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Flüchtlingskrise
"Menschen, die sich sorgen, nicht gleich ins Bierzelt versetzen"

"Menschen aus Krisengebieten, die politisch verfolgt waren, haben bei uns Sicherheit verdient", sagte Guido Wolf, CDU-Spitzenkandidat in Baden-Württemberg, im DLF. Doch müssten die, die aus rein wirtschaftlichen Gründen kämen, in einem kurzen Verfahren wenn möglich zurückgeschickt werden. Zugleich mahnte er, die Bürger in Deutschland ernst zu nehmen, die sich angesichts der Flüchtlingskrise Sorgen machten.

Guido Wolf im Gespräch mit Christine Heuer | 05.10.2015
    Der CDU-Politiker Guido Wolf bei der Bekanntgabe des Ergebnisses der CDU-Mitgliederbefragung für die Spitzenkandidatur 2016 in Baden-Württemberg.
    Der Politiker Guido Wolf tritt für die CDU als Spitzenkandidat für den Landtagswahlkampf in Baden-Württemberg im März 2016 an. (dpa /Bernd Weißbrod)
    Die Flüchtlingssituation in Deutschland sei eine große Herausforderung, sagte Guido Wolf, CDU-Spitzenkandidat in Baden-Württemberg, im DLF. In den baden-württembergischen Kommunen und Landkreisen werde Großartiges geleistet. "Wir helfen schon, wo wir können, aber wir können auch nicht alles leisten", sagte Wolf.
    "Wir können das Thema in Baden-Württemberg nicht einfach ausblenden, nur weil in fünf Monaten Wahlen sind", erklärte Wolf. Sonst würden die Menschen unter Umständen Parteien vom rechten Rand wählen. Er betonte, dass die Sorgen und Ängste in Bezug auf die Flüchtlingsfrage ernst genommen werden müssten. "Wir sollten die Menschen, die sich Sorgen machen, nicht immer gleich ins Bierzelt setzen" und damit in die Ecke des Populismus der Rechten. Es gebe Flüchtlinge, die in ihrer Heimat wirtschaftlicher Not erlitten hätten und deswegen nach Deutschland kämen, doch das begründe kein Asyl und das muss man den Menschen schnell vermitteln. Es müsse sich nun mit Fluchtursachen in den Ländern, aus denen die Menschen kommen, auseinandergesetzt werden, um den Menschen nicht Antrieb zu geben, zu uns zu kommen.

    Das Interview in voller Länge:
    Christine Heuer: Kollaps mit Ansage, so nennt Horst Seehofer von der CSU die Flüchtlingssituation in den Bundesländern. Und sein Parteifreund Markus Söder will gar über das Grundrecht auf Asyl reden, grundsätzlich offenbar. Angela Merkel bleibt derweil auf ihrem Kurs: "Wir schaffen das!" Von diesem Satz und auch von ihrer Überzeugung, dass das Asylrecht keine Obergrenze kennt, weicht die Kanzlerin nicht ab. Die Entscheidung, Flüchtlingen aus Ungarn den Weg nach Deutschland zu öffnen, die würde sie wieder treffen. All das hat Angela Merkel gestern im "Interview der Woche" mit dem Deutschlandfunk gesagt.
    Wir machen gleich weiter mit dem Thema im Interview mit Guido Wolf. Der CDU-Politiker ist Spitzenkandidat seiner Partei für die Baden-Württemberg-Wahl im März 2016. Guten Morgen, Herr Wolf.
    Guido Wolf: Guten Morgen, Frau Heuer
    Heuer: Angela Merkel bleibt dabei. Sie sagt, wir schaffen das. Wie sieht es in Baden-Württemberg aus? Schaffen Sie es, so viele Flüchtlinge aufzunehmen?
    Wolf: Es ist zweifellos eine ganz große Herausforderung. In unseren Kommunen, in unseren Landkreisen wird Großartiges geleistet und da gilt natürlich schon auch der Blick auf diejenigen, die sich hier in den Rettungsdiensten, in den Flüchtlingsorganisationen bis an die Grenzen des Möglichen engagieren. Wir helfen schon, wo wir können, aber wir können natürlich auch nicht alles leisten.
    Heuer: ist das Boot voll?
    Wolf: Es ist eine ganz differenzierte Position, die ich, die meine Partei in Baden-Württemberg seit Langem vertritt. Wir müssen die Reden da nicht ständig umschreiben.
