Archiv


Firmen wollen mehr Steuerentlastung

Dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) gehen die Regierungspläne zur Unternehmenssteuerreform nicht weit genug. Es sei geradezu töricht, die Entlastung der Firmen auf fünf Milliarden Euro jährlich zu begrenzen, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. "Hier sollte die SPD über ihren Schatten springen", forderte Wansleben.

Moderation.Silvia Engels |
    Silvia Engels: In Berlin legt Bundeswirtschaftsminister Michael Glos heute die Wachstumsprognose der Bundesregierung vor. Medienberichten zufolge hebt er nach dem positiven Frühjahrsgutachten der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute diese Prognose für das laufende Jahr an, und zwar von 1,7 auf 2,3 oder 2,4 Prozent. Wie soll der Staat die Zusatzgelder verwenden, und was planen die Unternehmen?

    Am Telefon ist Martin Wansleben. Er ist der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, kurz DIHK. Guten Morgen, Herr Wansleben!

    Martin Wansleben: Guten Morgen Frau Engels!

    Engels: Der unerwartete Wachstumsschub, er stützt sich ja auch auf eine stabile Binnenkonjunktur. Also müsste es den vielen kleinen und mittelständischen Betrieben, die Sie als DIHK ja vertreten, ausgesprochen gut gehen oder?

    Wansleben: Ja gut, ich meine die Konjunktur ist deswegen so gut, weil es den Unternehmen so gut geht. Die Steuern sprudeln, weil die Unternehmen einstellen. Die Unternehmen stellen ein, weil die Unternehmen investieren. Das heißt also, es ist nicht so, dass erst die Konjunktur gut ist und dann geht es den Unternehmen gut, sondern umgekehrt.

    Was der Herr Glos jetzt macht ist im Grunde ein Nachziehen dessen, was sich ja schon seit Ende letzten Jahres, Anfang dieses Jahres abzeichnet: eine wirklich gute Weltkonjunktur. Es brummt sozusagen. Die Exporte wachsen um elf Prozent. Die Unternehmen investieren. Insofern ist es richtig, dass Herr Glos jetzt eine realistische Schätzung vorlegt.

    Engels: Früher war ja umgekehrt argumentiert worden aus der Wirtschaft. Dort hatte man bemängelt, die Gesamtkonjunktur, die Weltkonjunktur sei vielleicht manchmal zu schwach, oder aber die Rahmenbedingungen, die der Staat setze, seien nicht gut genug. Ist das jetzt alles im Lot?

    Wansleben: Im Moment ist es so, dass die Weltkonjunktur derartig brummt, dass die Kunden einfach kaufen. Deswegen sind die Auftragseingänge gut. Wir müssen aber natürlich jetzt aufpassen, wenn wir viel Geld in der Kasse haben, dann dafür zu sorgen, dass das auch so bleibt. Das heißt also, jetzt nicht das Geld ausgeben konsumtiv, 20 Milliarden haben Sie eben in der Anmoderation erwähnt, sondern jetzt müssen wir überlegen, was getan werden kann, damit die Investitionskonjunktur in Deutschland bleibt. Das heißt eine vernünftige Steuerreform. Selbst wenn man sich nicht traut zu träumen, also einer wirklich fundamentalen Reform das Wort reden will, sondern innerhalb dessen bleibt, was jetzt vorliegt, da gibt es verschiedene Ansatzpunkte, sei es bei der Zinsschranke, sei es bei den Hinzurechnungen, bei der Gewerbesteuer oder bei so Nickligkeiten wie die geringwertigen Wirtschaftsgüter.

    Engels: Jetzt kommen wir mal zu dem großen Stichwort Steuerreform. Davon machen Sie ja offenbar abhängig, dass in einer Form hier auch tatsächlich weiter Jobs entstehen können, und um die Unternehmenssteuerreform wird seit Neuestem wieder gestritten. Dem Vernehmen nach will die SPD dem beschlossenen Konzept nur zustimmen, wenn auch die Erbschaftssteuerreform kommt. Die sieht unter anderem eine höhere Belastung von Privatvermögen vor. Können Sie mit der Belastung leben, um die Unternehmenssteuerentlastung zu bekommen?

