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Firmenporträt
Werbung auf's Ohr

Der Deutschlandfunk hat als werbefreier Sender mit Hörfunk-Werbung nichts zu tun. Ansonsten gilt gerade die Werbung im Radio als ästhetisches Problem - laut, schrill, informationsfrei und aus Kundensicht auch noch wenig wirksam. Wie Werbung fürs Ohr in digitalen Zeiten auch aussehen kann, zeigt eine Firma in Bremen.

Von Godehard Weyerer | 10.01.2014
    Der Deutschlandfunk hat als werbefreier Sender mit Hörfunk-Werbung nichts zu tun. Ansonsten gilt gerade die Werbung im Radio als ästhetisches Problem - laut, schrill, informationsfrei und aus Kundensicht auch noch wenig wirksam. Im Firmenporträt deshalb heute ein Besuch bei einer Firma, die Werbung fürs Ohr macht. Allerdings auch mehr und anderes als nur Werbung, und in digitalen Zeiten ist das Radio auch längst nicht mehr der einzige Verbreitungsweg. Godehard Weyerer war bei Selling Spot in Bremen:
    "Wir haben für die Queen Mary Zwei einen tollen Spot gemacht, weil die zum Hamburger Hafengeburtstag eingefahren ist. Um zu zeigen, was man alles auf der Queen Mary 2 so alles machen kann.“
    Die Medienwelt ist ein hart umkämpftes Geschäft
    Wer sich darin behaupten will, muss von sich und seiner Arbeit überzeugt sein. Auf Piet Blumenritt trifft beides zu. Vor ihm Mischpult, Monitore, Kontrolllautsprecher, Computer. Er lädt den Spot hoch:
    "Dieser englische Stuart mit diesem englischen Humor, das muss eine Einheit ergeben. Mein Vater hat diese Firma gegründet 1989, dadurch bin ich über die Musik dazu gekommen. Ich habe mit vier angefangen, Klavier zu spielen und bin sehr früh in die Tonstudiotechnik reingerutscht. Ich konnte da immer abends rein, wenn mein Vater fertig war mit dem Arbeiten.“
    Seit drei Jahren hält Piet Blumenritt das Zepter in der Hand und zog erst einmal um. Studios, Schnittplätze, Schreibtische und Foyer sind jetzt untergebracht im ausgebauten Dachgeschoss einer früheren Schnapsfabrik.
    Browsergames, Sound-Design liegen im Trend
    "Im letzten Jahr haben wir wieder sehr viel Hörfunk gemacht, auf 40 Prozent angestiegen, haben auch einen großen Anteil an E-Learning, mehrsprachige Sprachaufnahmen für große Industrieunternehmen weltweit, machen Computerspielvertonung, was immer mehr kommt, Browsergames, Sound-Design. Aus irgendeiner Ecke kommt immer etwas.“
    Auf der Ablage eines alten Sekretärs, der im Kontrast steht zum modernen Studio-Equipment, an der kahlen weißen Wand aber ein wenig verloren wirkt, sind einige Trophäen drapiert. Auszeichnungen sind im Geschäft so wichtig, wie gute Ideen und Optimismus. Ohne das, weiß der 39jährige Piet Blumenritt, kommt man an keine Aufträge.
    Gefragt ist Kreativität
    Vor ein paar Jahren hat er mit seiner Produktionsfirma in der Pharmaindustrie Fuß fassen können:
    "Wenn ich als Vertriebler unterwegs bin und es gibt neue Informationen über ein Medikament beispielsweise. Ich brauche die ganz schnell, weil es beispielsweise eine Nebenwirkung ist, die ich gar nicht kannte. Heutzutage kriegen die eine App auf ihr Smartphone. So machen die heute ihre Mitarbeiterschulung. Das machen wir immer mehr, auch weltweit. Das machen wir dann in Chinesisch, Koreanisch, Russisch. Sprachen, die wir selber nicht lesen können. Da haben wir hier Supervisoren.“
    Die Supervisoren holt sich Piet Blumenritt ins Studio, die Sprecher bucht er weltweit. Über Konferenzschaltungen laufen bis zu sechs Stimmen im Dachgeschoss der aufgelassenen Fabrik in Bremen zusammen und werden hier zeitgleich eingespielt und gemischt:
    "Da müssen wir nicht von unserem eigenen Ideal ausgehen, wenn wir etwa in einem Radiospot einen Werbesprecher haben und sagen, der klingt ja richtig toll, dann heißt es noch lange nicht, dass es eine seriöse Stimme ist für den spanischen oder den türkischen Markt. Man muss auch Menschen auf anderen Kontinenten fragen, die dort leben, oder dort auch mal Radio hören, Internetradio, und Werbung hören und gucken, wie sprechen die da eigentlich, was für ein Stimmklang ist da eigentlich favorisiert. Entsprechend casten wir dann auch.“
    20 Liter in einen 10-Liter-Eimer reinfüllen
    Apropos Radio-Werbung. Hat sich da in den zurückliegenden 25 Jahren Grundlegendes geändert? ‚
    "Früher waren wir immer glücklich, wenn wir 30-Sekunden-Spots machen durften, weil man in der Zeit wirklich auch was erzählen kann. Heutzutage will der Kunde alle möglichen Sachen drin haben – das neue Angebot, er ist umgezogen, die Internetadresse, der Name muss kommuniziert werden, und das muss in 20 Sekunden rein. Da sagt mein Vater so schön, man kann eben nicht 20 Liter in einen 10-Liter-Eimer reinfüllen. Das geht die Hälfte vorbei, und es wird alles sehr gepresst, schnell und sehr laut, weil man dann probiert, mit Lautstärke Aufmerksamkeit zu erzeugen.“
    Neben der Dynamik, Lautstärke und Länge fällt Piet Blumenritt noch eine weitere variable Größe ein - die Kosten. Manche Konkurrenten würden mittlerweile Spots für 300 Euro anbieten: ein Sprecher, eine Musik, keine Story, kein Klang-Design. Die Arbeit von ihm und seinen vier Festangestellten lässt er sich pro Spot mit 1.200 bis 2.400 Euro honorieren.
    Ohne gute Idee kein Spot
    "Und das ist heutzutage total selten, dass darüber nachgedacht wird, dass Textkreation ein elementarer Anfang eines Spots ist. Aber es muss eben auch bezahlt werden. Das ist heutzutage in den Hintergrund getreten, sodass wir immer mehr Standardspots im Radio hören, die eigentlich keinen interessieren.“
    Akustiken, die den Klang eines Maschinenraums wiedergeben oder den in einer Küche und weitere 1,8 Millionen Geräusche liegen im firmeneigenen Archiv. Die Musik - im Fall der Queen-Mary-Spot musste es eine britische Orchestermusik mit deutlich hörbaren Swing-Einschlag sein. Piet Blumenritt wurde in einem Archiv fündig.
    "Das Ganze kostet Geld. Je nachdem, ob es lokale, regionale oder nationale Nutzung ist.“
    Der Jahresumsatz schwankt stark - mal 300.000 Euro, mal 750.000 Euro. Kein Jahr ist wie das andere und voraussehbar schon gar nicht, weswegen Geschäftsführer Piet Blumenritt es bei vier Festangestellten belassen hat. Platz zum Erweitern bietet das Dachgeschoss genug. Draußen steht ein Tischkicker – zum körperlichen Ausgleich, bekräftigt der Chef. Am Kopf des Tisches eine halb leere Kaffeetasse, auf dem Stuhl davor ein Aschenbecher und Tabak zum Selbstdrehen. So typisch, dass es fast schon ein Klischee ist.