Archiv

Flüchtlingsstrom
Mit Soldaten gegen Schleuser?

Im Rahmen eines informellen Treffens in Luxemburg diskutieren die EU-Außenminister auch darüber, wie das Geschäft von Schleusern eingedämmt werden kann. Im Gespräch ist dafür auch der Einsatz von Soldaten.

Von Annette Riedel |
    Wellen tosen auf dem Meer
    In Phase zwei der Anti-Schlepper-Mission der EU im Mittelmeer könnten Schiffe auf hoher See geentert oder gar zerstört werden, wenn sie offensichtlich Schleuser-Boote sind. (dpa picture alliance/ Christof Martin)
    Europäische Asyl- oder Flüchtlingspolitik ist nicht zuletzt EU-Außenpolitik. Alles, was da an gemeinsam-europäischer Politik möglich ist, setzt immer die einstimmige Billigung aller 28 Mitgliedsländer voraus. Die haben sich einstimmig geeinigt, dass sie im Mittelmeer gemeinsam stärker gegen kriminelle Schlepperbanden vorgehen wollen – in drei Phasen. Wir befinden uns zurzeit in der Phase eins:
    "Das bedeutet: Informationen sammeln und in internationalen Gewässern patrouillieren, um Erkenntnisse über Schleuser-Netzwerke zu gewinnen."
    Dafür bekam sie, die EU-Außenbeauftragte Mogherini, vergleichsweise problemlos und vergleichsweise schnell die Zustimmung aller EU-Regierungen. Mit geheimdienstlichen Mitteln, und mit vier Schiffen, zwei Flugzeugen, drei Hubschraubern späht die EU im Mittelmeer die Infrastruktur der Schleuser-Netzwerke aus.
    "Die Beobachtung ist gut, ist richtig", sagt Manfred Weber, der Vorsitzende der Volksparteien im Europäischen Parlament. "Aber, ehrlich gesagt, wir wissen, wo die Schleuser arbeiten. Wir wissen auch, wo die Häfen sind, von denen aus sie operieren."
    Und deshalb sei es höchste Zeit, in Phase zwei der EU-Anti-Schlepper-Mission im Mittelmeer überzugehen. Catharine Ray, Mogherinis Sprecherin, zu der Frage, was dann möglich würde.
    "Schiffe könnten auf hoher See vom Kurs abgedrängt, geentert, beschlagnahmt, oder zerstört werden, wenn sie offensichtlich Schleuser-Boote sind."
    Im Oktober könnte es losgehen
    Wie Mogherinis Sprecherin sagt: auf hoher See, also in internationalen Gewässern. Erst in einer dritten Phase sollte dieses auch vor oder sogar an der Küste Libyens möglich werden.
    Das ist der Kommandant der EU-Operation im Mittelmeer, der italienische Konteradmiral Enrico Credendino. Er war Ende vergangener Woche in Brüssel und erstattete Bericht über den Stand der Dinge. Aus seiner Sicht hat man genug Informationen, steht dem Eintritt in Phase zwei militärisch nichts mehr im Wege. Die Zahl der beteiligten Schiffe sollte allerdings erhöht werden, und dann könnte es aus seiner Sicht spätestens im Oktober losgehen.
    "Er hat den Botschaftern der Mitgliedsländer bei der EU einen entsprechenden Vorschlag präsentiert, was gemäß Seerecht auf hoher See militärisch machbar wäre."
    Allerdings hört es da mit der Einigkeit unter den EU-Staaten auf. Einige sehen es wie Credendino so, dass es das Seerecht im Grunde schon heute erlaubt, führerlos treibende Schiffe in internationalen Gewässern zu vernichten, wenn sie zu einem Hindernis für die Schifffahrt werden können. Das ist meist gegeben, wenn einmal die Flüchtlinge gerettet sind. Andere Regierungen bestehen aber darauf, dass es auch für die zweite Phase bereits zwingend eines UN-Mandats bedürfe. Ohne Einigung – keine Phase zwei. Nach den EU-Verteidigungsministern werden heute und morgen in Luxemburg auch die EU-Außenminister bei ihrem informellen Treffen darüber diskutieren.
    "Der Ministerrat wird zu bewerten haben, ob die Bedingungen erfüllt sind, um zur zweiten und dritten Phase der Operation überzugehen."
    Spätestens für das Operieren in libyschen Hoheitsgewässern aber bedürfte es des Mandats vom UN-Weltsicherheitsrat - und/ oder der Zustimmung der libyschen Regierung. Derer gibt es aber momentan noch immer zwei rivalisierende, so dass die libysche Zustimmung augenblicklich nicht zu haben ist. Und ein UN-Mandat ist schwerer zu bekommen, als sich das Mogherini vielleicht vorgestellt haben mag. Zumal dort nicht die EU Sitz und Stimme hat, sondern nur, mit Frankreich und Großbritannien, zwei einzelne EU-Länder. Das Werben für ein Mandat geht hinter den Kulissen weiter, sollte weiter gehen, findet auch der CSU-Europaparlamentarier Manfred Weber.
    "Lassen Sie es uns versuchen, die nächsten Monate – auch vor allem mit russischer Unterstützung, die wir dafür ja brauchen im Sicherheitsrat. Ich würde die Hoffnung heute nicht aufgeben, dass es uns gelingt, das hinzukriegen."
    Zurzeit hat Russland den Vorsitz im Weltsicherheitsrat. Der russische UN-Botschafter Tschurkin hat in dieser Woche angedeutet, dass noch in diesem Monat eine Resolution beschlossen werden könnte. Eher unwahrscheinlich ist allerdings, dass diese auch ein Mandat für Phase drei, also das Vorgehen gegen Schleuser Nahe der lybischen Küste, beinhalten wird.