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Flüchtlinge
Wie sich der DFB und ein Professor bei der FIFA einsetzen

Die Flüchtlingsproblematik ist auch im Sport angekommen: Viele Turnhallen werden zu Unterkünften umfunktioniert und bringen Vereine und Sportler um Trainingszeiten. Doch der Sport kann in der aktuellen Situation auch helfen, wie zahlreiche Engagements deutlich machen. Die Kraft des Sports hat ein Duisburger Professor entdeckt: Etwa, wenn es um Integration geht. Alle Probleme kann er dabei allerdings nicht lösen.

Von Moritz Küpper |
    Sportwissenschaftler Ulf Gebken kümmert sich aus seinem Büro in der Uni Duisburg-Essen um die Situation von Flüchtlingen.
    Sportwissenschaftler Ulf Gebken kümmert sich aus seinem Büro in der Uni Duisburg-Essen um die Situation von Flüchtlingen. (Deutschlandradio - Moritz Küpper)
    Die Gladbecker Straße in Essen. Hier, im Norden der Stadt – zwischen einer vielbefahrenen Straße und einem Sportplatz – liegt das sportwissenschaftliche Institut der Universität Duisburg-Essen. Und von hier aus kümmert sich seit etwas mehr als einem Semester Professor Ulf Gebken nicht nur um seine Studenten, sondern auch um die Situation von Flüchtlingen in Deutschland.
    Vor mehreren Jahren hat Gebken, selbst Vater von vier Kindern, die Kraft des Fußballs entdeckt: Vor seinem Wechsel ins Ruhrgebiet arbeitete Gebken an der Universität Oldenburg – und startete dort vor drei Jahren ein Fußballprojekt für Flüchtlinge: "Wir haben gemerkt, dass Menschen, die zu uns kommen, sehr gerne Fußball spielen. Das Spiel ist so einfach, dass man sofort mitspielen kann und haben dann gemerkt, dass es Schwierigkeiten gibt, dass man sie nicht von heute auf morgen in den Fußballverein integrieren kann, dass Hürden genommen werden müssen."
    Und die wollte Gebken bekämpfen: Sein jüngstes Werk hat ein Querformat, 24 Seiten und ist im März erschienen: "Willkommen im Verein! Fußball mit Flüchtlingen". So heißt die Broschüre, die vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) herausgegeben wird – in Zusammenarbeit mit dem Bundeskanzleramt. Gebken selbst taucht darin zwar nicht auf, doch erst aufgrund seines Engagements ist die Broschüre nun erschienen – und soll an die Vereine verteilt werden, um aufzuklären: Welchen Versicherungsschutz brauchen Flüchtlinge, die Fußballspielen wollen, wird dort erläutert, aber auch zentrale Fragen rund um das Asylverfahren und Aufenthaltstitel werden erklärt.
    Anfragen in der Heimat könnten Flüchtlinge und deren Angehörige gefährden
    Im Zuge dieser Arbeiten tauchte jedoch ein Problem auf – das bis heute ungeklärt ist: Die sogenannte Regelanfrage des aufnehmenden an das abgebende Land. "Das heißt, afghanische Jugendliche wollen bei uns Fußball spielen. Und dann muss der Landesverband bzw. der Deutsche Fußball-Bund eine Anfrage in Afghanistan stellen, ob dieser Jugendliche dort schon einmal Fußball gespielt hat. Und das verstößt natürlich gegen geltendes Asylrecht. Dort heißt immer, dass das aufnehmende Land keine Informationen bei dem abgebenden Land sich holen sollte."
    Denn mit der Abfrage – so plausibel das aus Sicht des Fußballverbandes auch ist – bekommt das Land, aus dem die Menschen geflohen sind, zugleich Informationen. "Das Dramatische daran ist, dass das abgebende Land, die Diktatur, erfährt, dass jemand geflohen ist und sich dann natürlich auch an der Familie rächen kann, die geblieben ist. So glaube ich, dass hier ein ganz großes Problem vorherrscht, was wirklich von allen, vor allem durch die FIFA, weil der Deutsche Fußball-Bund muss ich FIFA-Regeln unterwerfen, gelöst werden muss."
    Der Deutsche Fußball-Bund setzt sich für eine Überprüfung der Risiken ein
    Auch beim DFB hat man das Problem erkannt: Am 3. März, also vor rund zwei Monaten, schrieb DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock an FIFA-Generalsekretär Jerome Valcke. "Lieber Jerome", heißt es zu Beginn des Schreibens, in dem das Problem geschildert wird. Zwar seien im Fußball noch keine konkreten Bedrohungen bekannt geworden, schreibt Sandrock – und dann wörtlich: "Wir sehen uns aber unabhängig davon in der Verantwortung, dieses Risiko genauestens zu prüfen. Nicht zuletzt auch, weil uns bereits berichtet wurde, dass einige Flüchtlinge aufgrund dieser Praxis auf den Antrag einer Spielberechtigung verzichten." Vor diesem Hintergrund würde der DFB um – Zitat – "Ihre Einschätzung bitten, wie diese flüchtlingsrechtlichen Erwägungen und Ziele im Sinne der betroffenen Menschen berücksichtigt werden können". Für Professor Gebken ein überfälliger, wichtiger Schritt.
    In vielen Ländern, wie beispielsweise Eritrea, Afghanistan, Syrien oder auch dem Irak gäbe es zwar keine Antwort auf die Abfrage, weil dort keine zentralen Stellen existieren würden. Dann erhielten Flüchtlinge nach drei Monaten einfach die Spielerlaubnis – und wären wohl auch nicht gefährdet. "Aber es gibt auch andere Länder, nicht? Wenn wir jetzt auch mal in den Osten von Europa gucken. Ist ja auch eine Diktatur. Wenn man sich überlegt: Da wird jemand informiert, dass jemand geflohen ist, dann geht das nicht, dass man das Land informiert: Der ist jetzt an dieser Stelle, ist dort hingegangen."
    Gebken ist froh, dass das Problem erkannt wurde: "Vor neun Monaten hat sich gar keiner über diese – ich sag mal – Menschenrechtsverletzung Gedanken gemacht. Jetzt ist man so weit, dass man merkt, so geht es nicht."
    FIFA will bislang an der bestehenden Abfrage-Regel festhalten
    Doch wie geht es? Auf Deutschlandfunk-Nachfrage teilt der DFB nun mit, dass man weiterhin in einem Dialog mit der FIFA sei, um das Problem zu lösen. In einer ersten Antwort rückte der Weltverband jedoch nicht von seiner bisherigen Position, sprich einer Beibehaltung der Abfrage, ab. Eine Deutschlandfunk-Anfrage an die FIFA selbst blieb unbeantwortet. Wie es weitergehen soll, bleibt also unklar: Der DFB wies zwar erneut darauf hin, dass ihm selbst, aber auch der FIFA und anderen Stellen bislang kein Fall bekannt sei, in dem es aufgrund der Beantragung einer internationalen Freigabe zu Gefährdungen gekommen ist. Für Gebken selbst war das aber bisher eher Glück, zumal man solche Fälle wohl auch nicht gemeldet bekomme. Er drängt auf eine Neuregelung.
    "In dem Moment, wo wirklich etwas passiert, würde man, glaub ich, ganz schnell aufhören, diese Anfrage zu stellen, weil, dass könnten wir mit unserem Gewissen kaum vereinbaren, dass, bloß weil ein Kind oder ein Jugendlicher Fußball spielt plötzlich aus dem Land aus dem er geflohen ist, da die Familie unter Druck gesetzt wird. Das ist doch nicht mehr zu rechtfertigen und ist gar nicht zu akzeptieren."