Birke: Herr Brandner, wir haben gerade gehört, es gibt einige Wirtschaftsforschungsinstitute, die diagnostizieren bis zu sieben Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen für Bund, Länder und Kommunen in diesem Jahr. Rückt damit die Einhaltung des Maastricht-Neuverschuldungskriteriums von drei Prozent Nettoneuverschuldung in immer weitere Ferne?
Brandner: Ich baue darauf nicht, weil ich nach wie vor davon ausgehe, dass die Maastrichtkriterien 2005 gehalten werden können, insbesondere wenn es gelingt, das, was beim Jobgipfel abgesprochen worden ist, und die 20 Maßnamen, die bei der Agenda 2010 eine Rolle spielen, umzusetzen. Dazu bedarf es auch der Mithilfe der Union.
Birke: Die schnelle Umsetzung dieser Maßnahmen vom Jobgipfel wird allerdings mit mittelfristiger Wirkung diagnostiziert. Das Deutsche Institut für Wirtschaft hat jetzt zwar keinen Rückfall in die Stagnation prognostiziert, aber nach der Frühjahrsumfrage - die Ergebnisse haben wir gerade gehört - eine eher gedämpfte Erwartung der Konjunktur doch skizziert. Wie soll das dann möglich sein?
Brandner: Es ist so, dass wir natürlich wissen, dass Wirtschaft auch nicht unwesentlich von der Psychologie mit abhängt. Deshalb glaube ich schon, dass es ganz wichtig ist, dass es bei zügigen Entscheidungen hinsichtlich der vorgeschlagenen Maßnahmen einen weiteren Konjunkturimpuls geben wird. Wir wissen auf der anderen Seite, dass das Kaufverhalten in den ersten Monaten dieses Jahres nicht so ungünstig gewesen ist. Es kommt jetzt insbesondere darauf an, dass auch die Möglichkeiten, die für Investitionen vorgesehen sind, auch im kommunalen Bereich, offensiver genutzt werden, und ich plädiere sehr dafür, dass auch privates Kapital, zum Beispiel in Form von privaten Partnerschaften, also von öffentlich-privaten Partnerschaften stärker genutzt wird für Investitionstätigkeiten im kommunalen Bereich. Das sind wesentliche Hinweise, die mithelfen können, die Wirtschaft stärker in Gang zu bringen.
Birke: Brauchen wir nicht trotzdem ein 20-Milliarden-Sofortkonjunkturprogramm für Bildung, Forschung und Infrastruktur wie es gerade der ver.di-Chef Frank Bsirske heute noch mal gefordert hat?
Brandner: Also insgesamt gesehen, ist die Richtung ja genau in der Orientierung, die Herr Bsirske vorsieht, nur ist nicht so viel freies Kapital dafür vorhanden. Sie haben die Maastrichtkriterien angesprochen, der Finanzminister und der Kanzler haben sich für eine Auflockerung der Kriterien eingesetzt, aber dabei werden keine 20 Milliarden zu Stande kommen.
Birke: Wie viel dann?
Brandner: Wir werden das, was wir an Spielräumen zur Zeit haben, offensiv nutzen können. Es wird kein Sonderprogramm geben, sondern die Grundrichtung muss beibehalten bleiben, nämlich Stabilität mit Wachstumsimpulsen zu verbinden. Dieser Kurs ist letztlich auch ein Kurs der Verlässlichkeit, der deutlich werden muss. Wir dürfen keinen Zickzackkurs fahren, das wäre konjunkturpolitisch kontraproduktiv. Deshalb die politische Richtung von Bsirske, investieren in Forschung, Bildung, Entwicklung, ist absolut richtig, sowohl was den personellen Bereich anbelangt, was Lehrpersonen anbelangt, was Tagesbetreuung anbelangt, als auch in die technische Infrastruktur und die Gebäudeinfrastruktur. Das ist notwendig, aber in dem Rahmen, wie uns Mittel zur Verfügung stehen.
Birke: Wie viel ist der Rahmen?
