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Finn Wolfhard
Netflix-Star macht Rock-Karriere

60er-Jahre-Sounds im Streaming-Zeitalter: Mit seiner Band Calpurnia macht der 15-jährige "Stranger Things"-Darsteller und Musiker Finn Wolfhard aus Vancouver altmodischen Rock’n’Roll - damit begeistert er die Teenager-Massen und sorgt für ausverkaufte Konzerthallen.

Von Christian Lehner | 08.12.2018
    Stranger Things-Star Finn Wolfhard ist der Leadsänger von "Calpurnia".
    Stranger Things-Star Finn Wolfhard ist der Leadsänger von "Calpurnia". (picture alliance / Photoshot)
    Das hier ist nicht Liverpool im Jahr 1961, das hier ist Berlin im Dezember 2018. Calpurnia heißt die Band aus Vancouver (Kanada), die hier für Teenage-Hysterie sorgt, wie einst die Beatles. Mädchen kreischen, Mädchen weinen, Mädchen halten Papierherzen in Richtung Bühne. Die Eltern stehen teils belustigt, teils besorgt im hinteren Bereich des Kesselhaus' in Berlin. Die Fans sind aus allen Teilen Deutschlands angereist. Manche haben den Weg aus Rumänien, Österreich oder Schweden auf sich genommen:
    "Ich bin mit dem Bus von München nach Berlin gekommen."
    "Die Musik ist sehr cachy und ich mag auch die Insturmentals sehr gerne."
    "Sie sind sehr besonders, gerade für ihr Alter."
    "Ich höre das über Handy - über Spotify."
    Die Band so alt wie die Fans
    Auf der Bühne: eine Band, deren Mitglieder nicht älter sind als ihre Fans. Sänger Finn Wolfhard ist gerade einmal 15 Jahre jung. Und auch wenn die Fans bei jeder noch so kleinen Geste oder Zwischenansage eines der Bandmitglieder zu kreischen beginnen, so sind sie doch hauptsächlich wegen dem hübschen Wuschelkopf gekommen. Wolfhard ist einem Millionenpublikum aus der Netflix-Serie "Stranger Things" bekannt.
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    Calpurnia 2018 - Backstage Treffen mit dem DLF Reporter (Christian Lehner)
    In der Mystery-Serie spielt er den Beau in einer Gruppe von Teenagern. Die Kids verteidigen eine US-Kleinstadt gegen Monster, eine finstere Organisation und zwischenmenschliche Unzulänglichkeiten. Der Charme der Streaming-Show überträgt sich auf die Band. Auch Calpurnia wirken wie ein Haufen eingeschworener Nerds. Was die Teenager im Alter zwischen 15 und 17 verbindet, ist die Liebe zum Rock’n’Roll der Beatles, von Nirvana oder Weezer – alles Musik, die sie aus der Plattenkiste ihrer Eltern kennen.
    Musikmanager, die nie wieder anrufen
    Finn Wolfhard: "Malcom, der Drummer, und ich haben uns bei einem Video-Shoot für eine andere Band getroffen. Die Gitarristin Ayla kennen wir von einem Rock’n’Roll-Summercamp. Das war noch alles bevor ich bei 'Stranger Things' angefangen habe. Seit ich sechs Jahre alt war, wusste ich, dass ich einmal in einer Band spielen werde."
    Nach der Beendigung der Dreharbeiten für die erste Staffel von "Stranger Things" vor zwei Jahren war die Band komplett. Wolfhard versucht, die Musik von seinem Status als Schauspiel-Star zu trennen, auch wenn das nicht immer gelingt: "Als Musikmanager davon Wind bekamen, dass ich in einer Band spiele, liefen die Telefone heiß. Man gab mir Tipps, wie ich meine Karriere anlegen sollte. Am besten solo und mit zeitgeistigen Sounds wie Pop oder Elektronik. Als ich ihnen sagte, dass ich in einer Rockband spiele, in der wir gemeinsam die Songs schreiben, bedankten sich die Manager und legten schnell auf. Ich habe nie wieder etwas von ihnen gehört."
    "Scout" heißt die erste EP von Calpurnia. An der Entstehung waren weder Star-Produzenten, noch externe Songschreiber beteiligt. Für das Alter der Bandmitglieder ist das Niveau der Songs beachtlich. Die Stücke sind kleine Coming-of-age-Dramen, klingen frech und frisch. Ohne große Mühe eigenen sich Calpurnia Stile wie Indie-Rock, Grunge und den klassischen Rock’n’Roll an.
    Rock’n’Roll-Fieber in der "Generation Spotify"?
    "Am Anfang hatten wir nur Stranger-Things-Fans im Publikum. Das ändert sich aber gerade. Diejenigen, die Rockmusik hassen, kommen nicht mehr, die anderen bleiben gerade deswegen. Den Skeptikern empfehle ich, eine unserer Shows zu besuchen. Sie sollen sich selbst ein Bild machen."
    Bei Calpurnia haben wir es mit einem Pop-Phänomen zu tun: Die junge Band schafft es entgegen aller Trends, mit traditioneller Rockmusik Teenager-Massen zu begeistern. Doch klar ist auch: Ohne die Prominenz ihres Sängers hätten die Kanadier zu diesem Zeitpunkt ihrer Karriere wohl kaum die Chance auf eine Welttour bekommen. Man darf gespannt sein, ob sich das Rock’n’Roll-Fieber in der "Generation Spotify" ausbreitet, oder bloß ein Strohfeuer im Streaming-Zeitalter ist.