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Flüchtlingspolitik in Frankreich
Wachsender Druck durch illegale Einwanderer

Immer mehr Flüchtlinge, vor allem Ostafrikaner, kommen nach Frankreich. Einen Asylantrag stellen sie jedoch nicht. Sie sehen die Grande Nation eher als Durchgangsland, um nach Deutschland oder Großbritannien weiterzureisen. Und dabei ist ihnen jedes Mittel recht. Besonders dramatisch ist die Lage in der Hafenstadt Calais am Ärmelkanal.

Von Ursula Welter | 27.10.2014
    "Gerade gestern habe ich es wieder versucht."
    Samarah ist 17 Jahre jung und erzählt den Reportern von Radio France, wie er täglich mehrmals Anlauf nimmt, um in Calais auf einen Lastwagen zu springen, aufs Hafengelände zu gelangen, auf eine Fähre nach Großbritannien.
    "Das ist mein Ziel, wo ein Wille ist, ist auch ein Weg",
    sagt der junge Mann aus Eritrea. Mit ihm sind rund 2.300 Flüchtlinge in der Region am Ärmelkanal unterwegs.
    "Sehen Sie, die klammerten sich unter den Autobahnbrücken fest, um auf die Lastwagen zu springen, die Richtung Kanalfähre fahren. Jetzt wurde die Brücke geschlossen",
    schildert ein Trucker im Hafengebiet von Calais.
    "Sie schneiden die Planen auf, um auf die Trucks zu kommen. Man muss das gesehen haben, die wollen wirklich um jeden Preis rüber."
    Das Flüchtlingsphänomen ist für Calais nicht neu. Wilde Camps wurden immer und immer wieder geräumt. Aber die Lage hat sich geändert, sagt der Präfekt der Region, Denis Robin.
    "Zum Jahresanfang hat der damalige Innenminister Valls mehr Sicherheitskräfte für die Innenstadt von Calais geschickt, das half zunächst. Aber seit dem Frühjahr kommen all die Flüchtlinge aus Ostafrika, aus Eritrea, aus Somalia, das hat die Lage komplett verändert."
    Inzwischen heißt der Innenminister Frankreichs Cazeneuve und der hat Ende der vergangenen Woche erneut aufgestockt. 100 Polizisten und Gendarme zusätzlich wurden nach Calais geschickt, zur Sicherung der Innenstadt und des Hafengeländes.
    "Das Verhalten der Migranten ändert sich, es gibt mehr Aggressivität, die Entschlossenheit über den Ärmelkanal zu kommen, nimmt zu, für die Polizei wird es hier immer schwieriger",
    sagt der Präfekt.
    Der Front National weidet das Thema Einwanderung für seine Zwecke aus.
    Am vergangenen Freitag eilte die Parteichefin, Marine Le Pen, nach Calais, um den Bürgern zur Seite zu stehen. Und, um zu sagen, was sie täte, wäre sie schon an der Macht:
    "Ich würde sie festnehmen, verurteilen, die Richter bitten, zu verurteilen, ich würde sie ausweisen, damit sie in ihre Länder zurück gehen."
    Ältere Bewohner von Calais jubelten der Chefin des Front National zu, junge Leute wiederum solidarisierten sich mit den Flüchtlingen. Marine Le Pen hielt dagegen:
    "Ich höre schon alle sagen, 'die armen Migranten'. Sicher – es gibt Not, aber bei den Bewohnern von Calais, gibt es da etwa keine Not?"
    Der drastische Anstieg der Zahlen im Norden überzeichnet die Einwanderungskarte Frankreichs jedoch, erwidert die Zeitung "Le Monde".
    So stieg zwar die Zahl der Flüchtlinge, die weiter nach Großbritannien wollen, an – von 1.500 Menschen vor acht Wochen auf jetzt mindestens 2.300.
    Rückläufige Asylanträge
    Die Zahl der Asylanträge in diesem Jahr ging jedoch um 11.600 zurück. Frankreich sei zunehmend Transitland, Durchgangsstation auf dem Weg in die als reicher angesehen Länder, Großbritannien, Deutschland, Schweden schreibt "Le Monde" unter Berufung auf offizielle Einwanderungsstatistiken.
    Und für viele blühe das Geschäft mit dem Transit, schildert einer der humanitären Helfer im französischen Rundfunk.
    "Es gibt Hafenarbeiter, die ein Auge zudrücken für die Flüchtlinge, die für eine Überfahrt besser bezahlen als andere. Dann gibt es diejenigen, die Fahrten auf Parkplätze an der Autobahn in Belgien organisieren, damit die Afrikaner dort auf die Lastwagen steigen können."
    Bis zu 1.500 Euro kostet die Passage, ein Teil davon ist an die Schlepper in London zu zahlen, sagt er.
    Unterdessen kämpft die Bürgermeisterin von Calais, Natacha Bouchart, um die Lösung der drängenden, humanitären Probleme. Nach langem Zögern, wurden Unterkünfte organisiert, in denen wenigstens die Frauen und Kinder übernachten können.
    Nach längeren Verhandlungen hat sich auch Großbritannien bereit erklärt, Frankreich finanziell bei der Sicherung der Grenze unter die Arme zu greifen. Aber, sagt Bouchart, das Problem, das Calais hier auf lokaler Ebene habe, sei ein europäisches Problem, ein Problem ersten Ranges.