Brandner: Insgesamt gesehen, sieht der Haushalt dafür Maßnahmen vor. Ich habe die Zahlen auf Heller und Euro jetzt nicht präsent, aber im Bereich der 20 Punkte, die der Kanzler vorgeschlagen hat, ist im Bereich des Innovationsprogramms für den Mittelstand ein entsprechendes Kreditangebot vorgesehen, da ist letztlich vorgesehen, dass durch die Körperschafts- und die Gewerbesteuersenkung bei Personengesellschaften die Finanzkraft im Unternehmensbereich gestärkt wird. Das kommt aber auch drauf an, dass die Infrastruktur, die Verkehrsinfrastruktur dadurch gestärkt wird, dass ja ein Programm aufgelegt wird von zwei Milliarden für vier Jahre. Damit sind Baumaßnahmen schneller umsetzbar. Das PPP-Beschleunigungsgesetz ist ein weiteres Stichwort, was die schnellere Umsetzung von Hochbau- und Verkehrsprojekten und die Erschließung eines höheren Investitionspotentials im öffentlichen Bereich vorsieht. Das sind Dinge, die letztlich materiell mithelfen, die notwendigen Investitionen auch in Gang zu setzen.
Birke: Diese Investitionen werden allerdings wohl erst mittelfristig greifen. Wir haben Rekordarbeitslosigkeit, fünf Millionen und mehr. Deshalb wird aktuell über den Mindestlohn diskutiert. Brauchen wir einen generellen Mindestlohn oder einen branchenspezifischen, um Lohndumping zu stoppen?
Brandner: Also zur Absicherung der Arbeitsbedingungen sind gesetzliche Maßnahmen erforderlich. Das haben wir in der Vergangenheit auch schon durch das Entsendegesetz aufgegriffen.
Birke: Sollte das dann vom Bau auf andere Bereiche ausgedehnt werden?
Brandner: Das wäre die sinnvollste Ebene, nämlich da zu schauen, dass im Rahmen der tarifvertraglichen Gestaltung überlegt wird, wie man dort die Dinge aufgreifen kann, branchenspezifisch aufgreifen kann da, wo man es machen muss, wo es sinnvoll ist, wo es die Tarifvertragsparteien beantragen. Das ist eine Regelung, die sich im Kontext der Tarifautonomie bewegt, die würde ich sehr begrüßen, dass man die Orientierung dahin lenkt, wo unsere Stärke auch in der Vergangenheit gelegen hat, nämlich einen Rahmen einer starken Tarifautonomie und nicht zu sehr, dass der Gesetzgeber die Tarifskompetenz für alle Bereiche an sich zieht. Branchenspezifische Regelungen sind allemal sinnvoller als eine generelle einheitliche Regelung.
Birke: Aber würde das nicht letztendliche diese berühmten Ein-Euro-Jobs vernichten?
Brandner: Nein, die Ein-Euro-Jobs sind ja auch keine Jobs, sie sind im politischen Duktus viel zu hoch gehangen worden. Wir haben 120.000 zur Zeit, die befristet auf sechs Monate sind. Es sind Übergangsregelungen. Es ist kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis. Es ist immer verbunden mit Qualifizierungsanteilen. Insofern ist dieser Duktus, Ein-Euro-Jobs als Billiglohn flächendeckend einzuführen, eine völlig falsche Orientierung. Wir brauchen einen vernünftigen Zuverdienst, und dazu haben wir entsprechende Vorschläge entwickelt. Ich habe es in den letzten Tagen nochmals deutlich gemacht, die ersten 100 Euro sollen frei bleiben, und dann soll es einen festen Prozentsatz vom Bruttoverdienst geben, der könnte in einer Größenordnung liegen zum Beispiel von 20 Prozent. Die Größenordnung muss ausgehandelt werden. Dazu hat man einen Anreiz, der kalkulierbar ist, der transparent ist, wo diejenigen, die heute nicht beschäftigt sind, auch in nicht zu hoch qualifizierten oder nicht zu hoch produktiven Bereichen Arbeitsanreize haben. Damit muss man in diesem Bereich arbeiten, nicht dass man meint, mit einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, der für alles eine Antwort findet, wäre die Lösung gefunden. Ich spreche mich sehr für branchenspezifische Lösungen aus.