    Wansleben: Es muss noch mal klar sein: Wir haben deswegen mehr Geld in der Kasse, weil Unternehmen investieren. Das heißt also, was wir bei den Steuerreformen jetzt ansetzen müssen ist, was müssen und können wir tun, damit die Unternehmen weiter investieren?

    Wenn ich jetzt mal die Unternehmenssteuerreform weglasse und nur auf die Erbschaftssteuer gehe, dann ist es ganz eindeutig. Die Bundesregierung muss ihr Versprechen einlösen, wenn Familienunternehmen auf die nächste Generation übertragen werden, dass das keine Erbschaftssteuer kostet. Hier ist die Bundesregierung, hier sind die Länder noch in einer Bringschuld, denn was im Moment vorliegt, sind bürokratische Regelungen, von denen jeder Sachkundige weiß, dass sie gar nicht umsetzbar sind. Das heißt, bevor wir jetzt wieder in diese typisch deutsche Verteilungsdiskussion kommen, müssen wir diese Fragen lösen. Da sagen wir ganz klar: Die Erbschaftssteuer auf Unternehmensvermögen, die bringt im Jahr 300 bis 500 Millionen. Mehr sind das nicht. Es sind nicht mehrere Milliarden. Bevor man eine bürokratische Krücke aufbaut, sollte man überlegen, die ganz abzuschaffen.

    Engels: Nun ist ja für die Arbeitnehmer auch die Diskussion um einen Nachschlag durchaus eine Diskussion, die geführt wird, denn man hat den Eindruck die Unternehmen sind doch in den letzten Jahren und auch mit der Unternehmenssteuerreform, vielleicht auch mit der Erbschaftssteuerreform genügend entlastet worden. Wann sind denn die Verbraucher dran?

    Wansleben: Zunächst einmal zeigen die internationalen Zahlen oder die Vergleiche etwas anderes. Wir müssen die Unternehmenssteuerreform durchführen. Wir sind im Moment nicht in dem Maße wettbewerbsfähig, wie das sinnvoll ist.

    Das Zweite ist, es ist völlig klar, wenn der Staat genug Geld hat, dann muss der Staat überlegen, das Geld was er im Zweifel zu viel hat, auch den Bürgern zurückzugeben. Wenn die Konsolidierung der Staatsfinanzen voranschreitet, dann müssen wir zum Beispiel daran gehen, die kalte Progression abzupuffern. Das heißt also, wenn allein durch Inflation wir mehr Geld verdienen, dann wachsen auch Normalverdiener in die Progression hinein, und ich glaube, der Staat ist gut beraten, hier aufzupassen und hier entsprechende Reformen zum Beispiel anzusetzen.

    Engels: Sie haben es gerade noch mal angesprochen. Unternehmenssteuerreform, da geht es ja um eine Reduzierung des Steuersatzes, um eben Unternehmer im Inland halten zu können. Aber ist das nicht illusorisch? Nach wie vor gibt es in Osteuropa und Fernost Steuerparadiese. Das heißt, damit kann man eh nicht konkurrieren. Hier müssen einfach höhere Löhne gezahlt werden.

    Wansleben: Gut, ich meine, was wir machen müssen in Deutschland, wir müssen ein gutes Mixtum haben. Wir müssen vernünftige Standortbedingungen haben, wir müssen vernünftige Steuerrahmen haben, und dann müssen wir natürlich auch noch besser sein als andere. Und dann können wir höhere Löhne zahlen als andere, und dann kriegen wir auch Unternehmen hier nach Deutschland. Umso wichtiger ist, lassen Sie mich das noch mal sagen, strukturelle Schieflagen, die im Moment in der Unternehmenssteuerreform vorprogrammiert sind, rauszubringen. Das wird im Moment abgeblockt, indem man sagt Fünf-Milliarden-Liste, wir können nicht nachbessern. Das ist falsch, fundamental falsch, denn wenn Sie zum Beispiel die so genannte Zinsschranke nehmen: Dort werden im Kern Unternehmen bestraft, die in Deutschland investieren oder aber die in Deutschland ihre internationalen Holding-Standorte haben und aus Deutschland heraus in alle Welt investieren. Es ist geradezu ökonomisch töricht, wenn man hier nicht nachbessert, indem man eben sagt, fünf Milliarden, mehr gibt es nicht an Entlastung, obwohl wir sehen, immer dann, wenn Unternehmen investieren, entstehen Arbeitsplätze und entstehen zusätzliche Steuereinnahmen.

