Friedbert Meurer: Es war vor drei oder vier Jahren, da sorgte damals die Vogelgrippe wochenlang hierzulande und weltweit für Aufregung. Letzten Endes ist sie aber eher glimpflich verlaufen. Ob damals überhaupt Menschen an der Vogelgrippe gestorben sind, das ist bis heute unter den Wissenschaftlern eher umstritten. Aber eines muss man jetzt doch festhalten: ein wichtiger Unterschied zwischen der Vogelgrippe und der Schweinegrippe besteht darin, dass bei der Schweinegrippe das Virus von Mensch zu Mensch übertragen werden kann. Bei der Vogelgrippe war man nur dann gefährdet und ausschließlich dann, wenn man unmittelbar Kontakt zu kranken Vögeln hatte.
Zur Situation jetzt hier in Deutschland beziehungsweise genauer gesagt in Bayern gab es heute Morgen Informationen.
Drei Fälle von Schweinegrippe gelten als bestätigt, zwei davon in Bayern. Das ist Anlass für die Behörden, die Krankheit ernst zu nehmen und entsprechende Vorkehrungen zu treffen. - Bei mir im Studio begrüße ich jetzt Christian Floto. Er ist der Moderator unserer Sendung "Sprechstunde" und selbst Arzt. Guten Tag, Herr Floto.
Christian Floto: Schönen guten Tag, Herr Meurer.
Meurer: Prophezeien kann ja niemand, Sie vermutlich auch nicht. Trotzdem Ihr Gefühl oder Ihre Einschätzung: Wie groß ist die Gefahr, dass sich das Virus in Deutschland ausbreiten wird?
Floto: Wir sollten Gefühl für Relativität bei aller Wachsamkeit, die ja auch von den Gesundheitspolitikern eingefordert wird, zum Glück eingefordert wird, bewahren. Wir sollten schauen: Wie verlaufen die Krankheitsfälle im Moment? Wir können das in Kalifornien beobachten, wir haben Informationen aus anderen Ländern und wir gewinnen ein Bild von der Pathogenität, also von den krankmachenden Eigenschaften dieses Virus, und es scheint so zu sein, dass die meisten Krankheitsverläufe nicht so schlimm sind. Es gibt auch wohl Durchfall, Erbrechen mit dabei, was nicht bei jeder Influenza-Erkrankung mit sein muss. Das scheint hier häufiger zu sein. Aber insgesamt scheinen die Krankheitsverläufe etwas milder zu sein.
Meurer: Das heißt, es besteht die Chance, dass das Virus gar nicht so gefährlich ist?
Floto: Es ist mit Sicherheit gefährlich wie jedes Influenza-Virus für bestimmte Risikopatienten, also Vorgeschädigte mit Atemwegserkrankungen, wahrscheinlich auch für junge, sehr junge Menschen, und überhaupt die Gefährlichkeit dieses Virustyps resultiert daraus, dass die Menschheit damit sich noch nie auseinandergesetzt hat. Das ist eine genetische Neukombination, die dort entstanden ist, und wir sind immunologisch ungeschützt. Es gibt keinerlei immunologische Vorerfahrung in der Menschheit.
Meurer: Wenn Sie so hören, Herr Floto, was im Moment alles getan wird, angeordnet wird, untersucht wird, wird das Richtige getan im Augenblick, um eine Ausbreitung dieser Krankheit, des Virus zu verhindern?
Floto: Ich habe insgesamt den Eindruck. Man blickt jetzt auf die Faktoren besonders kritisch - und das ist richtig -, über die sich eine Pandemie am leichtesten entwickeln könnte. Das größte Problem ist: Dieses Virus hat keinen Zwischenwirt, sondern wird von Mensch zu Mensch direkt weitergegeben, und die Mobilität in unserer Gesellschaft ist das besonders große Problem. Menschen, die jetzt hin- und herfliegen und möglicherweise dieses Virus schon in sich tragen, noch nicht erkrankt sind, aber es schon weitergeben können, die bilden ein ganz großes Problem und da wird man sehr wachsam sein müssen. Im Moment guckt man ja auf diejenigen Menschen, die aus diesem primären Infektionsgebiet kommen.
Meurer: Um es ganz drastisch zu sagen: Sollten alle, die aus Mexiko in Frankfurt ankommen, in Quarantäne kommen?
