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Flächendeckende Videoüberwachung
Streit um Kontrolle von Diesel-Fahrverboten

Für die Verbrechensbekämpfung verboten, für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten vielleicht demnächst erlaubt: elektronische Massenüberwachung. Das irritiert nicht nur den Vorsitzenden der Polizeigewerkschaft Oliver Malchow. Die Grünen werben für eine einfachere Lösung zur Kontrolle von Diesel-Fahrverboten.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 22.11.2018
    Fünf Videokameras hängen in Duisburg an einem Laternenpfahl.
    Mit Videotechnik Ordnungswidrigkeiten verfolgen: Kameras sollen die Einhaltung der Diesel-Fahrverbote überwachen (pa/dpa/Weihrauch)
    Eine für Diesel gesperrte A40 mitten im verkehrsumtosten Ruhrgebiet, immer mehr gerichtlich angeordnete Fahrverbote in deutschen Innenstädten und zunehmend beunruhigte Autofahrer: 2019 könnte zum Annus horribilis für die deutsche Verkehrspolitik werden. Ressort-Chef Andreas Scheuer versucht, die Gemüter zu beruhigen: "Die Bürgerinnen und Bürger brauchen Planungssicherheit. Die Verärgerung, die Unzufriedenheit und die Enttäuschung, die müssen wir mit politischem Handeln wegbringen."
    Verkehrsminister verteidigt Videoüberwachung
    Wegbringen möchte der CSU-Politiker auch die massive Kritik, die im nicht enden wollenden Dieselskandal wieder einmal auf ihn einprasselt. Dieses Mal geht es um die Frage, wie künftige Fahrverbote eigentlich überprüft werden sollen. Das Bundesverkehrsministerium will dafür das Straßenverkehrsgesetz ändern, mittels einer elektronischen Massenüberwachung: "Hier handelt es sich um ein Angebot für eine effiziente, automatisierte Verkehrskontrolle, die die Kommunen annehmen können. Wir machen das übrigens auch auf Wunsch der Länder und Kommunen, weil sie sich eine bundeseinheitliche Regelung gewünscht haben vom Bund."
    Städtetags-Geschäftsführer Helmut Dedy widerspricht scharf, und auch in den von Fahrverboten künftig betroffenen Bundesländern ist der Unmut groß. Wieder werden Vorwürfe laut, dass der Bund die Länder und Kommunen beim Diesel-Desaster im Stich lasse. Doch der Verkehrsminister kontert: "Wir werden genauso überprüfen, dass die Kommunen mitverantwortlich sind, dass die Bürgerinnen und Bürger Auto-mobil bleiben. Wenn ich allein sehe, dass in Kommunen noch Sightseeing-Busse aus den 70er und 80er-Jahren rumfahren - hier in Berlin-Mitte, wo man die Partikelfilter wahrscheinlich einzeln rauszählen kann-, dann habe ich dafür kein Verständnis."
    "Das versteht doch kein Mensch"
    Doch Hauptstreitpunkt bleibt die geplante Kameraüberwachung. Die zuständigen Behörden sollen künftig Daten von Dieselfahrzeugen erheben und speichern dürfen. Und auf das Zentrale Fahrzeugregister zugreifen können. So sieht es der Gesetzentwurf der Bundesregierung vor. Oliver Malchow, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, ist sprachlos:
    "Bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr gehen wir diesen Schritt und machen flächendeckende Videografie. Und bei der Bekämpfung von Kriminalität, wo die Menschen viel mehr bedroht sind, machen wir es nicht. Das versteht doch kein Mensch", so Malchow gegenüber der ARD. Autofahrer würden damit pauschal kriminalisiert.
    Grüne plädieren für blaue Plakette
    Auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sieht den Datenschutz in Gefahr und schlägt deshalb die Einführung einer blauen Plakette vor: "Es ist absurd, dass sich dieser Verkehrsminister, bloß weil ausgerechnet diese komischen Grünen das fordern - deswegen kann ich es nicht übernehmen? Warum nicht einfach etwas simples: Blaue Plakette, Sichtkontrolle - zack, die Sache hat sich."
    Union und SPD lehnen die Blaue Plakette allerdings strikt ab. Der umstrittene Gesetzentwurf zur elektronischen Überwachung von Diesel-PKW wurde bereits Anfang November vom Kabinett verabschiedet und wird nun im Bundestag beraten.