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Fitnesstest Klimawandel
Wie große Säuger auf veränderte Bedingungen reagieren

Wenn sich Biologen mit bedrohten Tierarten beschäftigen, kommen sie oft zu spät. Das liegt vor allem daran, dass bislang kaum Methoden vorhanden sind, mit denen drastische Veränderungen in Echtzeit erkannt werden können, bevor eine Art nicht mehr zu retten ist. Das wollen südafrikanische Biologen ändern.

Von Michael Stang | 03.08.2016
    Ein wild lebendes Breitmaulnashorn mit Jungtier im Imfolozi Nationalpark (Südafrika)
    Ein wild lebendes Breitmaulnashorn mit Jungtier im Imfolozi Nationalpark (Südafrika) (picture alliance / Jürgen Hein)
    In Südafrika leben noch die berühmten "Big Five". Jene fünf großen Säugetiere, die Großwildjäger einst als schwer erlegbar bezeichneten und die Touristen heute in Scharen sehen wollen. Doch das Überleben von Elefant, Nashorn, Büffel, Löwe und Leopard ist gefährdet, zum einen durch den Klimawandel, zum anderen durch eine stetige Verkleinerung der Lebensräume - bedingt durch Abholzung, Urbanisierung und das Aufstellen von Zäunen, sagt Andrea Fuller von der Universität von Witwatersrand:
    "Diese Tiere können nicht wegziehen, müssen also in ihren Gebieten bleiben und sich anpassen. Um zu messen, wie sie das anstellen, brauchen wir Geräte, die die Tiere weder in ihrem Verhalten noch in ihrer Physiologie negativ beeinflussen."
    Bei den Geräten handelt es sich um so genannte Biologger, kleine Implantate oder Messgeräte, die die Tiere nicht stören, mithilfe derer die Forscher das Verhalten und physiologische Daten wie die Körpertemperatur messen können. Säugetiere sollten Naturschützer besonders genau beobachten. Zum einen leben diese sensiblen Tiere sehr lange, zum anderen pflanzen sie sich nur sehr langsam fort. Damit können große Säugetiere im Vergleich zu kleinen Nagern oder Insekten nur schwer auf veränderte Umweltbedingungen reagieren. Um in freier Wildbahn solche Anpassungen zu messen, hat Andrea Fuller Antilopen untersucht, die in Gebieten leben, in denen Klimabedingungen herrschen, die es allen Vorhersagen zufolge auch bald in Südafrika geben wird:
    "Wir sind nach Saudi-Arabien gefahren, um Arabische Oryx-Antilopen zu untersuchen. Diese Tiere zeigen bereits viele Klima-Anpassungen: Sie stehen tagsüber im Schatten und werden zunehmend nachtaktiv. Wir haben erstaunliche Schwankungen in der Körpertemperatur festgestellt, mitunter bis zu acht Grad Celsius pro Tag. Wir glauben, dass sich diese Tiere bereits am Limit befinden. Wird es noch heißer und trockener, dann werden diese Antilopen wohl nicht überleben."
    Ohne genügend Wasser kann die Hitze nicht kompensiert werden
    Solange ausreichend Wasser vorhanden ist, können die Tiere die Hitze kompensieren. Herrscht jedoch Wassermangel, bekommen die gleichwarmen Säugetiere Probleme, wie im Fall der Antilope, deren Körpertemperatur innerhalb weniger Stunden von 34 auf 42,6 Grad Celsius stieg:
    "Wir haben auch Erdferkel in Südafrika untersucht, die unter einer Dürre litten. Zwei Tiere konnten ihre Körpertemperatur nicht mehr regeln, weil sie nicht genügend adäquate Nahrung zur Verfügung hatten und hungern mussten. Erdferkel ernähren sich von Ameisen und Termiten. Diese waren aber im Zuge der Dürre abgewandert oder hatten sich tiefer im Boden verkochen. Bei einem Tier sank die Körpertemperatur auf 20 Grad Celsius bevor es starb, was außergewöhnlich ist."
    Schwankungen der Körpertemperatur sind wichtiges Alarmsignal
    Veränderungen in der Körpertemperatur könnten also eine objektive Messmethode sein, um zu ermitteln, wie es um ein Tier bestellt ist. Um effektiv Naturschutz zu betreiben, müssten viele Säugetiere exemplarisch mit Sendern ausgestattet und permanent beobachtet werden.
    "Wir können also relativ einfach die Körpertemperatur bei den großen Säugetieren messen, die sehr wichtig für das Ökosystem sind. Wir sehen dadurch in Echtzeit am Computer, ob die Tiere ihre Körpertemperatur noch regeln können oder nicht mehr. Sehen wir große Schwankungen, etwa in Dürrezeiten, können wir bestimmte Hilfsmaßnahmen in die Wege leiten."
    Solche Maßnahmen können das Errichten von Korridoren sein, durch die die Tiere selbst in andere Gebiete migrieren können oder umgesiedelt werden müssen. Unabhängig davon haben sie jetzt zum ersten Mal eine Methode an der Hand, die auf kritische Zustände hindeutet, bevor große Säugetiere akut vom Aussterben bedroht beziehungsweise nicht mehr zu retten oder schon ausgestorben sind.