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Flüchtlinge in Fußball-Kreisliga
Warum sich so viele Mannschaften auflösen

Seit 2015 sind reine Flüchtlings-Fußballmannschaften in der Kreisliga auf Punktejagd gegangen. Die Teams waren für die Neuankömmlinge wichtige Anlaufstellen. Jetzt gibt es immer weniger davon, auch weil sich die Spieler integriert haben.

Von Thorsten Poppe | 24.11.2018
    Trainer Ralf Kache (2v.l.) spielt am 06.04.2017 in Lohne (Niedersachsen) mit Flüchtlingen, die sich zum FC Unlimited zusammengeschlossen haben Fußball. Die Spieler des FC Unlimited trainieren vier Mal die Woche. Es sind Flüchtlinge, die unter anderem aus Syrien, dem Irak, Afghanistan, der Ukraine, Eritrea kommen.
    Immer mehr Flüchtlingsteams lösen sich auf: "Die Integration hat sozusagen voll zugeschlagen", meint Thoralf Höntze vom SV Babelsberg 03. (dpa/ picture alliance/ Carmen Jaspersen)
    Sie nannten sich Welcome United oder Refugees 11. Reine Flüchtlingsmannschaften, die in der Fußball-Kreisliga auf Punktejagd gingen. Über die Refugees 11 gab es sogar einen Dokumentarfilm, der mit dem CIVIS-Medienpreis für "Fußball und Integration" ausgezeichnet wurde.
    Doch die Refugees 11 war schon längst vom Spielbetrieb abgemeldet, als der stellvertretende Generalsekretär des DFB, Ralf Köttker, den Preis im Sommer dieses Jahres übergab: "Die Fernsehdokumentation zeigt eine Fußballmannschaft von Flüchtlingen in Erftstadt. Die Refugees 11 sind 27 Geflüchtete aus 16 Nationen. Ein hoch informativer Film, im besten Sinne aufklärend."
    Regelmäßiger Spielbetrieb war nicht mehr möglich
    Als die Fernsehdokumentation über die Refugees 11 ausgezeichnet wurde, war die Mannschaft selber schon längst Geschichte. Knapp zweieinhalb Jahre kickte die Flüchtlingsmannschaft in der Kreisliga C. Bis zum Winter 2018, dann meldete der Verein sie ab. Die Gründe dafür sind vielfältig. So sind die Spieler der Ursprungsmannschaft in der Gesellschaft angekommen, und die Zeit für den Fußball fehlt jetzt schlicht.
    Der ehemalige Trainer Alois Görgen beschreibt die Situation vor der Abmeldung des Teams so: "Drei, vier Spieler hatten mittlerweile eine feste Anstellung bekommen. Zwei hatten sogar einen Ausbildungsvertrag. Das waren meist die Spieler, die aus dem syrischen Raum kamen. Wir hatten aber auf der anderen Seite auch einige Spieler aus dem nordafrikanischen Raum, die von Abschiebung bedroht waren. Die tauchten teilweise gar nicht mehr beim Training auf. Es war ein sehr unzuverlässiges Umfeld festzustellen, das einen regelmäßigen Spielbetrieb nicht mehr zuließ."
    "Integration voll zugeschlagen"
    Neben den Refugees 11 gibt es mittlerweile auch Welcome United nicht mehr, gegründet 2014 vom SV Babelsberg 03. Die Erste dieser reinen Flüchtlingsmannschaften überhaupt, die im regulären Spielbetrieb in der Kreisliga an den Start ging. Bis zu 100 Flüchtlinge trainierten insgesamt in der Mannschaft.
    keine gültige Arbeitserlaubnis. Das änderte sich aber über den Zeitraum seit Start des Projekts. Mittlerweile habe es sich deshAm Ende kamen nur noch sechs Kicker regelmäßig. Anfangs waren viele Neuankömmlinge noch alleine in dem neuen Umfeld oder besaßen alb überlebt, berichtet 03-Pressesprecher Thoralf Höntze, der das Team von Anfang an begleitet hat:
    "Es war so, dass in dem letzten Jahr schon sich andeutete, dass es immer schwieriger wird, eine komplette Mannschaft zusammenzubekommen. Hatte eigentlich einen sehr erfreulichen Grund, weil den Meisten einfach die Zeit fehlte. Weil sie mit ihrer Familie unterwegs waren, oder sich um Kinder und Familie kümmern mussten, oder eben arbeiten mussten. Also heißt: Die Integration hatte sozusagen voll zugeschlagen. Im Prinzip traten dieselben Zwänge auf, wie bei uns auch, dass wir nicht jedes Wochenende Fußball spielen können!"
    Spieler kommen in anderen Mannschaften unter
    Als 2014 und 2015 die meisten Flüchtlinge Deutschland erreichten, tat auch der Fußball viel, um bei der Integration mitzuhelfen. Nicht nur mit reinen Flüchtlingsmannschaften, auch im Kleinen, wo zum Beispiel die Neuankömmlinge in bestehende Mannschaften aufgenommen wurden. Der DFB zahlte jedem Verein 500 Euro Unterstützung, wenn er Angebote für die Flüchtlinge machte.
    Um die Kosten von der anfänglichen Beitragsbefreiung abzufedern, für den Kauf der ersten Fußballschuhe oder zur Finanzierung eines zusätzlichen Sprachkurses. Mit dem Ende der Aushängeschilder Refugees 11 oder Welcome United gehen dem Fußball aber nicht alle Kicker wieder verloren, sondern kommen wie beim SV Babelsberg in anderen Mannschaften unter:
    "Wir haben uns dann entschieden, Probetraining bei unserer zweiten Mannschaft zu organisieren in der Landesklasse. Da haben es jetzt vier oder fünf Spieler hingeschafft, die da auch spielen. Ein paar Ältere melden sich jetzt bei unseren älteren Herren an, und ein paar Spieler sind zu Vereinen gewechselt, die in Wohnortnähe liegen. Aber es gibt immer noch Kontakte. Wir haben ja einige Spieler an unsere Sponsoren mit Arbeitsplätzen vermittelt. Insofern begegnet man den Leuten ständig im Alltag, im Kino, wenn man einkauft, Döner holt, sonst irgendwo."
    Wichtige Starthilfe für das Ankommen
    Inwieweit gibt es inzwischen wirklich einen zählbaren Trend, weg von den Flüchtlingsteams? Eine entsprechende Anfrage an den deutschen Fußballbund blieb leider unbeantwortet. Klar ist: Nicht überall lösen sich die reinen Flüchtlingsteams auf. Rot-Weiß Oberhausen will zum Beispiel seinen FC Together zur kommenden Saison erstmals für den Spielbetrieb anmelden. Und in der Kreisliga Neubrandenburgs kickt mit Motor Süd III nach wie vor eine reine, aus syrischen Flüchtlingen bestehende Mannschaft. Hier scheint der Bedarf noch da zu sein.
    Rückblickend ist der Trainer der aufgelösten Refugees 11, Alois Görgen sicher: Damit die Integration überhaupt gelingen konnte, seien die reinen Flüchtlingsmannschaften eine wichtige Starthilfe für das Ankommen in unserer Gesellschaft: "Für die Spieler war das sehr wichtig, ein Umfeld anzutreffen, das sehr positiv war, und das Ihnen die Möglichkeit gegeben hatte, Training und Spielbetrieb aufzunehmen. Um sich wieder auf das Wochenende zu freuen, wieder ein Spiel zu machen, und gemeinsame Erfolge zu erleben. Aber auch wieder eine Perspektive zu haben, um vielleicht kleine Träume zu verwirklichen."