Samstag, 04. Mai 2024

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Flüchtlingskrise
"Es wird Jahre dauern, wenn nicht Generationen"

Im Umgang mit der Flüchtlingskrise plädiert die Schriftstellerin Ulrike Draesner für eine Enttabuisierung der Themen Flucht und Vertreibung in Deutschland. Langfristig helfe ein klareres Gedenken der eigenen Vergangenheit, sagte sie im DLF. Denn die Folgen der aktuellen Situation würden uns noch lange begleiten.

Ulrike Draesner im Gespräch mit Maja Ellmenreich | 04.10.2015
    Flüchtlinge nach ihrer Ankunft an einem Bahnsteig am Bahnhof in Schönefeld
    Ulrike Draesner wünscht sich "konkrete Hilfsmaßnahmen möglichst frei von Erniedrigungen" für Flüchtlinge (picture alliance/dpa/Patrick Pleul)
    Beim Thema Flucht und Vertreibung müsse es darum gehen, ein "öffentliches Gedächtnis" herzustellen, so Draesner im Interview. "Wir sind gefragt, uns damit auseinanderzusetzen und uns noch einmal klar zu machen: Wie gehen wir mit dem Teil der Geschichte um?"
    Dabei müssten auch Schwierigkeiten genannt werden dürfen, beispielsweise wie es war, nach dem Zweiten Weltkrieg mit Menschen konfrontiert zu sein, die aus den Ostgebieten des nationalsozialistischen Reiches kamen und eine andere Sprache sprachen und andere Religion hatten. Lange sei diese Auseinandersetzung zur Seite geschoben worden, über die Erfahrungen in den Familien nicht gesprochen worden.
    Ulrike Draesner
    Ulrike Draesner (dpa / picture alliance / Swen Pförtner)
    "Hilfsmaßnahmen möglichst frei von Erniedrigungen"
    In der aktuellen Situation sei es deshalb wichtig, zu wissen, wie stark Traumatisierungen bei den Menschen weiterwirken, so Draesner. Man müsse über langfristige Maßnahmen nachdenken, denn: Die Folgen der aktuellen Situation würden "viele Jahre dauern, wenn nicht Generationen".
    Aktuell wünsche sie sich "konkrete Hilfsmaßnahmen möglichst frei von Erniedrigungen" und Deutschland "einen langen Atem". Das sei es, was die Flüchtlinge brauchen.
    Mit dem Thema Krieg, Vertreibung und Flucht setzte sich Ulrike Draesner in ihrem im vergangenen Jahr veröffentlichten Roman auseinander. In "Sieben Sprünge vom Rand der Welt" schilderte sie die deutsche Geschichte anhand von vier Generationen einer Familie.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.