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Fitness-Influencer
Mit Instagram zur Traumfigur

Schlanker, muskulöser, gesünder: Tausende Influencer beliefern Jugendliche mit vermeintlichen Gratis-Tipps für ein fitteres Leben. Dabei geht es weniger um Gesundheit, sondern vor allem um Geld.

Von Klaus Deuse | 13.11.2019
    Konterfei von Sophia Thiel auf der Internationalen Leitmesse für Fitness, Wellness und Gesundheit sowie Bodybuilding, Kraftsport und Kampfsport FIBO 2019 in Köln.
    Konterfei von der Influencerin Sophia Thiel auf der Fitnessmesse FIBO 2019 in Köln (www.imago-images.de)
    "Hallöchen, meine Lieben, und herzlich willkommen zu meinem allerneuesten Video. Richtig cool, dass ihr wieder mit dabei seid."
    Influencerin Sophia Thiel betreibt ihren eigenen Kanal bei Instagram, dem 1,3 Millionen Menschen folgen. Und sie weiß, wie man jugendliche Follower anspricht:
    "In diesem Video möchte ich Klarheit schaffen, möchte mit euch teilen, was ich in Zukunft vorhabe und vor allem ehrlich mit euch sein."
    Ehrlich in ihrem Sinn heißt, dass sie zeigt, "wie ich aus der neu entstandenen Leidenschaft für den Kraftsport und einer konsequenten Ernährungsumstellung mein Leben um 180 Grad wenden konnte".
    Studie analysiert 1.000 Bilder
    Und auf diesen Weg, zu dem von ihr empfohlene spezielle Produkte gehören, will Sophia ganz viele mitnehmen, damit auch sie fit, schlank und schön und somit zufrieden mit sich selbst werden.
    Katharina Pilgrim von der Universität Witten/Herdecke hat in einer Studie untersucht, wie Internet-Stars zu Jugendlichen über die Themen Ernährung und Bewegung sprechen. Die Analyse von 1.000 Bildern der 50 erfolgreichsten Fitness-Influencer und über 2.000 Reaktionen aus der Zielgruppe zeigte, dass Jugendliche mit Influencern im Internet wie mit der besten Freundin kommunizieren. Und, so Katharina Pilgrim, Rat suchen, wie auch sie so perfekt wie ihre Idole aus dem Netz werden können.
    "Die Nutzer versprechen sich einen unkomplizierten und einfachen Weg, ihre Ernährung so zu optimieren, dass sie auch ihren Körper, so wie er dort gezeigt wird, optimieren können."
    Soziale Medien präsentieren Scheinwelt
    Das Ziel: sichtbare Muskeln und ein geringer Anteil an Körperfett. Präsentiert wird von den Influencern jedoch eine Scheinwelt, stellt Katharina Pilgrim fest.
    "Die Intensität, in der das stattfindet, auch mit dem vorgelebten Bild des durchtrainierten Körpers, in der Kombination und in der Intensität sind schon als unrealistisch zu bezeichnen, ja."
    Dass die Bilder und Videos der Influencer meist aufwändig inszeniert und bearbeitet sind, das ist den meisten Jugendlichen nicht bewusst. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass diese sich für einen Teil ihrer Postings von Sponsoren bezahlen lassen.
    Influencer vor allem auf Instagram aktiv
    Als das effektivste Medium für Influencer, um solche bezahlten Postings abzusetzen, hat sich nach der Studie Instagram herauskristallisiert. Auf dem Social-Media-Kanal für Fotos und Videos haben sich im vergangenen Jahr 15 Millionen Nutzer getummelt.
    "Wir haben das mal verglichen mit Strukturdaten des Statistischen Bundesamtes. Und da hat sich eigentlich für uns ergeben, dass über 85 Prozent aller in Deutschland lebenden 14- bis 24-jährigen auf Instagram aktiv sind."
