Samstag, 20. April 2024

Archiv


Flath: Wertkonservative in der CDU sollten sich zu Wort melden

Steffen Flath, Fraktionsvorsitzender der CDU im sächsischen Landtag, ist Mitverfasser eines Strategiepapiers. Darin fordert er die aktive Auseinandersetzung mit der Parteigründung Alternative für Deutschland (AfD). Man müsse "die möglichen Wähler ernst zu nehmen", fordert er.

Steffen Flath im Gespräch mit Christine Heuer | 13.05.2013
    Christine Heuer: Sie haben offenbar die Nase voll. Die Konservativen in der CDU werfen ihrer Parteichefin vor, sich nicht genug gegen die Alternative für Deutschland zu positionieren. Drei von ihnen, die Fraktionschefs in Hessen, Thüringen und Sachsen, fordern jetzt in einem Strategiepapier Abhilfe. Die Herausforderung durch die AfD, heißt es darin, müsse ernst genommen werden. Angela Merkel müsse die konservative Kompetenz der Union selbstbewusster herausstellen, auch aus wahlstrategischen Gründen, denn "ein signifikanter Verlust von Stimmen an die Alternative für Deutschland hilft möglicherweise SPD und Grünen zur Regierung".

    - Einen der Autoren begrüße ich jetzt am Telefon: den CDU-Fraktionsvorsitzenden im sächsischen Landtag. Guten Morgen, Steffen Flath.

    Steffen Flath: Schönen guten Morgen, Frau Heuer!

    Heuer: Die Alternative für Deutschland, Herr Flath, ist ja für vieles, wofür die Konservativen in der Union eigentlich auch sind, also Sie zum Beispiel. Was haben Sie gegen diese Partei?

    Flath: Wir haben in der Union, also die Konservativen, uns über Jahre hinweg immer wieder zu Wort gemeldet, weil wir befürchteten, dass immer mehr Konservative nicht mehr zu den Wahlen gehen, nicht mehr an Wahlen teilnehmen. Und wir hatten immer befürchtet, dass es da eine Neugründung einer bürgerlichen Partei gibt. Das ist mittlerweile geschehen, das bedauern wir. Und jetzt steht die Frage, wie ist mit einer solchen Partei umzugehen. Hilft es, wenn man sie meidet, verschweigt, sich mit deren Argumenten nicht auseinandersetzt. Oder ist es nicht jetzt das Gebot der Stunde, sich offensiv auseinanderzusetzen, um auch deren mögliche Wähler für die Union im Wahlkampf dann zu gewinnen, weil solche Stimmen können durchaus wahlentscheidend sein.

    Heuer: Herr Flath, aber die Alternative für Deutschland liegt in allen Umfragen unter fünf Prozent. Bei der Bayern-Wahl tritt sie wegen des erwarteten Misserfolgs erst gar nicht an. Redet man so eine Partei nicht auch hoch, indem man sie thematisiert, was Sie jetzt von Angela Merkel verlangen?

    Flath: Das ist durchaus auch ein Argument, was zu beachten ist. Nur was Umfragen betrifft, da haben die letzten Wahlen doch gelehrt, dass Umfragen insbesondere jetzt bei Parteien, die so im einstelligen%bereich liegen, nicht sonderlich verlässlich sind. Und wenn man an die Alternative für Deutschland denkt, dann sind die Antworten vielleicht nicht richtig. Da würde ich mich durchaus auch so positionieren. Aber die Fragen, die die Alternative für Deutschland stellt in Bezug auf Stabilität unserer Währung, Zukunft der Europäischen Union überhaupt, das sind durchaus mehrheitsfähige Fragen in der Bevölkerung, die diskutiert werden. Und deshalb halte ich es für vernünftig, sich mit der AfD zu beschäftigen, sie ernst zu nehmen, aber viel mehr die möglichen Wähler ernst zu nehmen. Das ist überhaupt, denke ich, eine konservative Tugend und das sollten wir auch in diesem Bundestagswahlkampf tun.

    Heuer: Herr Flath, was genau soll die Kanzlerin denn jetzt machen, sich in eine Talkshow mit AfD-Sprecher Bernd Lucke setzen?

    Flath: Das wird Angela Merkel nicht tun. Ich finde überhaupt, dass sie einen ziemlich schwierigen Job derzeit zu erledigen hat, weil sie muss regieren, sie muss in Europa Fehler der Vergangenheit, für die sie selbst nicht Verantwortung trägt, korrigieren. Und sie ist in einer Situation, wo jedes Wort von ihr zum Euro, zur Europäischen Union in anderen Ländern sehr, sehr heftig diskutiert wird. Und deshalb ist es, glaube ich, auch richtig, wenn man zu einer gewissen Arbeitsteilung kommt. Und da halte ich durchaus die Stimmen aus den Ländern – und Hessen, Thüringen und Sachsen sind drei solche durchaus auch konservativ regierte Länder - und ich glaube, in dieser Arbeitsteilung, deshalb haben wir uns auch entschlossen, jetzt diese Diskussion zu führen, ...

    Heuer: Herr Flath, Entschuldigung! Arbeitsteilung – verstehe ich das richtig? Merkel soll sich um den Euro kümmern und Sie kümmern sich um die Konservativen?

