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Flüchtlinge als Auszubildende in der Provinz
"Es ist nicht so einfach, aber schaffen wir"

Besonders in der Provinz haben Unternehmen Probleme, Facharbeiter zu finden. Im ländlichen Mittelhessen hat das Kunststofftechnik-Unternehmen Elkamet deshalb schon 2015 damit begonnen, junge Flüchtlinge auszubilden. Für den Mittelständler sind Zuwanderer eine Chance.

Von Ludger Fittkau | 20.12.2017
    Schloss Biedenkopf, Stadt Biedenkopf, Ldkrs. Marburg-Biedenkopf, Hessen, Deutschland, Das Schloss Biedenkopf ist eine Burg in der mittelhessischen Stadt Biedenkopf und das Wahrzeichen der Stadt. Es steht auf dem 386 Meter hohen Schlossberg, einem Bergkegel oberhalb des alten Ortskerns.
    Das 13.000-Einwohner-Städtchen Biedenkopf sucht dringend Fachkräfte. (picture alliance / dpa / Friedel Gerth)
    "Mein Name ist Abrahaley Sultan, ich komme aus Eritrea, ich bin 20 Jahre alt und ich bin seit vier Jahren hier."
    "Hallo, mein Name ist Hamse Abdirahman Mohamed, ich komme aus Somalia und ich arbeite bei Elkamet."
    Unterricht als Herausforderung
    Hamse Mohamed lebt inzwischen fast fünf Jahre in der mittelhessischen Kleinstadt Biedenkopf. Gemeinsam mit Abrahaley Sultan ist er extra für das Interview aus der nahegelegenen Berufsschule in seinen Ausbildungsbetrieb gekommen. Im hellen Besprechungsraum der Firma gibt es frischen Kaffee. Die beiden jungen afrikanischen Flüchtlinge befinden sich im dritten Lehrjahr als Verfahrensmechaniker für Kunststoff- und Kautschuktechnik. Gerade der Berufsschulunterricht ist auch ein halbes Jahr vor dem Abschluss der Lehre oft noch eine Herausforderung, berichtet Abrahaley Sultan:
    "Na ja, wir müssen viel lernen. Auch am Wochenende. Wir haben einen tollen Ausbilder, der hilft uns bei den Hausaufgaben. Und auch Lehrer."
    Von links nach rechts: Sophie Cyriax, Ausbildungsleiterin, Hamse Abdirahman Mohamed und Abrahaley Niguse Sultan, beide Azubis im dritten Lehrjahr beim Kunststofftechnik Unternehmen Elkamet
    Von links nach rechts: Sophie Cyriax, Ausbildungsleiterin, Hamse Abdirahman Mohamed und Abrahaley Niguse Sultan, beide Azubis im dritten Lehrjahr beim Kunststofftechnik Unternehmen Elkamet (Deutschlandradio/Fittkau)
    Die Elkamet-Kunststofftechnik in Biedenkopf ist ein weltweit tätiges Unternehmen mit 1100 Mitarbeitern an vier Standorten. Von den 800 Beschäftigten in Deutschland haben aktuell vier junge Männer einen Flüchtlingshintergrund. Vom ersten Lehrjahr an hat sich der Betrieb intensiv darum bemüht, den jungen Migranten in der Lehre vor allem bei den Schulaufgaben unter die Arme zu greifen. Und auch beim Deutschlernen, so Ausbildungsleiterin Sophie Cyriax:
    "Wir finanzieren einen ausbildungsbegleitenden Deutschunterricht mit einem Bildungspartnerhier am Ort. Da gehen die jungen Männer zwei bis vier Stunden in der Woche parallel zu Ausbildung und Berufsschulunterricht noch hin. Und dazu gibt es auch, seit sie in der Ausbildung sind, eine Art Nachhilfeunterricht, den die Kollegen hier im Haus organisieren und dort versuchen wir zu helfen."
    Firma als Wohnungsvermieter
    Hilfe bietet die Firma auch bei der Wohnungssuche. Seit einigen Monaten betreibt die Kunststofftechnik-Firma auch eine Art "Werkswohngemeinschaft" für Auszubildende in einem eigens sanierten Altbau mitten in Biedenkopf. Hamse Mohamed lebt dort:
    "Momentan läuft es sehr gut. Es ist nicht so teuer, wie haben schon möbliert, alle Sachen da. Momentan sind wir zwei, ein anderer Junge macht auch die Ausbildung im ersten Lehrjahr."
    Das neue WG-Haus bietet auch Platz für weitere junge Mitarbeiter der Firma ohne Flüchtlingshintergrund. Man biete diese Werkswohnungen auch deshalb an, weil der öffentliche Nahverkehr im ländlichen Raum es nicht oft gewährleistet, dass die Auszubildenden von weiter her pünktlich zur Arbeit kommen. Gerade für junge Flüchtlinge, die oft noch keinen Führerschein haben, sei das ein Problem, sagt Sophie Cyriax, die Elkamet-Ausbildungsleiterin. Man müsse etwas anbieten, denn Ballungsräume wie das Rhein-Main-Gebiet seien gerade für junge Leute auf dem Lande sehr verlockend, verlockender als die die Kleinstadt Biedenkopf mit ihren 13.000 Einwohnern:
    "Denn wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass ein junger Flüchtling, den wir hier in der Ausbildung hatten, sich dann doch umentschieden hat und nicht im ländlichen Raum bleiben wollte, sondern in einen Ballungsraum gegangen ist. Mitten im zweiten Lehrjahr hat der seine Zelte hier abgebrochen und hat gesagt, er möchte lieber nach Frankfurt. Das ist für uns natürlich sehr traurig, damit müssen wir umgehen."
    Flüchtlinge dringend gebraucht
    Denn die Flüchtlinge, die die Lehre schaffen, werden in Mittelhessen dringend gebraucht. Die Firmen, die Flüchtlinge ausbilden, dürfen den höheren Betreuungsaufwand in der Lehrzeit nicht scheuen, rät Sophie Cyriax von Elkamet:
    "Gerade wenn die Flüchtlinge noch Minderjährige sind, was viele sind, die über die Schulklassen in die Betriebe kommen, sind die bürokratischen Hürden oder auch Hemmnisse und Erschwernisse nicht zu vernachlässigen."
    Etwa im Umgang mit gesetzlichen Betreuern oder Jugendämtern. Die fehlenden Sprachkenntnisse der Geflüchteten sind überdies die zentrale Hürde – hier gehe es nicht ohne zusätzliches Engagement des Ausbildungsbetriebes, so Sophie Cyriax. Für die Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Ausbildung muss die Bundesanstalt für Arbeit zustimmen. Auch diese Hürde muss genommen werden. Der inzwischen volljährige Hamse Mohamed blickt allerdings vorsichtig optimistisch in die Zukunft:
    "Leben ist nicht einfach. Momentan wir haben die Ausbildung geschafft und Wohnung auch und ich bin beim Führerschein dran, obwohl es ein bisschen teuer ist. Es ist nicht so einfach, aber schaffen wir."