Bírke: Vielen Dank für das Gespräch.
Brandner: Ich baue darauf nicht, weil ich nach wie vor davon ausgehe, dass die Maastrichtkriterien 2005 gehalten werden können, insbesondere wenn es gelingt, das, was beim Jobgipfel abgesprochen worden ist, und die 20 Maßnamen, die bei der Agenda 2010 eine Rolle spielen, umzusetzen. Dazu bedarf es auch der Mithilfe der Union.
Birke: Die schnelle Umsetzung dieser Maßnahmen vom Jobgipfel wird allerdings mit mittelfristiger Wirkung diagnostiziert. Das Deutsche Institut für Wirtschaft hat jetzt zwar keinen Rückfall in die Stagnation prognostiziert, aber nach der Frühjahrsumfrage - die Ergebnisse haben wir gerade gehört - eine eher gedämpfte Erwartung der Konjunktur doch skizziert. Wie soll das dann möglich sein?
Brandner: Es ist so, dass wir natürlich wissen, dass Wirtschaft auch nicht unwesentlich von der Psychologie mit abhängt. Deshalb glaube ich schon, dass es ganz wichtig ist, dass es bei zügigen Entscheidungen hinsichtlich der vorgeschlagenen Maßnahmen einen weiteren Konjunkturimpuls geben wird. Wir wissen auf der anderen Seite, dass das Kaufverhalten in den ersten Monaten dieses Jahres nicht so ungünstig gewesen ist. Es kommt jetzt insbesondere darauf an, dass auch die Möglichkeiten, die für Investitionen vorgesehen sind, auch im kommunalen Bereich, offensiver genutzt werden, und ich plädiere sehr dafür, dass auch privates Kapital, zum Beispiel in Form von privaten Partnerschaften, also von öffentlich-privaten Partnerschaften stärker genutzt wird für Investitionstätigkeiten im kommunalen Bereich. Das sind wesentliche Hinweise, die mithelfen können, die Wirtschaft stärker in Gang zu bringen.
Birke: Brauchen wir nicht trotzdem ein 20-Milliarden-Sofortkonjunkturprogramm für Bildung, Forschung und Infrastruktur wie es gerade der ver.di-Chef Frank Bsirske heute noch mal gefordert hat?
Brandner: Also insgesamt gesehen, ist die Richtung ja genau in der Orientierung, die Herr Bsirske vorsieht, nur ist nicht so viel freies Kapital dafür vorhanden. Sie haben die Maastrichtkriterien angesprochen, der Finanzminister und der Kanzler haben sich für eine Auflockerung der Kriterien eingesetzt, aber dabei werden keine 20 Milliarden zu Stande kommen.
Birke: Wie viel dann?
Brandner: Wir werden das, was wir an Spielräumen zur Zeit haben, offensiv nutzen können. Es wird kein Sonderprogramm geben, sondern die Grundrichtung muss beibehalten bleiben, nämlich Stabilität mit Wachstumsimpulsen zu verbinden. Dieser Kurs ist letztlich auch ein Kurs der Verlässlichkeit, der deutlich werden muss. Wir dürfen keinen Zickzackkurs fahren, das wäre konjunkturpolitisch kontraproduktiv. Deshalb die politische Richtung von Bsirske, investieren in Forschung, Bildung, Entwicklung, ist absolut richtig, sowohl was den personellen Bereich anbelangt, was Lehrpersonen anbelangt, was Tagesbetreuung anbelangt, als auch in die technische Infrastruktur und die Gebäudeinfrastruktur. Das ist notwendig, aber in dem Rahmen, wie uns Mittel zur Verfügung stehen.
Birke: Wie viel ist der Rahmen?
