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Flachsbarth: Wollen Zwischenlagerung "so kurz wie möglich zu halten"

Die Länge der Transportwege sei bei der Suche nach Zwischenlagern ein überzeugendes Argument, sagt die ehemalige Vorsitzende des Gorleben-Untersuchungsausschusses, Maria Flachsbarth. Sie betont, bei der Festlegung auf ein Endlager seien dann aber andere Kriterien ausschlaggebend.

Maria Flachsbarth im Gespräch mit Friedbert Meurer | 13.06.2013
    Friedbert Meurer: Seit über 30 Jahren tobt jetzt schon in Deutschland der Kampf um die Atomenergie. Der Ausstieg ist nach Fukushima endgültig beschlossene Sache. Aber es bleibt noch die Frage: Wohin soll der Atommüll, der in all der Zeit entstanden ist und die nächsten Jahre ja noch dazukommt? Regierung und Opposition hatten sich eigentlich schon auf ein Endlagersuchgesetz geeinigt, also auf ein Prozedere, wie man ein geeignetes Endlager finden will, das dann wohl eher nicht Gorleben heißen wird. Jetzt droht, der Kompromiss an zwei Dutzend Castoren zu scheitern, die niemand haben will, schon gar nicht im Wahlkampf. Heute verhandeln Bundesregierung und die Länderministerpräsidenten miteinander.

    Maria Flachsbarth – pardon - von der CDU, guten Tag. Sie haben einen Namensvetter, der heißt Flasbarth.

    Maria Flachsbarth: Ja, das stimmt.

    Meurer: Der ist auch im Umweltbereich aktiv.

    Flachsbarth: Das ist der Chef des Bundesumweltamtes.

    Meurer: Maria Flachsbarth ist Mitglied im Umweltausschuss des Bundestages, von der CDU, Vorsitzende des Gorleben-Untersuchungsausschusses und Sie kommen aus Niedersachsen. Das ist jetzt alles korrekt?

    Flachsbarth: Das ist alles korrekt, Herr Meurer.

    Meurer: Stimmen Sie Ihrem Ministerpräsidenten Stephan Weil von der SPD zu, dass er sagt, in unser Bundesland kommt jetzt kein weiterer Castor-Transport?

    Flachsbarth: Ich habe sehr großes Verständnis dafür, Herr Meurer, dass man sagt, nach Gorleben in das Zwischenlager soll kein weiterer Castor eingelagert werden. Ehrlich gesagt haben der damalige niedersächsische Umweltminister Sander von der FDP und ich selber schon im November 2011 diesen Vorschlag gemacht, haben uns dadurch nicht unbedingt beliebt gemacht bei unseren eigenen Parteifreunden. Aber um letztendlich an dem Standort Gorleben nicht immer wieder und wieder den Eindruck zu erwecken, dass es dort ja bereits zu einer Vorfestlegung gekommen sei, also man eigentlich in Gorleben einlagern wolle, und es eben nicht nur ein reiner Erkundungsstandort ist, aus diesem Grund habe ich selber diesen Vorschlag ins Gespräch gebracht.

    Meurer: Das heißt, Sie wären für einen anderen Standort in Niedersachsen, für das stillgelegte Atomkraftwerk Unterweser? Kann ich das so interpretieren?

    Flachsbarth: Na ja, man muss da zumindest drüber nachdenken. Also die Argumentation von Peter Altmaier, zu sagen, lasst uns sehen, dass wir die Transportwege möglichst kurz halten, ist ja ein gewichtiges. Das kann man nicht einfach so vom Tisch wischen. Von daher muss man tatsächlich schauen, welche geeigneten Standorte sich dann finden ließen.

    Meurer: Das hat jahrzehntelang offenbar keine Rolle gespielt bei Gorleben, der Transportweg.

    Flachsbarth: Ja, da kann ich Ihnen gar nicht widersprechen. Aber wir fangen jetzt neu an. Ich bin Vorsitzende des Gorleben-Untersuchungsausschusses, jetzt muss ich sagen gewesen, in der letzten Woche ist der Abschlussbericht nach ungefähr dreieinhalb Jahren Arbeit vorgelegt worden, und das, was wirklich rausgekommen ist bei diesem Ausschuss, ist nicht etwa, dass wir hätten aufdecken können, wie die Verhältnisse nun wirklich waren. Da konnten wir uns nicht einigen, noch nicht mal in der Faktenfeststellung. Wir waren alle in denselben Sitzungen, haben dieselben Zeugen gehört und haben trotzdem was ganz, ganz anderes gehört. Also, was rausgekommen ist, ist, dass wir tatsächlich einen Neuanfang brauchen, und wenn wir uns jetzt nach diesem Neuanfang noch mal wieder sagen, aber guckt mal, was ihr mit uns gemacht habt, oder guckt mal, wie wenig hilfsbereit ihr da wart, dann kommen wir nicht weiter. Wenn wir tatsächlich einen Neuanfang wollen – und ich glaube, den müssen wir wollen, weil wir ihn schlicht und ergreifend brauchen -, dann müssen wir jetzt tatsächlich uns auf einer neuen Grundlage treffen und gucken, welche Sachargumente denn überzeugen. Und ich finde, dass die Länge der Transportwege ein überzeugendes Sachargument ist.

    Meurer: Wäre es denn nicht eine Geste des guten Willens einfach, wenn Hessen oder Bayern sagen würden, jawohl, sechs Castoren, so viel ist das auch nicht, die nehmen wir auf, um die Sache an sich zu retten?

