghly ernannt wurde, hatte er seine Kartei schon beachtlich ausgebaut und begann nun, Abdrücke von verurteilten Kriminellen zu sammeln und zu katalogisieren. So wollte er sicherstellen, dass diese ihre Gefängnisstrafe auch wirklich selbst absaßen statt einen Stellvertreter zu schicken, und dass sie nach Fluchtversuchen leichter wieder gefasst werden konnten. Herschel schlug vor, seine Methode im gesamten britischen Empire anzuwenden. Doch sein Gesuch wurde abgelehnt.

    Über viele Jahre hatte Herschel nicht nur immer wieder seine eigenen Fingerabdrücke überprüft, sondern auch die von Verwandten und Freunden. So schlussfolgerte er, dass sich die Abdrücke eines Menschen auch in langen Zeiträumen nicht verändern. In der Zeitschrift "Nature" veröffentlichte er seine Forschungsergebnisse. Unabhängig von Herschel wiesen auch Wissenschaftler in Japan und Frankreich nach, dass der menschliche Fingerabdruck lebenslang unverändert bleibt. Dann begannen Kriminalisten überall auf der Welt, ihn als Fahndungsmittel zu nutzen. In Deutschland wurde das Daktyloskopieverfahren zum ersten Mal im Jahre 1903 von der Dresdener Polizei offiziell eingesetzt.

    Auch in der Kriminalliteratur bedienen sich Detektive Herschels Methode. Agatha Christie hat Hercule Poirot bereits im Winter 1934 damit arbeiten lassen - in ihrem Roman "Mord im Orient Express".

    "Poirot untersuchte sorgfältig den Fensterrahmen, nahm dann ein kleines Schächtelchen aus seiner Tasche und blies ein bisschen Pulver über das Holz. "Nicht ein einziger Fingerabdruck, das heißt also, man hat den Rahmen abgewischt. Doch auch etwaige Fingerabdrücke wären kaum aufschlussreich gewesen. Sie hätten doch nur dem Schlafwagenschaffner gehört. Derartige Fehler unterlaufen Verbrechern heutzutage nicht mehr.""

    So geschickt wie in Agatha Christies Roman sind Verbrecher bei weitem nicht immer. Das beweist der Blick in eine Veröffentlichung des Bundeskriminalamtes zur Geschichte der Daktyloskopie.

    "Heute werden pro Jahr mit Hilfe des zentral beim BKA angesiedelten Automatisierten Fingerabdruck-Identifizierungs-Systems, AFIS, mehr als 13.000 Spurenverursacher - und somit potenzielle Straftäter - identifiziert. Fingerabdrücke sind aus der Tataufklärung nicht wegzudenken."

    Seit dem 1. November 2007 müssen in Deutschland auch unbescholtene Bürger ihren Fingerabdruck abliefern. Zumindest dann, wenn sie einen Reisepass haben wollen.

    "Die obligatorische Erfassung von Fingerabdrücken beziehungsweise die Nichterteilung von Reisepässen ist formell und materiell verfassungs- und gemeinschaftsrechtswidrig,"

    argumentierte ein Bochumer Rechtsanwalt und klagte. Inzwischen haben sich ihm weitere Gegner von Fingerabdrücken in Reisepässen angeschlossen, die ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt sehen.