Heuer: Die europäischen Verbraucher wollen mehrheitlich ja keine Gentechnik auf den Feldern und erst recht nicht im Essen. Würden Sie selbst genmanipulierte Lebensmittel eigentlich kaufen?
Fischler: Nun das kommt darauf an. Wenn sichergestellt ist, dass es sich um zugelassene Lebensmittel handelt, dann hätte ich kein Problem damit, denn der Sinn der Zulassung besteht ja genau darin, dass jegliches Risiko ausgeschaltet wird. Das braucht man auch gar nicht mehr weiter in einem deutschen Gesetz zu regeln. Das ist bereits in einem europäischen Gesetz geregelt.
Was jetzt in Deutschland geregelt wird, ist, dass man entsprechende Vorsorge trifft, wenn nebeneinander Bauern gentechnikfreie oder Gentechnik beinhaltende Sorten anbauen, dass es dort keine Vermischung gibt. Es geht hier aber nicht um Gesundheitsrisiko oder nicht, um irgendein Umweltproblem.
Heuer: Sie garantieren also dafür, dass in der EU zugelassene Lebensmittel, selbst wenn sie gentechnisch verändert sind, gesundheitlich unbedenklich sind?
Fischler: Ja. Ansonsten darf ein solches Lebensmittel unter keinen Umständen zugelassen werden.
Heuer: Für wie gelungen halten Sie denn das deutsche Gesetz, gemessen an den EU-Richtlinien, die Sie jetzt gerade erläutert haben?
Fischler: Nun darf ich darauf hinweisen, dass die EU keine Richtlinien erlassen hat für dieses Nebeneinander von traditioneller Anbauweise und von Gentechnik, sondern Empfehlungen gemacht hat. Die Mitgliedsstaaten sind daher im Prinzip frei und können diese Dinge gestalten, müssen aber allerdings einige Prinzipien einhalten. Vereinfacht ausgedrückt: Man kann nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen. Es müssen die Maßnahmen, die ergriffen werden, proportional zum Problem sein. Ob das im Detail der Fall ist, das kann ich Ihnen derzeit noch nicht sagen, weil ich das Gesetz oder den Entwurf nicht kenne. Deutschland ist aber verpflichtet, sobald dieser Entwurf endgültig beschlossen ist, diesen der Kommission zu notifizieren.
Heuer: Nun sagen viele, Herr Fischler, dass mit den von Renate Künast vorgesehenen Haftungsregeln und Einschränkungen der Einsatz von Gentechnik faktisch eher behindert als gefördert wird. Im Sinne des Erfinders wäre das jedenfalls nicht oder etwa doch?
Fischler: Nein. Im Sinne des Erfinders ist, dass wir uns neutral verhalten wollen. Uns sind sozusagen alle Bauern lieb. Die Bauern, die Gentechnik verwenden wollen, sind uns aber nicht mehr und nicht weniger lieb als die anderen. Daher muss hier schon Fairness herrschen für beide Seiten. Auf der anderen Seite kann man aber auch nicht ganz einfach außer Acht lassen, dass die Bauern, die bisher ohne Gentechnik angebaut haben und das weiter tun wollen, ja nichts Neues einführen. Normalerweise muss man doch auch auf den schauen, der sozusagen etwas Neues einführt, und der muss auch die Verantwortung, die sich daraus ergibt, wahrnehmen.
Heuer: Die Kritiker der Gentechnik sagen aber, dass ein bisschen Gentechnik gar nicht geht, zum Beispiel wegen des Pollenflugs oder der Vermischung von Saatgut?
Fischler: Ja. Es gibt Pflanzen, wo das ein Problem ist. Es gibt aber andere Pflanzen, wo das kein Problem ist. Das ist genau die Schwierigkeit. Hier gibt es kein Generalrezept für alles, sondern man muss sich das Fall für Fall anschauen. Man muss also zum Beispiel Regeln festlegen, wenn es um den Anbau von Mais geht. Oder man muss Regeln festlegen, wenn es um den Anbau von Sojabohnen geht. Für andere Pflanzen ist derzeit Gentechnik kaum in Gebrauch. Wenn neue Pflanzen hinzukommen, dann muss man also für diese Pflanzen neue Regeln einleiten. Bei den Kartoffeln ist das zum Beispiel wieder völlig anders, denn bei den Kartoffeln findet ja im Prinzip nur eine vegetative Vermehrung statt. Dort ändert sich an den Genen der Kartoffeln gar nichts.
Heuer: Wieso lässt die europäische Kommission überhaupt den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft zu? Gezwungen hat sie dazu ja keiner.
