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Flüchtlinge an Hochschulen
Zunächst die "Studierfähigkeit" ermitteln

Die Bundesregierung will Flüchtlinge, die in Deutschland studieren wollen, so schnell wie möglich an die Hochschulen bringen. Dafür stellt das Bundesbildungsministerium rund 130 Millionen Euro zur Verfügung. Doch die jungen Flüchtlinge müssen schon bei der Einschreibung eine hohe Hürde nehmen.

Von Christiane Habermalz | 13.11.2015
    793 Studenten sitzen bei der Erstsemesterbegrüßung am Campus Koblenz der Universität Koblenz-Landau in Koblenz-Rheinland-Pfalz im großen Hörsaal.
    Studenten in einem Hörsaal. (dpa / picture alliance / Thomas Frey)
    Wer unter den Flüchtlingen studieren kann und will, dem soll der Zugang zum Studium ermöglicht werden - und zwar so schnell wie möglich. Dieses Ziel will Bundesbildungsministerin Johanna Wanka mit 100 Millionen Euro in den nächsten Jahren unterstützen, rund ein Viertel davon soll bereits 2016 fließen. Zwar gebe es noch keine gesicherten Daten über die Qualifikation derer, die ankommen, aber doch zumindest Grobeinschätzungen aufgrund von Befragungen, erklärte Wanka.
    "Und dort kann man sagen, dass ungefähr 30 Prozent eine sehr geringe Schulbildung haben, dass es aber auch ungefähr so viele gibt, die angeben, dass sie ein Abitur erworben haben oder sogar schon studiert haben."
    Gemeinsam mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst hat das Ministerium ein Paket an Maßnahmen geschnürt. Wichtigste Bausteine: Intensive Sprachkurse, 2.400 zusätzliche Plätze am Studienkolleg, Bafög-Berechtigung für anerkannte Asylbewerber und für Geduldete ab einer Frist von 15 Monaten Aufenthalt in Deutschland. Und, ganz wichtig: Erst einmal zuverlässig ermitteln, welche Kompetenzen die Flüchtlinge mitbringen, und die Studierfähigkeit feststellen.
    Syrisches Abitur gleichwertig
    Wo Zeugnisse aus dem Heimatland vorliegen, gebe es klare Regelungen durch die Kultusministerkonferenz. Das syrische Abitur etwa sei durchaus gleichwertig mit dem deutschen, erklärt DAAD-Experte Christian Thimme.
    "Wenn also einer einen vergleichbaren Abschluss in Syrien gemacht hat und 70 Prozent der Leistungen in diesem Abitur erreicht hat, dann kann er hier in Deutschland sofort zugelassen werden, wenn er die nötigen Deutschkenntnisse, die ebenfalls Eingangsvoraussetzungen für ein Studium sind, erfüllt."
    Bewährte Einstufungstests
    Anders sehe das bei Schulabschlüssen aus Eritrea, Afghanistan oder dem Irak aus – oder dann, wenn gar keine Papiere vorliegen. Für diese Fällen gebe es bewährte Einstufungstests des Vereins UniAssist, der von 170 Hochschulen getragen werde, erklärte DAAD-Präsidentin Margret Wintermantel. Diese Tests sollen nun mit Bundesmitteln angepasst und übersetzt werden.
    Wichtig sei dann die fachliche und sprachliche Vorbereitung auf das Studium durch Studienkolleg und fachspezifische Deutschkurse. An den Hochschulen gebe es bereits zahlreiche Initiativen. Beispiel TU Berlin: Die Hochschule hat für Asylsuchende ein Spezialprogramm aufgelegt. Über Schnupperkurse können Flüchtlinge sofort an allen Lehrveranstaltungen teilnehmen, erbrachte Leistungen sind in einem späteren Studium anrechenbar.
    Studienkolleg mit Flüchtlingsklasse
    "Dann haben wir auch, und damit starten wir nächste Woche ganz konkret, das Studienkolleg verstärkt mit einer Flüchtlingsklasse. Das heißt auch wirklich ein Konzept, was speziell zugeschnitten ist auf diese Zielgruppe, wo es wirklich vor allem darum geht, in sehr, sehr schnellem Tempo die deutsche Sprache zu erwerben und den Zugang zu unseren Studiengängen auch wirklich zu ermöglichen."
    Berichtet Abraham van Veen, Leiter der Abteilung Studierendenservice an der TU Berlin. Das Interesse ist sehr groß:
    "Bei dieser Schnuppervariante haben wir jetzt über 100 registrierte Teilnehmer, davon sind 40 wirklich in den Fakultäten schon angekommen und nehmen auch wirklich an den Veranstaltungen teil, diese Flüchtlingsklasse hat eine Kapazität von 25 Plätze, dafür hatten wir 160 Bewerbungen."
    "Qualitätsstandards nicht aufweichen"
    Das ist nur ein Anfang, doch für ein Nachfolgepaket mit weiteren 175 Plätzen will die TU nun über den DAAD einen Förderantrag stellen. Die Hochschulrektorenkonferenz mahnte derweil, dass durch die Flüchtlinge die Qualitätsstandards an den Unis nicht aufgeweicht werden dürften. Am Ende würden für sie der Numerus Clausus genauso gelten wie für andere Studienbewerber.
    "Es gibt in jedem Studiengang, auch wenn er einen NC hat, eine Ausländerquote, und in dieser Ausländerquote müssen sie natürlich zu den Besten gehören. Und die Frage ist, wie das nachzuweisen ist, da hat jede Universität Optionen und Möglichkeiten, das zu beurteilen, aber einen echten Anspruch, in einen NC-Studiengang aufgenommen zu werden, hat niemand, wenn er die Voraussetzungen nicht erfüllt."
    TU-Präsident Christian Thomsen widerspricht. Langfristig müsse ohnehin das Ziel darin bestehen, den NC abzuschaffen, denn das Recht auf Bildung dürfe nicht durch Zugangsbeschränkungen ausgeschaltet werden. Die Leistungsanforderungen im Studium jedoch würden unverändert bleiben - für alle.