    Menschen aus Kriegsgebieten, die politisch verfolgt waren, die haben bei uns Zuflucht und Sicherheit verdient. Die brauchen auch schnelle Integration. Aber klar ist auch: Wer aus rein wirtschaftlichen Gründen zu uns kommt - das mag menschlich verständlich sein, das begründet aber nicht Asyl -, diesen Menschen müssen wir in einem kurzen Verfahren verdeutlichen, dass sie in ihre Heimat zurückkehren müssen.
    Heuer: Herr Wolf, das ist ja nun genau das, was Ihre Parteivorsitzende, die Bundeskanzlerin sagt. Horst Seehofer sagt, sie macht aber einen schweren Fehler. Hat der Horst Seehofer Unrecht?
    Wolf: Ich glaube, wichtig ist, dass wir uns an der Situation orientieren, wie sie in unseren Kommunen, wie sie in den Ländern vorherrscht, und da gilt sicherlich auch das, was der Bundespräsident in diesen Tagen gesagt hat. Unser Herz ist weit, aber unsere Möglichkeiten sind begrenzt.
    Auch die Kanzlerin hat sich geäußert, Flüchtlinge ohne Schutzgrund können nicht bleiben. Das heißt, wir müssen eben so differenziert vorgehen, wie ich es zum Ausdruck gebracht habe: Menschen mit Bleibeperspektive schnell integrieren, aber diejenigen, die aus wirtschaftlichen Gründen kommen, da sind die Antworten bis jetzt vielleicht zu zögerlich, da brauchen wir schnellere Verfahren und konsequentere Rückführung in die Heimat, denn diese oftmals jungen Menschen werden natürlich in den Herkunftsländern gebraucht, um auch dort für stabile Verhältnisse zu sorgen.
    "Die Kanzlerin hat Handlungskompetenz bewiesen"
    Heuer: Herr Wolf, das ist alles unbestritten, wird auch viel besprochen. Trotzdem ist es ja so, dass es ganz starke Kritik auch aus den eigenen Reihen gibt an der Kanzlerin, unter anderem aus der CSU. Teilen Sie diese Kritik, oder sagen Sie, nein, die Kanzlerin macht das schon richtig?
    Wolf: Für die Kanzlerin ist es sicherlich wichtig und dafür ist sie bekannt, in schwierigen Situationen jetzt nicht ins Flattern zu kommen, sondern Führung zu zeigen. Aber die Kanzlerin hat in der letzten Woche mit der Großen Koalition wichtige Schritte auf den Weg gebracht, Handlungskompetenz bewiesen.
    Heuer: Genau! War das jetzt alles richtig? Sagen Sie, Ihre Kanzlerin macht eine gute Flüchtlingspolitik?
    Wolf: Wir haben mit der Kanzlerin an der Spitze in der letzten Woche - und ich beziehe die SPD ausdrücklich mit ein - ein großes Paket auf den Weg gebracht, das Maßnahmen zur Folge hat, die man sich bislang so nicht hätte vorstellen können: den ganz konsequenten Umstieg von Geld- auf Sachleistungen, die schnellen Verfahren, dem Verbleib der Flüchtlinge in der Erstaufnahme, bis endgültig geklärt ist, ob sie bleiben können oder nicht. Das sind natürlich wichtige Schritte, die jetzt auch schnell in den Ländern, übrigens auch in Baden-Württemberg umgesetzt werden müssen. Da erwarte ich auch vom grünen Ministerpräsidenten, dass er nicht nur redet, sondern das alles jetzt konsequent umsetzt.
    "Wir müssen die Sorgen und Ängste der Menschen ernst nehmen"
    Heuer: Also ich höre schon, Herr Wolf, zwischen der CSU und der CDU-Vorsitzenden, da möchten Sie sich jetzt nicht entscheiden und festlegen lassen. Im Deutschlandtrend ist es aber eindeutig: Merkel verliert im Moment. Seehofer, der sie kritisiert für ihre Flüchtlingspolitik, der gewinnt. Vermasselt Ihnen die Kanzlerin gerade Ihren Wahlkampf in Baden-Württemberg?
    Wolf: Aber nein! Wir haben in Baden-Württemberg eine klare differenzierte Position, die die Menschen auch wahrnehmen, die ich übrigens von Anfang an so vertreten habe. Wir stehen bei den Menschen, wir sind als CDU in Baden-Württemberg ganz stark an der Basis unterwegs. Ich selbst war ja früher auch Landrat und Bürgermeister, ich kenne die Situation vor Ort. Da kommt man schon auch an Grenzen, das spüre ich, und da muss man helfen.
