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Flüchtlinge
Berlin verstärkt Abschiebungen

Soll es in Deutschland Transitzonen für Flüchtlinge geben? Zu diesen Begriff gehen die Meinungen in Union und SPD auseinander. Im Grundsatz hat sich die Große Koalition aber darauf geeinigt, dass man in Zukunft schon in Grenznähe Schutzsuchende ohne einen Asyl-Anspruch abweisen will.

Von Gudula Geuther | 23.10.2015
    Ein Auto fährt am 14.09.2015 über die deutsch-tschechische Grenze bei Hellendorf (Sachsen.
    Bisher waren die Binnengrenzen in der EU offen. (picture alliance / dpa / Sebastian Kahnert)
    Wie Transitzonen funktionieren sollen, ist nach wie vor nicht bekannt und offenbar auch noch gar nicht entschieden. Eine Einigung in der Bundesregierung gibt es aber wohl. Nach dem Besuch einer Erstaufnahmeeinrichtung im sächsischen Niederau sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière:
    "Wir sind uns einig, dass wir möglichst frühzeitig, schon an der Grenze ein schnelles Verfahren entwickeln bei denjenigen, von denen anzunehmen ist, dass ihre Anträge unzulässig oder offensichtlich unbegründet sind."
    Bisher hatte die SPD die Transitzonen in der Form, wie sie de Maizière vorgeschlagen hatte, abgelehnt, vor allem Bundesjustizminister Heiko Maas. Dessen Sprecherin Anne Zimmermann betonte heute:
    "Der Minister hat wiederholt gesagt, dass es Haftzonen mit ihm nicht geben wird."
    Und Haftzonen sollen es nicht werden, das erklärte Maas in einer schriftlichen Mitteilung. Aber: Man werde Möglichkeiten regeln, Asylanträge, die offensichtlich aussichtslos seien, im grenznahen Gebiet beschleunigt zu prüfen. Das könne auch in Einrichtungen geschehen, die es schon gebe oder die gerade gebaut würden.
    Seehofer: Zentrale bayerische Forderung
    Bayerns Ministerpräsident, CSU-Chef Horst Seehofer, begrüßte die Einigung. Die Bundesregierung greife damit eine zentrale bayerische Forderung auf. Erneut sprach er von Asylmissbrauch, den es einzudämmen gelte. Während die Grünen die Idee der Transitzonen erneut kritisierten. Sie wären ein weiterer Angriff auf die Errungenschaften der Europäischen Union, die davon lebe, dass die Binnengrenzen offenblieben, erklärte der innenpolitische Sprecher Volker Beck.
    Schon morgen wird das Asylpaket, das Bundestag und Bundesrat in der vergangenen Woche verabschiedet haben, in zentralen Teilen in Kraft treten, eine Woche früher als gedacht. Das Gesetz sieht neben vielem anderen vor, dass die Betroffenen nicht mehr vorher über Abschiebungen informiert werden und dass diejenigen, die sich der Abschiebung entziehen, deutlich weniger Sozialleistungen bekommen. Kanzleramtschef Peter Altmaier kündigte am Morgen in der ARD an:
    "Wir werden imstande sein, die Zahl der alten Fälle sehr schnell abzuarbeiten. Es wird in diesem Jahr noch einige Zehntausende Entscheidungen geben von abgelehnten Bewerbern, die dann auch zurückgeführt werden können."
    "Viele simulieren eine Krankheit"
    Etwa fünfzigtausend Menschen leben in Deutschland, deren Asylantrag abgelehnt wurde und die auch keine Duldung besitzen. Vor allem sie seien betroffen, so der Bundesinnenminister heute. Der gleichzeitig ankündigte, dass auch die etwa 140.000 Duldungen überprüft werden sollten. Ohne konkrete Zahlen oder Belege zu nennen, sagte de Maizière:
    "Viele simulieren eine Krankheit, um nicht abgeschoben zu werden, sind aber gar nicht krank. Da könnte zum Beispiel helfen, dass Amtsärzte diese Untersuchungen machen. Viele haben ihren Pass weggeschmissen und wir haben Probleme mit Staaten, die ihre eigenen Staatsbürger zurückzunehmen oder ihnen einen Pass auszustellen. Dort werden wir mit einem europäischen Ausweisverfahren dann dieses Hindernis beseitigen, auch in entsprechenden Gesprächen mit den Ländern."
    Denn die Herkunftsländer müssen diese Dokumente akzeptieren. Um das zu erreichen, sollen de Maizière und Außenminister Frank-Walter Steinmeier sich an die Außenminister der so genannten Westbalkanstaaten gewandt haben, konkret des Kosovo, Mazedoniens, Montenegros, Serbiens, Albaniens und Bosnien-Herzegowinas. Die Agentur zitiert aus einem Brief. Wörtlich heißt es:
    "Ihre Regierung hat die Einstufung Ihres Landes als sicheren Herkunftsstaat befürwortet. Ihre Zustimmung zu unserem Vorschlag wäre daher ein gutes Signal, im beiderseitigen Interesse den vereinfachten Asylverfahren auch eine beschleunigte Rückführung folgen zu lassen."
    Die Linkspartei kritisierte die Pläne. Massenabschiebungen seien Wasser auf die Mühlen von Pegida und anderen Neonazis, erklärte die innenpolitische Sprecherin Ulla Jelpke.