Floto: Das wäre sicherlich zum jetzigen Zeitpunkt völlig übertrieben, aber es ist richtig, dass man weiß, welche Menschen das sind und dass die ein hohes Risikobewusstsein haben.
Meurer: Was kann der einzelne tun? Impfen? Fangen wir damit an?
Floto: Womit, ist die große Frage.
Meurer: Mit dem normalen Impfstoff für Grippe?
Floto: Nein, das bringt überhaupt nichts. Der Impfstoff wird ja jährlich angepasst an die jeweils dann vorherrschende genetische Kombination. Dieses ist eine völlig neue genetische Kombination. Jeder hat schon gehört, diese Zusammensetzung H1N1, die bezieht sich auf die Konstellation zweier Proteine, die vom Virus gebildet werden und die die Pathogenität, also die krankmachende Eigenschaft bestimmen. Vor allen Dingen ist es dieses eine, nämlich das H. Das H steht für Hemagglutinin. Das ist eines dieser beiden Proteine. Das steht in Verbindung mit den besonders krankmachenden Eigenschaften. Diese Kombination hat es schon gegeben, in früheren Epidemien und auch Impfstoffen, aber wir dürfen nicht vergessen: Die genetische Neukombination liegt hierin vor, dass es ja aus Schwein, Vogel und Mensch zusammengesetzt ist. Das gab es noch nicht.
Meurer: Also: es gibt noch nicht den richtigen Impfstoff. Was ist mit Tamiflu? Oder es gibt auch ein zweites Medikament, Relenza.
Floto: Das sind die zwei Substanzen, die zur Verfügung stehen, und ich denke, das ist die beste Nachricht überhaupt, die es in diesem Zusammenhang gibt, dass wir therapeutische Möglichkeiten haben für diejenigen, die daran erkranken. Diese beiden Stoffe werden unterschiedlich eingenommen. Das Oseltamivir ist eine Tablette und das Zanamivir ist eine Substanz, die man inhalieren kann. Nach jetziger Erkenntnis helfen sie. Das Wichtigste ist, dass sie unmittelbar bei Erkrankungsbeginn auch genommen werden.
Meurer: Man bekommt, glaube ich, beide Mittel nur auf Rezept?
Floto: Nur auf Rezept, genau.
Meurer: Wer sollte sich dieses Rezept holen?
Floto: Ich denke, es ist sinnvoll, die Situation zu beobachten, wenn man reist. Ich selber plane, nach Kalifornien zu reisen, werde also dort sehr genau überlegen, ob ich mir vorsorglich etwas mitnehme oder sicherstellen kann, dass ich innerhalb von wenigen Stunden in den Besitz dieses Medikamentes kommen kann.
Meurer: Man nimmt es erst dann, wenn die Krankheit da ist?
Floto: Wenn die Symptome eindeutig sind, sollte blitzschnell gehandelt werden, und da sind, glaube ich, die Ärztinnen und Ärzte hier ganz besonders herausgefordert und es ist wichtig, keine Zeit verstreichen zu lassen. Das ist ja das größte Problem, dass da erst unnötig Zeit auch verloren geht. Die eine Substanz, die Tabletten, die Oseltamivir-Substanz, ist getestet worden auf ihre prophylaktische Wirkung und das ist im Prinzip bejaht worden. Trotzdem: Man möchte, weil man um Resistenzen weiß, diese Resistenzlage nicht fördern und außerdem gibt es unerwünschte Wirkungen. Auch die sollte man nicht einfach bei Seite schieben. Im Moment wäre es hier in Deutschland völlig sinnlos, daran zu denken.
Meurer: Pro Jahr sterben in Deutschland tausende an der normalen Grippe. Ist es völlig irrational, dass wir jetzt Angst haben vor der Schweinegrippe?
Floto: Es ist nicht irrational, sich auf eine mögliche Pandemie-Situation vorzubereiten. Das ist ja die Stufe 4, diese "pandemic preparedness", sich dort wachsam vorzubereiten, dass hier nicht eine sehr schwierige epidemische Weltlage dort entsteht. Auf der anderen Seite: Wenn Sie bedenken, das Robert-Koch-Institut beschreibt für das Jahr 2002/3 für die Influenza-Saison etwa 20.000 Todesfälle, mittelbar oder unmittelbar durch die damalige Influenza-Saison. Dann sollten wir uns ein Gefühl dafür bewahren, was schon normalerweise in jeder Influenza-Saison auch passieren kann, wie schwerwiegend diese Erkrankung auch für unsere Gesellschaft ist.