    Und ich gehöre auch zu denen, die die Sorgen und Ängste der Menschen nicht ausblenden wollen. Natürlich wird viel diskutiert und wir können das Thema in Baden-Württemberg nicht einfach ausblenden, nur weil in fünfeinhalb Monaten Landtagswahl ist. Wir müssen die Sorgen und Ängste der Menschen ernst nehmen. Sonst tun das Parteien, die wir am Ende eines Wahltages eben nicht in unseren Parlamenten wiederfinden wollen.
    "Es gibt Austritte, das weiß ich"
    Heuer: Die gehen dann und wählen vielleicht die AfD. Wie viele Parteiaustritte verzeichnet denn die CDU in Baden-Württemberg dieser Tage so?
    Wolf: Es gibt Austritte, das weiß ich wohl. Es ist nicht dramatisch. Es gibt aber natürlich vereinzelt auch Unmutsäußerungen, dass man mit diesem und jenem und insbesondere auch mit dieser Flüchtlingspolitik nicht einverstanden ist.
    Aber wir haben nach wie vor auch in unserer Partei sehr konstruktive Positionen, die sagen, ihr müsst differenziert vorgehen. Das wird von uns erwartet und insofern habe ich die Überzeugung, dass wir in Baden-Württemberg hier angesichts dieser großen Herausforderung den richtigen Weg gefunden haben, noch mal getreu Gaucks Aussage, unser Herz ist weit.
    Das ist Gott sei Dank so, dass die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung groß ist. Aber unsere Möglichkeiten sind begrenzt. Auch das gilt, wenn ich mir die Unterbringungssituation vor Ort anschaue.
    "Natürlich gibt es Flüchtlinge, die unseren Wohlstand im Auge haben"
    Heuer: Herr Wolf, Sie haben jetzt mehrfach gesagt, Sie machen eine differenzierte Flüchtlingspolitik, sie persönlich auch. Andererseits sagen Sie im Wahlkampf, viele Flüchtlinge sähen Deutschland als moderne Variante des Schlaraffenlands. Machen Sie Wahlkampf mit der Angst der Menschen?
    Wolf: Ich weiß nicht, was daran schlecht sein soll, wenn man zum Ausdruck bringt, ...
    Heuer: Man macht im Bierzelt heftig Stimmen.
    Wolf: Nein, nein! Das hat mit Bierzelt ... - Wir sollten die Menschen, die sich Sorgen machen, nicht immer gleich ins Bierzelt versetzen. Das sind Menschen, die man täglich auf der Straße treffen kann. Ich lehne es ab, diese Sorgen gleich so in den Populismus der rechten Ecke zu schieben. Deswegen trauen sich auch viele nicht mehr, das zu artikulieren.
    Ja, man muss es ansprechen, dass es natürlich auch Flüchtlinge gibt, die unseren Wohlstand im Auge haben. Das sind nicht diejenigen aus Syrien, die aus echter Not und Verzweiflung und politischer Verfolgung kommen. Aber es gibt natürlich auch Menschen, die in ihrer Heimat wirtschaftliche Not leiden und den Eindruck und die Überzeugung gewonnen haben, dass in Deutschland, dass in Baden-Württemberg die Lebensverhältnisse viel besser sind, und die eben auch an unseren Wohlstand wollen. Aber das begründet kein Asyl und das muss man diesen Menschen schnell und deutlich vermitteln.
    "Es gibt keine schnelle Lösung"
    Heuer: Nun, Herr Wolf, soll die Türkei helfen, die Außengrenzen zu schützen. Es gibt darüber heute ganz konkrete Gespräche in Brüssel über einen Aktionsplan. Liegt der Schlüssel zur Lösung in Ankara?
    Wolf: Ich glaube, es gibt nicht einen einzigen Schlüssel zur Lösung dieses Problems. Natürlich hat das Ganze eine weite außenpolitische Dimension und ich finde es richtig, dass die Kanzlerin natürlich auch genau diesen Blick ins Ausland richtet, um die Fluchtursachen zu bekämpfen. Die schnelle Lösung dazu kann es nicht geben. Es sind viele Gründe, die hier eine Rolle spielen. Wir sollten uns, glaube ich, jetzt verstärkt im Bund sowieso, aber auch in den Ländern genau mit diesen Fluchtursachen auseinandersetzen. Es ist sehr viel wichtiger, den Menschen dort zu helfen, wo sie sind, um ihnen nicht antrieb zu geben, sich zu uns nach Deutschland aufzumachen.
    Heuer: Guido Wolf, der CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Baden-Württemberg, war das im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Herr Wolf, vielen Dank, einen schönen Tag.
    Wolf: Bitte schön, Frau Heuer.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.