    Flath: Das wäre jetzt vielleicht sehr zugespitzt, aber eine solche Arbeitsteilung wäre immer sinnvoll, allemal sinnvoller, als jetzt Angela Merkel die Aufgabe, die sie ohnehin hat, machen zu lassen und dann in den Ländern vor sich hinzuschweigen. Das war nie unsere Ansicht und genau deshalb diskutieren wir und beteiligen wir uns an dieser Auseinandersetzung in Deutschland.

    Heuer: Sie haben ein Forum als Konservative in der CDU, auch im Bund. Dieses Forum heißt Berliner Kreis, Sie sind da Mitglied. Dieser Kreis hat es letztes Jahr nicht einmal geschafft, ein Gründungsmanifest zu verabschieden. Herr Flath, liegt es nicht an Ihnen selbst, wenn konservative Positionen zu wenig Gehör finden?

    Flath: Ja, das liegt durchaus an Konservativen selbst, weil es ist immer eine Möglichkeit, sich da nicht nur zu beteiligen, auch eine Möglichkeit, enttäuscht aus der CDU auszutreten. Einen solchen Weg habe ich selbst nie gewählt, sondern ich habe es für besser gefunden, innerhalb der CDU die Auseinandersetzung zu suchen. Dass da im Berliner Kreis im letzten Jahr manches nicht wunschgemäß gelaufen ist, da haben Sie durchaus Recht. Aber was hilft es, da zu schweigen. Es ist eigentlich wichtiger jetzt, den Leuten Mut zu machen. Und ich glaube, die Diskussionskultur in unserem Land ist durchaus verbesserungswürdig. Ich wünschte mir viel mehr auch strittige Positionen in der Öffentlichkeit und deshalb haben wir jetzt das Beispiel Alternative für Deutschland. Und ich werbe für eine offensive Auseinandersetzung mit dieser Partei, weil sie dem bürgerlichen Lager bei Wahlen scheiden kann.

    Heuer: Dabei haben Sie so viele Schnittmengen mit der AfD, Herr Flath. Haben Sie schon mal über einen Wechsel nachgedacht?

    Flath: Nein!

    Heuer: Nein?

    Flath: Das kommt für mich nicht infrage, weil dann würde ich ja die CDU schwächen und ich will, dass die CDU in Deutschland weiterhin regiert.

    Heuer: Und das mit Wolfgang Schäuble im Spitzenteam, der zuletzt gesagt hat, das Familiensplitting solle auch für homosexuelle Paare gelten. Dann müssen sich Ihnen doch alle Nackenhaare aufstellen?

    Flath: Sofern ich da noch Haare habe, dann ist das manchmal so in der Diskussion. Aber da hilft ja nur eines: dagegen zu halten. Mich hat das schon auch gewundert, die Haltung von Wolfgang Schäuble, aber die muss er selbst vertreten. Auf der anderen Seite, will ich nur sagen, schätze ich natürlich Wolfgang Schäuble, was gerade die Auseinandersetzung um die Stabilisierung des Euro anbetrifft. Da ist er ein wichtiger Eckpfeiler unserer Politik. Und ansonsten streitet man und das tue ich ja auch, weil ich sehe das mit dem Ehegattensplitting für richtig, wie es jetzt geregelt ist. Ich halte den Weg in Richtung Familiensplitting für einen gangbaren Weg, aber das muss inhaltlich so gemacht werden, dass Familien dann nicht benachteiligt werden, sondern dass Familien mit Kindern gerechter behandelt werden als bisher. Und so sollte sich jeder in der CDU, der wertkonservativ denkt, zu Wort melden, an der Diskussion beteiligen. Und ich glaube, viel mehr im Land erwarten das und wundern sich, dass so viel geschwiegen wird zu wichtigen Grundsatzfragen und so eben auch zur Stabilität des Euros.

    Heuer: Und die sollen jetzt den Konservativen in den Ländern zuhören. – Herr Flath, kurz zum Schluss. Wenn die AfD sich langfristig etabliert, dann wäre das am Ende doch vielleicht auch ein ganz guter Bündnisgenosse für die Union. Setzen Sie bei aller Kritik vielleicht auch Hoffnungen in diese neue Partei?

    Flath: Also über Bündnisse ist man generell gut beraten, frühestens am Wahlabend nachzudenken, ...

    Heuer: Na ist ja nur ganz allgemein gesprochen!

    Flath: ..., oder sich dann auch öffentlich zu äußern. Ansonsten halte ich die AfD für eine Schwächung des bürgerlichen Lagers, für eine Gefahr, denn sie könnte möglicherweise die entscheidenden Stimmen an sich binden, die dann gebraucht werden für eine Regierungsbildung gegen SPD, gegen Grüne. Und deshalb halte ich sie für durchaus eine Gefahr. Man sollte sie nicht überbewerten, das ist richtig, aber um die möglichen Wähler der AfD sollte man sich sehr bemühen und öffentliche Diskussionen führen. Das machen wir in Sachsen, in Thüringen und in Hessen und ich würde mich freuen, andere Bundesländer würden sich dem anschließen.

    Heuer: Steffen Flath, der CDU-Fraktionsvorsitzende im sächsischen Landtag. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Flath.

    Flath: Bitte schön!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.