    Viel Produktwerbung
    Ein für werbende Unternehmen und die von ihnen bezahlten Influencer dankbares Publikum, das danach strebt, den eigenen Körper nach dem Vorbild ihrer Internet-Idole zu perfektionieren. Schönheit und Glück, lautet die Kritik der Wittener Wissenschaftler, werden damit in einen direkten Zusammenhang mit dem Konsum entsprechender Produkte gestellt.
    "Hauptsächlich werden Nahrungsergänzungsmittel in Form von Pulver und Pillen beworben. Dazu zählen natürlich verstärkt Proteinpulver. Aber auch Pulver rund ums Training, die kurzfristig eine Leistungssteigerung herbeiführen sollen."
    Nackte Haut bekommt mehr Likes
    Wer ordentlich trainiert und die beworbenen Produkte zu sich nimmt, dem winkt, suggerieren die Botschaften der Influencer, alsbald ein speckbefreiter Körper wie der ihrige.
    "Wir konnten sehr schön eine Korrelation erkennen: Je mehr nackte Haut gezeigt wurde, desto mehr Likes wurden natürlich auch generiert. In über der Hälfte der Bilder bei unserer Stichprobe war ein nackter Bauch mit sichtbaren Muskeln zu sehen."
    Erkennbar als Werbung gekennzeichnet, geht aus der Wittener Studie hervor, war jedoch nur die Hälfte der Präsentationen. Fitness-Influencer, so das Fazit der Untersuchung, betreiben letztlich keine Gesundheitsförderung, sondern wollen Geld verdienen. Auch mit Ernährungstipps.
    Follower reagieren mit Fotos und Videos
    Zum Beweis, dass sie Tipps wie die der Influencerin Pamela Reif auch im Alltag umsetzen, drehen einige Follower sogar eigene Videos und laden sie im Netz hoch.
    "Ja, guten Morgen. Ich hab mich fürs erste Frühstück fürs Porridge entschieden, und zwar mit Nüssen. Starten wir mal so in den Tag. Da hab ich schon mal die Haferflocken abgewogen. Und dann kommt da jetzt noch Sojamilch dazu."
    Denn Pamela Reif, die es bei Instagram auf rund 4,5 Millionen Follower bringt, trinkt fast keine Kuhmilch mehr.
    "Weil ich einfach so den Eindruck hatte, Kuhmilch ist nicht für uns Menschen gedacht. Weil da sind viele Hormone drin, die fürs Kalb gedacht sind. Das ist die Muttermilch von der Kuh für ihr Kind."
    Cellulitis für 24-Jährige schon Thema
    Da zu einem schönen Körper straffe Haut gehört, hat Influencerin Sophia Thiel der Cellulite den Kampf von innen und außen angesagt. Mit gerade einmal 24 Jahren bekennt sie, dass sie früher Cellulitis gehabt habe.
    "Als ich dann mit dem Training begonnen hatte und mich auch mit der Ernährung beschäftigt hatte, ist dann tatsächlich meine Cellulitis weggegangen. Komplett."
    Für Sportmediziner ein wahres Wunder. Influencer üben auf die Lebensweise von Jugendlichen einen erheblichen Einfluss auf. Darum, sagt Katharina Pilgrim, sei Aufklärung wichtig, um Jugendliche in ihrer psychischen und physischen Entwicklung zu schützen und zu begleiten.
    Chance für gesetzliche Krankenkassen
    Denkbar ist für sie auch, dabei die gesetzlichen Krankenkassen mit ins Boot zu holen. Denn über soziale Medien könne man Jugendliche im Rahmen von Präventionskampagnen erreichen. Warum nicht auch, resümiert Katharina Pilgrim, mit dann realistischen Tipps zu Bewegung und Ernährung von den Idolen aus dem Netz.
    "Mögliche Einsatzszenarien sehen wir mit dem Einbinden von Influencern und Influencerinnen in Präventionskampagnen der gesetzlichen Krankenkassen, da wir ja durch die Verabschiedung des Präventionsgesetzes das nötige Kapital haben."