    Engels: Doch damit hat ja die SPD ein Problem. Sie möchte gerne nachbessern. Ist es Ihnen nicht lieber, das jetzige Modell zu bekommen, bevor das ganze vielleicht doch noch scheitert?

    Wansleben: Ich glaube, wir müssen aufpassen, immer nur so Mittelmaß zu machen. Deutschland lebt davon, dass wir wirklich gute Lösungen haben. Sonst sind wir auch nicht mehr in der Lage, wirtschaftlich wirklich gut zu sein. Hier sollte die SPD über ihren Schatten springen. Ich kann nur noch mal wiederholen, die jetzige Situation belegt doch eindeutig: Immer dann, wenn Unternehmen investieren, entstehen Arbeitsplätze und das ist für alle gut.

    Engels: Unternehmen investieren, das ist ein Stichwort. Da ist Wettbewerb gefragt. Das Bundeskabinett bringt heute eine Verschärfung des Kartellrechts auf den Weg. Das betrifft die Stromkonzerne. Dort droht eine Beweislastumkehr. Im Falle hoher Stromrechnungen müssen demnächst die Stromanbieter belegen, dass das nicht überhöht war, und nicht mehr die Verbraucher beziehungsweise das stromverbrauchende Unternehmen. Freut Sie das?

    Wansleben: Zunächst einmal sind ja etwa zu 50 bis 60 Prozent Unternehmen Kunden der Stromkonzerne. Das heißt also, es ist ein Thema, was insgesamt relevant ist auch für die Wirtschaft.

    Das Zweite ist: Natürlich muss es uns alle freuen, wenn auf dem Strommarkt oder auf dem Gasmarkt, dem Energiemarkt, insgesamt eine gewisse Ordnung geschaffen wird. Wenn ich richtig informiert bin, haben ja auch da die Stromkonzerne überhaupt nichts dagegen. Es gibt verschiedene Ansatzpunkte, die jetzt der Wirtschaftsminister vorlegt. Einige von denen sind sehr zu begrüßen. Bei anderen muss man ein Fragezeichen anfügen.

    Engels: Welche sind das?

    Wansleben: Zu begrüßen ist erst mal, dass kontrolliert wird, sind die Preise zu hoch? Völlig in Ordnung, dass man vergleicht, national, international. Zu begrüßen ist, dass es leichter wird, neue Kraftwerke in die Netze einzuspielen. Zu begrüßen ist die Initiative in Europa, dass wir einen paneuropäischen Energiemarkt schaffen. Alles wunderbar.

    Eine Schwierigkeit ist schon: Wenn die Regulierungsbehörde in die einzelnen Unternehmen hineingeht und sich anguckt, stimmt denn das Preis-Kosten-Verhältnis, das heißt also machen die Unternehmen zu viel Gewinne oder nicht? Hier heben wir wirklich den mahnenden Finger und sagen, Achtung, wir müssen aufpassen. Es ist richtig, Benchmarks zu suchen, aber es ist problematisch, einen so genannten Sollgewinn zu formulieren, und wenn der nicht eingehalten wird, dass man dann entsprechend eingreift. Denn bei allen Regulierungen sind wir ja davon abhängig, dass es auch nach wie vor attraktiv ist, privates Geld in Kraftwerke in Deutschland zu investieren, denn was uns auf keinen Fall passieren darf ist, dass wir abhängig sind von Öl, dass wir abhängig sind von Gas und dass wir am Ende nachher noch abhängig werden von Stromlieferungen aus dem Ausland.

    Engels: Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, kurz DIHK. Ich bedanke mich für das Gespräch.

    Wansleben: Danke Ihnen. Auf Wiederhören.