    Flachsbarth: Ich wertschätze sehr die Geste des guten Willens, die aus Baden-Württemberg und aus Schleswig-Holstein kommt. Das ist nicht einfach, das weiß ich wohl zu werten. Und jetzt wird es in Gesprächen, ich denke immer noch, dazu kommen, dass wir uns tatsächlich einigen können.

    Meurer: Wenn Sie jetzt sagen, Frau Flachsbarth, die Länge des Transportweges spielt eine Rolle, dann wäre das ja schon ein Kriterium, wonach man jetzt schon sagen kann, in 2050 wird das Endlager nicht in Hessen und nicht in Bayern stehen, sondern irgendwo im Norden?

    Flachsbarth: Nein! Das ist ja noch mal eine andere Dimension, denn was wir jetzt im Moment suchen, ist tatsächlich ein Zwischenlager für einen sehr umschriebenen Zeitraum: 10 Jahre, 15 Jahre, vielleicht noch ein bisschen länger. Wir wollen versuchen, diese Dauer der Zwischenlagerung ja so kurz wie möglich zu halten. Aber was wir dann suchen ist ja ein Endlager, ich sage mal, für die Ewigkeit, und da spielt natürlich die Dimensionierung des Transportweges noch mal eine andere Rolle.

    Meurer: Wieso ist da ein Unterschied? Wieso spielen die Transportwege da keine Rolle?

    Flachsbarth: Wenn Sie sagen, wir suchen jetzt nur mal übergangsweise sozusagen ein Zwischenlager, dann ist das sicherlich etwas anderes, als wenn Sie sagen, wir suchen jetzt ein sicheres Endlager, wo der Atommüll für die nächsten 100.000, 200.000 Jahre lagern kann, und da haben wir gemeinsam in diesem Konzept des Endlagersuchgesetzes ja festgestellt und gesagt, da sollen wissenschaftliche Kriterien die ausschlaggebenden sein und nicht etwa die Länge des Transportweges von welchen Zwischenlagern auch immer zu diesem potenziellen Endlager.

    Meurer: Die Akzeptanz in der Bevölkerung, spielt die keine Rolle, dass man in Niedersachsen sagen wird, jetzt rollen die Castoren auch noch nach Unterweser?

    Flachsbarth: Natürlich spielt Akzeptanz in der Bevölkerung immer eine große Rolle. Das ist überhaupt gar keine Frage. Aber die Akzeptanz in der Bevölkerung ist natürlich in Schleswig-Holstein oder in Baden-Württemberg auch nicht automatisch gegeben, sondern da bedarf es einer klugen politischen Führung, letztendlich zu sagen, um des großen Ganzen willen, was wir wollen, nämlich einen Neuanfang in der Endlagersuche, ist es jetzt erforderlich, dass wir entsprechend auch unseren Teil an Verantwortung tatsächlich übernehmen und diese Zwischenlagerung ermöglichen.

    Meurer: Wird man sich nach der Bundestagswahl einigen über die sechs Castoren?

    Flachsbarth: Ich hoffe, ehrlich gesagt, immer noch, dass man sich noch vor der Bundestagswahl einigt.

    Meurer: Wäre es so schlimm, wenn die Einigung nicht jetzt erfolgt?

    Flachsbarth: Na ja. Die Frage, die ja verbunden worden ist mit der Suche nach diesem Zwischenlager, ist, ob wir denn dieses Endlagersuchgesetz überhaupt noch in dieser Legislaturperiode, heißt also in dieser beziehungsweise in der nächsten Sitzungswoche, verabschieden können und der Bundesrat dann dieses Gesetz entsprechend billigt. Wenn das in dieser Legislaturperiode nicht mehr passiert, dann würde dieses Gesetz, wie alle anderen auch, der Diskontinuität anheimfallen. Das heißt also, man müsste in der nächsten Legislaturperiode wieder ganz neu anfangen.

    Meurer: Aber man kann ja da anknüpfen, wo man aufgehört hat?

    Flachsbarth: Ja, das ist so eine Geschichte, wissen Sie. Bis wir wieder anfangen, tatsächlich zu arbeiten – wir wählen am 22.9., wie inzwischen allgemein bekannt ist; bis dann Koalitionsverhandlungen stattgefunden haben, der neue Bundestag sich konstituiert hat, die Besetzung der Ausschüsse stattgefunden hat -, vor Anfang nächsten Jahres fängt die reelle Gesetzgebungsarbeit nicht wieder an. Und es ist schwierig, einen Konsens, der jetzt getroffen worden ist, dann tatsächlich über eine so lange Zeit zu konservieren. Sie dürfen nicht vergessen: Wir haben auf Bundesebene vier Fraktionen, die im Moment beisammen sind, und 16 Bundesländer, die dem prinzipiell zugestimmt haben. Und man merkt schon, wie schwierig das ist, selbst auf Grundlage dieses Konsenses dann Schritt für Schritt weiterzugehen, und ich habe einfach Sorge, dass wir dann eben nicht auf dem Diskussionsstand heute wieder anfangen würden, sondern möglicherweise auf einem Diskussionsstand, der schon weit hinter uns liegt. Deshalb bin ich so sehr daran interessiert, dass wir dieses Gesetz tatsächlich noch in dieser Legislatur verabschieden.

    Meurer: Bundesregierung und Ministerpräsidenten reden heute über das Endlagersuchgesetz und die Frage, wohin mit den Castoren. Darüber sprach ich mit Maria Flachsbarth, CDU-Politikerin aus Niedersachsen und ehemalige Vorsitzende des Gorleben-Untersuchungsausschusses. Danke, Frau Flachsbarth, auf Wiederhören!

    Flachsbarth: Ich danke Ihnen – auf Wiederhören!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.