Dienstag, 23. April 2024

Archiv

Flüchtlinge auf dem Balkan
Zäune, Züge und zynische Politik

Weiterreichen oder gar nicht ins Land kommen lassen: So versuchen sich die Regierungen der Balkanländer der Flüchtlinge zu entledigen. Diesen Ländern fehlt Infrastruktur, Geld und Wille zur Erstbetreuung. Kanzlerin Merkel kündigte bei ihrer Balkantour EU-Unterstützung an.

Von Karla Engelhard | 25.07.2015
    Eine Frau verabschiedet sich am Busbahnhof von Pristina, Kosovo. Der Bus fährt nach Belgrad; von da aus reisen die Flüchtlinge über die ungarische Grenze aus.
    Eine Frau verabschiedet sich am Busbahnhof von Pristina, Kosovo. Der Bus fährt nach Belgrad; von da aus reisen die Flüchtlinge über die ungarische Grenze aus. (picture alliance / dpa / Valerie Plesch)
    Gevkelija, Mazedonien, an der Grenze zu Griechenland. In der Kleinstadt sind Männer, Frauen und Kinder auf der Flucht Alltag. Ein Einheimischer erzählt, dass am Tag zwischen 500 bis 700 Menschen aus Syrien, Ägypten und anderen Ländern den Ort erreichten.
    Magdalena Jakimovska vom Roten Kreuz versorgt die Menschen bei sengender Hitze mit Wasser und leistet erste Hilfe. "Wir verteilen Medikamente gegen Fieber oder Kopfschmerzen, wenn nötig fahren wir Verletzte ins Krankenhaus."
    Ein erschöpfter junger Syrer ist von Griechenland aus über die Türkei nach Gevkelija gekommen. Seit Stunden wartet er auf die Registrierung. "Es ist sehr heiß. Wir wollen weiter, durch Serbien, einige von uns wollen nach Schweden, andere nach Deutschland."
    Komplett überlastete Infrastruktur
    Das neue mazedonische Asylgesetz erlaubt den Flüchtlingen, wenn sie registriert sind, sich 72 Stunden frei in Mazedonien zu bewegen. Die regulären Züge und Busse sind kostenlos, damit fahren sie rasch weiter nach Serbien. Im Süden lassen das EU-Land Griechenland und Mazedonien die Menschen einfach ziehen. Im Nordwesten macht Nachbar Ungarn seine Grenze dicht. Das bringt EU-Anwärter Serbien in eine prekäre Lage. Seit Jahresanfang kamen mehr als 50.000 Flüchtlinge ins Land, noch einmal so viele werden erwartet. Eine Infrastruktur zur Erstbetreuung der Männer, Frauen und Kinder auf der Flucht fehlt meist. So campieren die Flüchtlinge in Parks oder an Busbahnhöfen, denn sie wollen weiter.
    Der Syrer Abdulla ist schon bis Belgrad gekommen: Über 78 Tage ist er bereits unterwegs: von Izmir nach Belgrad, durch die Türkei, Griechenland, Mazedonien, bis nach Serbien. Abdulla will nach Deutschland, vor ihm liegen noch gut 1.000 Kilometer.
    Ein unmenschliches Verfahren
    EU-Land Ungarn baut an einem vier Meter hohen und 175 Kilometer langen Grenzzaun zu Serbien. Schon jetzt kommen viele Flüchtlinge nicht weiter oder werden von ihren Schleppern einfach im Stich gelassen. Die, die es geschafft haben, versuchen in die überfüllten Züge zu steigen. Die ungarischen Staatsbahnen transportieren auch Flüchtlinge in von außen verschlossenen Personenwaggons. Damit die Flüchtlinge sicher in die Aufnahmeanlagen gelangen, lautet die offizielle Begründung.
    Viele der Menschen, die mit diesen Zügen reisen müssen, sind meist so verschreckt, dass sie, wenn die Türen wieder geöffnet werden, panisch herausspringen und wegrennen. Ein unmenschliches Verfahren.
    Ungarns harte Politik
    Die ungarische Regierung will künftig illegales Einwandern als Straftat bewerten. Außerdem will sie Flüchtlinge von bewohnten Städten fernhalten. Sie sollen nicht mehr in bewohnten Orten, sondern in Zeltlagern in der Peripherie untergebracht werden. Ein Zeltlager soll direkt an der Grenze zu Serbien entstehen. Das EU-Land Ungarn ist Transitland für Flüchtlinge. Nachbar Österreich dagegen gehört zu den Zielländern, neben Frankreich, Schweden und Deutschland.