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Flüchtlinge in Lappland
Schwerer Neuanfang in Tornio

32.000 Flüchtlinge kamen 2015 in Finnland an, angezogen von der Aussicht auf schnelle Asylverfahren und eine gute Ausbildung. Viele landeten in der kleinen Grenzstadt Tornio im Lappland. Doch Anfeindungen und kulturelle Probleme führten schnell zur Ernüchterung - mehr als 2.000 Flüchtlinge sind in ihre Heimat zurückgekehrt.

Von Jenni Roth |
    Flüchtlinge in Helsinki, Finnland
    Viele Flüchtlinge sind ernüchtert vom Leben in Finnland. (dpa / picture alliance / Mikko Stig)
    Macht die Grenzen dicht!, rufen die Demonstranten, als im Herbst plötzlich hunderte Flüchtlinge am Tag nach Tornio kommen, in die kleine Grenzstadt im finnischen Lappland: Ein Einkaufcenter gibt es hier, Birken, Kiefern, eine zugeschneite Bucht. Ein paar Straßen, Holzhäuser. Einen Supermarkt, eine Tankstelle - die man kaum sieht, weil es mittags um zwei schon wieder dunkel wird.
    "Man ist das hier oben nicht gewöhnt, wir waren ja immer unter uns. Die Menschen neigen dazu, Fremden zu misstrauen und alles Schlechte auf die Flüchtlinge zu projizieren."
    Matti betreibt in Tornio den Kirppis, einen Indoor-Flohmarkt. Flüchtlinge gehören mittlerweile zur Stammkundschaft. Ein junger Mann steht mit zwei Kindern und Winterstiefeln an der Kasse.
    "Der Mann ist aus dem Irak - Schnee ist er nicht gewöhnt! Jetzt braucht er die passenden Schuhe."
    Hyvät kengät - gute Schuhe! Abdullah kann schon etwas Finnisch. Der Computerspezialist hat als palästinensischer Flüchtling länger im Irak gelebt. Er wollte nach Finnland, weil er gehört hatte, dass die Asylverfahren schnell abgewickelt würden, dass es sicher sei, friedlich und die Ausbildung gut. Er war einer der ersten, die in Tornio ankamen. Mittlerweile ist er bestens integriert, trinkt sogar schon finnischen Filterkaffee. "Er ist wie mein Onkel! Ich nenne ihn Onkel!" - "Wir mochten uns sofort! Abdullah ist ein Supertyp."
    Finnland tat sich anfangs schwer, die Flüchtlinge unterzubringen
    Jeden Morgen tritt Abdullah bei Matti zum "Dienst" an: Hilft für ein Taschengeld als Verkäufer, Aufräumer, Dolmetscher. Er teilt sich mit Bruder und Neffe ein Zimmer im Asylbewerberheim, das es noch gar nicht gab, als er ankam: Gerade anfangs tat sich Finnland schwer, die vielen Flüchtlinge unterzubringen und Asylanträge schnell zu bearbeiten. 2015 kamen mit mehr als 32.000 etwa zehnmal so viel wie in den Vorjahren, mehr als 15.000 nach Tornio.
    Als im Herbst die vielen Asylbewerber ankamen, musste alles schnell gehen. Eine ehemalige Schule wurde zum Registrierzentrum umfunktioniert, die Zusammenarbeit mit der Polizei ausgeklügelt. Es wurden Formulare entworfen, Übersetzer und Mitarbeiter des Roten Kreuzes aus dem ganzen Land nach Tornio geholt.
    In der ehemaligen Turnhalle sind vor den Basketballkörben Sicherheitskontrollen aufgebaut. Wie es weitergeht, steht an den Wänden: auf Arabisch, Englisch, Farsi, Dari. Auch Notrufnummern, Zugang zum W-Lan - alles in fremde Schriftzeichen übersetzt.
    Zu sehen bekommt man aber kaum einen Flüchtling: Weil sie von den Medien abgeschirmt werden - und weil gerade nicht viele Flüchtlinge in Tornio ankommen. Trotzdem wartet Abdullah - wie viele andere auch - seit einem halben Jahr auf seinen Bescheid.
    Was er erzählt, klingt erst einmal so positiv wie die Berichte der Mitarbeiter im Flüchtlingsheim: Probleme gebe es keine, die Sprache sei da die größte Herausforderung. Dabei berichteten die Medien über Flüchtlinge, die sich über das Essen beschwerten, von Männern, die sich weigerten, in der Küche oder beim Putzen mitzuhelfen. Ein Kulturclash sei programmiert, glaubt auch Kaisa Härkisaari von der Migrationsbehörde in Helsinki:
    "Viele sind ernüchtert vom Leben in Finnland. Mehr als 2.000 haben sich inzwischen wieder in ihre Heimat verabschiedet! Auch wenn sie das oft mit der Familie begründen, dass die Mutter krank sei etwa."
    Hoffen auf ein friedliches Leben in Finnland
    Diese Nachrichten nähren Vorurteile, wie: So schlimm kann es zu Hause ja doch nicht sein, glaubt auch Arto, 28, der in Mattis Flohmarkt gern aneckt:
    "Man sollte denen eine Briefmarke auf den Hintern drücken und postwendend zurückschicken! Gibt doch genug Länder auf dem Weg, wo sie bleiben können! Die können sich nicht benehmen und achten Frauen nicht."
    Abdullah will trotz der Anfeindungen in Finnland bleiben, bei seinem "Onkel".
    "Ich bin dankbar, hier zu sein: Wenn ich im Irak aus dem Haus gegangen bin, habe ich meine Kinder geküsst, weil es immer das letzte Mal sein konnte. Als ich hier das erste Mal vor einem Polizisten stand, bekam ich Panik. So kenne ich das aus dem Irak. Aber dann war er nur nett! Und die Schulen hier! Es gibt eine Küche, einen Pausenhof zum Spielen. Und der Unterrichtsstil: Bei uns werden die Kinder eingeschüchtert, wenn sie etwas nicht verstehen. Hier setzt sich der Lehrer mit den Schülern zusammen."
    Abdullah hofft, dass seine vier Töchter bald in genau so eine Schule gehen können. Dafür fehlt ihm noch das OK aus Helsinki.