Meurer: Schönen Dank! - Das war Christian Floto, Leiter der Abteilung Wissenschaft und Bildung hier im Deutschlandfunk und Moderator der "Sprechstunde". Schönen Dank und auf Wiedersehen.
Floto: Tschüß.
Zur Situation jetzt hier in Deutschland beziehungsweise genauer gesagt in Bayern gab es heute Morgen Informationen.
Drei Fälle von Schweinegrippe gelten als bestätigt, zwei davon in Bayern. Das ist Anlass für die Behörden, die Krankheit ernst zu nehmen und entsprechende Vorkehrungen zu treffen. - Bei mir im Studio begrüße ich jetzt Christian Floto. Er ist der Moderator unserer Sendung "Sprechstunde" und selbst Arzt. Guten Tag, Herr Floto.
Christian Floto: Schönen guten Tag, Herr Meurer.
Meurer: Prophezeien kann ja niemand, Sie vermutlich auch nicht. Trotzdem Ihr Gefühl oder Ihre Einschätzung: Wie groß ist die Gefahr, dass sich das Virus in Deutschland ausbreiten wird?
Floto: Wir sollten Gefühl für Relativität bei aller Wachsamkeit, die ja auch von den Gesundheitspolitikern eingefordert wird, zum Glück eingefordert wird, bewahren. Wir sollten schauen: Wie verlaufen die Krankheitsfälle im Moment? Wir können das in Kalifornien beobachten, wir haben Informationen aus anderen Ländern und wir gewinnen ein Bild von der Pathogenität, also von den krankmachenden Eigenschaften dieses Virus, und es scheint so zu sein, dass die meisten Krankheitsverläufe nicht so schlimm sind. Es gibt auch wohl Durchfall, Erbrechen mit dabei, was nicht bei jeder Influenza-Erkrankung mit sein muss. Das scheint hier häufiger zu sein. Aber insgesamt scheinen die Krankheitsverläufe etwas milder zu sein.
Meurer: Das heißt, es besteht die Chance, dass das Virus gar nicht so gefährlich ist?
Floto: Es ist mit Sicherheit gefährlich wie jedes Influenza-Virus für bestimmte Risikopatienten, also Vorgeschädigte mit Atemwegserkrankungen, wahrscheinlich auch für junge, sehr junge Menschen, und überhaupt die Gefährlichkeit dieses Virustyps resultiert daraus, dass die Menschheit damit sich noch nie auseinandergesetzt hat. Das ist eine genetische Neukombination, die dort entstanden ist, und wir sind immunologisch ungeschützt. Es gibt keinerlei immunologische Vorerfahrung in der Menschheit.
Meurer: Wenn Sie so hören, Herr Floto, was im Moment alles getan wird, angeordnet wird, untersucht wird, wird das Richtige getan im Augenblick, um eine Ausbreitung dieser Krankheit, des Virus zu verhindern?
Floto: Ich habe insgesamt den Eindruck. Man blickt jetzt auf die Faktoren besonders kritisch - und das ist richtig -, über die sich eine Pandemie am leichtesten entwickeln könnte. Das größte Problem ist: Dieses Virus hat keinen Zwischenwirt, sondern wird von Mensch zu Mensch direkt weitergegeben, und die Mobilität in unserer Gesellschaft ist das besonders große Problem. Menschen, die jetzt hin- und herfliegen und möglicherweise dieses Virus schon in sich tragen, noch nicht erkrankt sind, aber es schon weitergeben können, die bilden ein ganz großes Problem und da wird man sehr wachsam sein müssen. Im Moment guckt man ja auf diejenigen Menschen, die aus diesem primären Infektionsgebiet kommen.
Meurer: Um es ganz drastisch zu sagen: Sollten alle, die aus Mexiko in Frankfurt ankommen, in Quarantäne kommen?
Floto: Das wäre sicherlich zum jetzigen Zeitpunkt völlig übertrieben, aber es ist richtig, dass man weiß, welche Menschen das sind und dass die ein hohes Risikobewusstsein haben.
Meurer: Was kann der einzelne tun? Impfen? Fangen wir damit an?
Floto: Womit, ist die große Frage.
Meurer: Mit dem normalen Impfstoff für Grippe?