Fischler: Das ist nicht wahr, sondern es ist so, dass wir kein Recht haben, etwas nicht zuzulassen, solange damit kein Risiko verbunden ist. Wenn das Risiko ausgeschaltet ist - und das muss ja sein, weil ich habe Ihnen ja gesagt, ansonsten dürfen solche Pflanzen nicht zugelassen werden -, dann haben wir aber auch keine rechtliche Möglichkeit, die Einführung solcher Anbaumethoden einfach zu verbieten.
Heuer: Ist es denn richtig, Herr Fischler, dass es den USA jetzt viel leichter fallen wird, ihre transgenen Produkte auf den europäischen Markt zu exportieren?
Fischler: Zur Zeit ist es so, dass in einigen Mitgliedsstaaten ein de facto Moratorium besteht, unter anderem auch in Deutschland. Aber dieses Moratorium ist nicht zu halten, auch rechtlich nicht zu halten. Daher ist es glaube ich völlig richtig, wenn jetzt in Deutschland entsprechende Vorkehrungen getroffen werden, dass ein sinnvolles, ich betone sinnvolles Nebeneinander zwischen Gentechnik und anderer Anbauweise möglich gemacht wird.
Heuer: In Europa steckt die Gentechnik im Einsatz in den Kinderschuhen. Wenn wir mal etwas vorausblicken, Herr Fischler, wie stellen Sie sich die Zukunft dieser Technik in der europäischen Landwirtschaft vor? Wie hoch wird der Anteil der Gentechnik in einigen Jahren wohl sein?
Fischler: Das ist etwas schwierig vorauszusagen. Ich glaube, das hängt auch von den Pflanzen ab. Wenn Sie sich zum Beispiel die Entwicklung in Amerika anschauen: Dort ist es in der Zwischenzeit so, dass praktisch drei Viertel der Baumwolle, die dort produziert wird, bereits mit Sorten produziert wird, die gentechnisch verändert sind, und es hat bisher eigentlich kein Problem damit gegeben. Es ist auf der anderen Seite so, dass ungefähr bereits die Hälfte des Mais gentechnisch produziert wird. Ob das in Europa auch so schnell geht, das wage ich zu bezweifeln, aber das soll eben in der Freiheit der Bauern bleiben, ob sie das anwenden. Kein Bauer soll gezwungen werden, Gentechnik anzuwenden, um das einmal ganz klar zu machen. Ich sehe aber einen anderen Bereich, wo möglicherweise in Zukunft die Gentechnik eine viel größere Rolle spielen kann. Wir reden ja sehr viel über den Anbau von nachwachsenden Rohstoffen und bei diesen nachwachsenden Industrierohstoffen glaube ich könnte die Gentechnik sehr bald eine viel größere Rolle spielen, als sie das bisher tut.
Heuer: Nennen Sie ein Beispiel?
Fischler: Na ja, da geht es zum Beispiel um die Produktion von Mais, der dann für die Stärkeproduktion von Industriestärke verwendet wird oder für die Herstellung von Alkohol, womit dann Autobusse betrieben werden. Woran auch ganz konkret gearbeitet wird ist, dass zum Beispiel Pflanzen dieses Mal für die Ernährung produziert werden, zum Beispiel Weizen, der stärker trockenresistent ist, was ja für viele Entwicklungsländer eine Chance wäre. Aber nur deswegen, weil wir diesen Entwicklungsländern dann eine Chance geben, sollen wir dann ein und für alle Mal verbieten, dass derartiger Weizen nach Europa importiert wird? Das, glaube ich, wäre ziemlich zynisch.
Heuer: Sie sagen, es gibt dort große Chancen, die Menschen in den Entwicklungsländern mit solchen Pflanzen zu versorgen und die Ernährung dort sicherzustellen. Andererseits entstehen dadurch auch neue Abhängigkeiten des Südens von den reichen Industrienationen, die ihnen diese Gentechnikpflanzen ja gerne verkaufen möchten?
Fischler: Da haben Sie völlig Recht. Das möchte ich überhaupt nicht bestreiten. Nur dürfen wir auf der anderen Seite doch nicht übersehen, dass es derzeit halt immer wieder zu großen Hungerkatastrophen und Nahrungsmittelversorgungsproblemen kommt, ganz einfach, weil wegen Dürre die Ernte ausfällt oder sehr viel kleiner ausfällt als geplant. Hier muss man, glaube ich, schon die Dinge von ihrer Bedeutung her richtig ordnen. Wenn man das durch verbesserten Anbau zumindest reduzieren kann, dann ist das aus humaner Sicht doch ein Riesenfortschritt.
Heuer: EU-Agrarkommissar Franz Fischler war das. - Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Fischler. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag und interessante Eindrücke bei der "Grünen Woche" in Berlin.