Brandner: Insgesamt gesehen, sieht der Haushalt dafür Maßnahmen vor. Ich habe die Zahlen auf Heller und Euro jetzt nicht präsent, aber im Bereich der 20 Punkte, die der Kanzler vorgeschlagen hat, ist im Bereich des Innovationsprogramms für den Mittelstand ein entsprechendes Kreditangebot vorgesehen, da ist letztlich vorgesehen, dass durch die Körperschafts- und die Gewerbesteuersenkung bei Personengesellschaften die Finanzkraft im Unternehmensbereich gestärkt wird. Das kommt aber auch drauf an, dass die Infrastruktur, die Verkehrsinfrastruktur dadurch gestärkt wird, dass ja ein Programm aufgelegt wird von zwei Milliarden für vier Jahre. Damit sind Baumaßnahmen schneller umsetzbar. Das PPP-Beschleunigungsgesetz ist ein weiteres Stichwort, was die schnellere Umsetzung von Hochbau- und Verkehrsprojekten und die Erschließung eines höheren Investitionspotentials im öffentlichen Bereich vorsieht. Das sind Dinge, die letztlich materiell mithelfen, die notwendigen Investitionen auch in Gang zu setzen.
Birke: Diese Investitionen werden allerdings wohl erst mittelfristig greifen. Wir haben Rekordarbeitslosigkeit, fünf Millionen und mehr. Deshalb wird aktuell über den Mindestlohn diskutiert. Brauchen wir einen generellen Mindestlohn oder einen branchenspezifischen, um Lohndumping zu stoppen?
Brandner: Also zur Absicherung der Arbeitsbedingungen sind gesetzliche Maßnahmen erforderlich. Das haben wir in der Vergangenheit auch schon durch das Entsendegesetz aufgegriffen.
Birke: Sollte das dann vom Bau auf andere Bereiche ausgedehnt werden?
Brandner: Das wäre die sinnvollste Ebene, nämlich da zu schauen, dass im Rahmen der tarifvertraglichen Gestaltung überlegt wird, wie man dort die Dinge aufgreifen kann, branchenspezifisch aufgreifen kann da, wo man es machen muss, wo es sinnvoll ist, wo es die Tarifvertragsparteien beantragen. Das ist eine Regelung, die sich im Kontext der Tarifautonomie bewegt, die würde ich sehr begrüßen, dass man die Orientierung dahin lenkt, wo unsere Stärke auch in der Vergangenheit gelegen hat, nämlich einen Rahmen einer starken Tarifautonomie und nicht zu sehr, dass der Gesetzgeber die Tarifskompetenz für alle Bereiche an sich zieht. Branchenspezifische Regelungen sind allemal sinnvoller als eine generelle einheitliche Regelung.
Birke: Aber würde das nicht letztendliche diese berühmten Ein-Euro-Jobs vernichten?
Brandner: Nein, die Ein-Euro-Jobs sind ja auch keine Jobs, sie sind im politischen Duktus viel zu hoch gehangen worden. Wir haben 120.000 zur Zeit, die befristet auf sechs Monate sind. Es sind Übergangsregelungen. Es ist kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis. Es ist immer verbunden mit Qualifizierungsanteilen. Insofern ist dieser Duktus, Ein-Euro-Jobs als Billiglohn flächendeckend einzuführen, eine völlig falsche Orientierung. Wir brauchen einen vernünftigen Zuverdienst, und dazu haben wir entsprechende Vorschläge entwickelt. Ich habe es in den letzten Tagen nochmals deutlich gemacht, die ersten 100 Euro sollen frei bleiben, und dann soll es einen festen Prozentsatz vom Bruttoverdienst geben, der könnte in einer Größenordnung liegen zum Beispiel von 20 Prozent. Die Größenordnung muss ausgehandelt werden. Dazu hat man einen Anreiz, der kalkulierbar ist, der transparent ist, wo diejenigen, die heute nicht beschäftigt sind, auch in nicht zu hoch qualifizierten oder nicht zu hoch produktiven Bereichen Arbeitsanreize haben. Damit muss man in diesem Bereich arbeiten, nicht dass man meint, mit einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, der für alles eine Antwort findet, wäre die Lösung gefunden. Ich spreche mich sehr für branchenspezifische Lösungen aus.
Bírke: Vielen Dank für das Gespräch.