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Flüchtlingsunterbringung
Für dubiose Geschäftemacher eine Lizenz zum Gelddrucken

Nicht nur in Berlin ist die Unterbringung von Flüchtlingen schon längst an ihre Grenzen gestoßen. Die Behörden sind so froh über jedes Haus, das ihnen angeboten wird, dass vieles gar nicht überprüft wird. So mancher Geschäftemacher und auch Hostelbetreiber verdient sich daran eine goldene Nase.

Von Anja Nehls | 28.08.2015
    Ein Flüchtlingskind sitzt in Berlin auf dem Gelände des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) auf einem Bordstein.
    Manchmal wissen die Behörden nicht, wie sie Flüchtlinge unterbringen sollen. Ein Flüchtlingskind sitzt in Berlin auf einem Bordstein. (picture alliance / dpa / Paul Zinken)
    Vor dem Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales herrscht Hochbetrieb. Zwei Männer und zwei Teenager aus Syrien beugen sich über den Bildschirm ihres Smartphones und versuchen, sich in dem Gewirr aus bunten Linien und deutschen Wörtern zurechtzufinden.
    "Wir haben entdeckt, wie man den Fahrplan durch Internet runterlädt und dadurch können wir den Weg finden." Den Weg zur Unterkunft. Bis nach Lichtenberg müssen sie jeden Tag, dort wohnen sie in einem Heim, zu viert in einem Zimmer, aber immerhin legal. Selbstverständlich ist das in Berlin zur Zeit nicht. Immer wieder werden Gebäude zweckentfremdet und illegal als Einrichtung für Asylbewerber genutzt. Zuletzt hat ein Geschäftemacher 80 Menschen in einem Pankower maroden Gewerbegebiet untergebracht- wie der RBB aufgedeckt hat. Bezirksstadtrat Jens –Holger Kirchner zeigte sich entsetzt: "Das ist ein Gewerbeobjekt und das ist überhaupt nicht für Wohnen geeignet, die sanitären Verhältnisse, alles entspricht nicht mitteleuropäischen Standards und auch nicht genehmigungsfähigen Standards, also das geht hinten und vorne nicht. Insgesamt ist ja wohl das Geschäft mit Flüchtlingsunterkünften eine Lizenz zum Gelddrucken, noch dazu wenn nicht ordentlich kontrolliert wird, oder nicht kontrolliert werden kann."
    Lasndesamt kommt mit dem Bezahlen nicht nach
    Aber das Geschäft mit den Flüchtlingen ist verlockend und es bringt viel Geld. Für jeden Flüchtling, der nicht in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden kann, zahlt der Berliner Senat bis zu 50 Euro pro Nacht - machte zum Beispiel 10.500 Euro Monatsmiete für eine Vier-Zimmer-Wohnung, wo eine Zeit lang eine Mutter mit sechs Kindern einquartiert war. Normalerweise kostet die Wohnung 1.000 Euro Miete. Betrügereien dieser Art kommen häufig vor. Jeder Bezirk hat damit Erfahrungen gemacht, sagt Christian Hanke, der Bezirksbürgermeister von Mitte: "Also das Phänomen kennen wir natürlich auch, dass teilweise auch Leute, die Leistungen vom Jobcenter bekommen, gar nicht in ihrer Wohnung wohnen oder die selber dann noch untervermieten und dann damit auch nochmal gutes Geld machen. Genauso wie wir auch immer wieder Fälle haben, wo Ferienwohnungen, die wir ja sowieso nicht haben wollen, genutzt werden, um hier Geschäfte zu machen."
    Vielen Flüchtlingen werden vom Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales Lageso Hostelgutscheine in die Hand gedrückt. Auf der Straße warten dann dubiose Geschäftemacher, um die Menschen anzusprechen, mitzunehmen und irgendwo - oft unter menschenunwürdigen Bedingungen - unterzubringen. Um die Gutscheine dann beim Amt abzurechnen. Mitte will jetzt eine Datenbank einrichten, um so etwas künftig zu verhindern. Eine Unterkunft in einem seriösen Hostel gibt es für Flüchtlinge in Berlin aber kaum noch, sagt Christian Hanke: "Weil sie keine Hostels finden, die sie aufnehmen. Das hat unter anderem seinen Grund darin, dass das Landesamt für Gesundheit und Soziales nicht mehr mit der Rechnungsbegleichung nachkommt, weil sie zu wenig Mitarbeiter haben und natürlich ein Unternehmer auch rechnen muss und sagt, wenn ich hier Außenstände von einem halben Jahr habe, mache ich das nicht mehr."
    Froh über jedes Haus, das angeboten wird
    Hostelbetreiber, die noch Flüchtlinge aufnehmen, verlangen saftige Preise. Das Amt ist in einer Zwickmühle, sagt Lageso Chef Franz Allert: "Wenn Sie in ein Hostel gehen oder in ein Hotel gehen, dann können Sie mit dem Hotelbetreiber auch nicht verhandeln. Also wir sind eben in der Situation, genau diesen Preis zahlen zu müssen, der in diesem Moment von einem Hostel dann auch aufgerufen wird."
    Sechsstellige Beträge allein an Maklerprovision zahlte das Lageso bereits für die Vermittlung von Flüchtlingsunterkünften. Die Nachfrage nach Wohncontainern, Dixie Klos, Zelten und Ausstattung ist bundesweit so hoch, dass die Preise dafür explodiert sind. Das Lageso in Berlin ist derzeit froh über jedes Haus, das als Unterkunft angeboten wird, die Betreiber können sich eine goldene Nase verdienen. Mittes Bezirksbürgermeister Christian Hanke fordert deshalb deutlich mehr Personal für alle Ämter, die mit der Unterbringung von Flüchtlingen zu tun haben: "Das Lageso ist ja gar nicht mehr in der Lage, zur Zeit wirklich nachzuprüfen. Deshalb sind wir angewiesen auf kritische Journalisten oder eben auf Nachbarn, die Hinweise geben, dass man dann gezielt überprüfen kann. Es ist einfach so, das System ist an der Stelle kollabiert."