Floto: Nein, das bringt überhaupt nichts. Der Impfstoff wird ja jährlich angepasst an die jeweils dann vorherrschende genetische Kombination. Dieses ist eine völlig neue genetische Kombination. Jeder hat schon gehört, diese Zusammensetzung H1N1, die bezieht sich auf die Konstellation zweier Proteine, die vom Virus gebildet werden und die die Pathogenität, also die krankmachende Eigenschaft bestimmen. Vor allen Dingen ist es dieses eine, nämlich das H. Das H steht für Hemagglutinin. Das ist eines dieser beiden Proteine. Das steht in Verbindung mit den besonders krankmachenden Eigenschaften. Diese Kombination hat es schon gegeben, in früheren Epidemien und auch Impfstoffen, aber wir dürfen nicht vergessen: Die genetische Neukombination liegt hierin vor, dass es ja aus Schwein, Vogel und Mensch zusammengesetzt ist. Das gab es noch nicht.
Meurer: Also: es gibt noch nicht den richtigen Impfstoff. Was ist mit Tamiflu? Oder es gibt auch ein zweites Medikament, Relenza.
Floto: Das sind die zwei Substanzen, die zur Verfügung stehen, und ich denke, das ist die beste Nachricht überhaupt, die es in diesem Zusammenhang gibt, dass wir therapeutische Möglichkeiten haben für diejenigen, die daran erkranken. Diese beiden Stoffe werden unterschiedlich eingenommen. Das Oseltamivir ist eine Tablette und das Zanamivir ist eine Substanz, die man inhalieren kann. Nach jetziger Erkenntnis helfen sie. Das Wichtigste ist, dass sie unmittelbar bei Erkrankungsbeginn auch genommen werden.
Meurer: Man bekommt, glaube ich, beide Mittel nur auf Rezept?
Floto: Nur auf Rezept, genau.
Meurer: Wer sollte sich dieses Rezept holen?
Floto: Ich denke, es ist sinnvoll, die Situation zu beobachten, wenn man reist. Ich selber plane, nach Kalifornien zu reisen, werde also dort sehr genau überlegen, ob ich mir vorsorglich etwas mitnehme oder sicherstellen kann, dass ich innerhalb von wenigen Stunden in den Besitz dieses Medikamentes kommen kann.
Meurer: Man nimmt es erst dann, wenn die Krankheit da ist?
Floto: Wenn die Symptome eindeutig sind, sollte blitzschnell gehandelt werden, und da sind, glaube ich, die Ärztinnen und Ärzte hier ganz besonders herausgefordert und es ist wichtig, keine Zeit verstreichen zu lassen. Das ist ja das größte Problem, dass da erst unnötig Zeit auch verloren geht. Die eine Substanz, die Tabletten, die Oseltamivir-Substanz, ist getestet worden auf ihre prophylaktische Wirkung und das ist im Prinzip bejaht worden. Trotzdem: Man möchte, weil man um Resistenzen weiß, diese Resistenzlage nicht fördern und außerdem gibt es unerwünschte Wirkungen. Auch die sollte man nicht einfach bei Seite schieben. Im Moment wäre es hier in Deutschland völlig sinnlos, daran zu denken.
Meurer: Pro Jahr sterben in Deutschland tausende an der normalen Grippe. Ist es völlig irrational, dass wir jetzt Angst haben vor der Schweinegrippe?
Floto: Es ist nicht irrational, sich auf eine mögliche Pandemie-Situation vorzubereiten. Das ist ja die Stufe 4, diese "pandemic preparedness", sich dort wachsam vorzubereiten, dass hier nicht eine sehr schwierige epidemische Weltlage dort entsteht. Auf der anderen Seite: Wenn Sie bedenken, das Robert-Koch-Institut beschreibt für das Jahr 2002/3 für die Influenza-Saison etwa 20.000 Todesfälle, mittelbar oder unmittelbar durch die damalige Influenza-Saison. Dann sollten wir uns ein Gefühl dafür bewahren, was schon normalerweise in jeder Influenza-Saison auch passieren kann, wie schwerwiegend diese Erkrankung auch für unsere Gesellschaft ist.
Meurer: Schönen Dank! - Das war Christian Floto, Leiter der Abteilung Wissenschaft und Bildung hier im Deutschlandfunk und Moderator der "Sprechstunde". Schönen Dank und auf Wiedersehen.
Floto: Tschüß.