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Flüchtlingswelle aus Syrien
Israel lässt Grenzen geschlossen

Israel gibt sich knallhart gegenüber Geflüchteten aus Syrien. Man werde sich nicht in ein Land verwandeln, das Flüchtlinge aufnimmt, heißt es. Doch das Problem dürfte in den nächsten Wochen noch stärker werden.

Von Julio Segador | 30.06.2018
    Syrische Zivilisten verlassen die Stadt Daraa nach anhaltenden Kämpfen und Beschuss.
    Syrische Zivilisten verlassen die Stadt Daraa - Ihr Ziel: Israel (AFP / Mohamad ABAZEED)
    Das Video, das das israelische Militär ins Netz gestellt hat, läuft ohne Ton. Schwerbewaffnete Soldaten bringen in der Nacht Hilfsgüter von Israel über die Grenze nach Syrien. Die Nachtsichtkamera filmt wie der Grenzzaun geöffnet wird, und die Kisten und Pakete ganz in der Nähe sorgsam aufeinandergestapelt werden.
    An einer anderen Stelle des Grenzzauns packt ein Gabelstapler Paletten von einem israelischen auf einen syrischen LKW.
    "Operation Good Neighbor" - "Operation Guter Nachbar" lautet die Überschrift für den Transport. 300 Zelte, 13 Tonnen Lebensmittel, 15 Tonnen Baby-Nahrung, dazu drei Paletten Medikamente und 30 Tonnen an Kleidung und Schuhen werden allein in dieser Nacht bereitgestellt.
    Die Flüchtlingscamps wachsen stündlich an
    Hilfslieferungen aus Israel für die Flüchtlinge auf der syrischen Seite entlang der von Israel besetzten Golan-Höhen.
    Die syrischen Zivilisten flüchten zu Zehntausenden aus dem umkämpften Gebiet im Südwesten Syriens, das nur 60 Kilometer von der israelischen Grenze entfernt ist. Die Flüchtlingscamps - von der israelischen Grenze aus mit bloßem Auge zu sehen - wachsen stündlich an. Es gibt dort weder Wasser, noch Strom, die Versorgungslage ist dramatisch.
    Der israelische Minister  bei der Pressekonferenz nach seinem Treffen mit seinem türkischen Amtskollegen Berat Albayrak während des 23. Welt-Energie-Kongresses in Istanbul/Türkei am 13.10.2016.
    Der israelische Energieminister Yuval Steinitz: "Der Grenzübertritt muss verhindert werden" (picture alliance / dpa / EPA/SEDAT SUNA)
    Dennoch wird Israel keine Flüchtlinge aufnehmen. Der Grenzübertritt müsse verhindert werden, macht Energieminister Yuval Steinitz in einem Radiointerview deutlich. Eine Haltung, die Yaakov Amidror, der ehemalige Leiter des Nationalen Sicherheitskabinetts in Israel, unterstützt:
    "Falls jemand an den Grenzzaun kommt und medizinische Behandlung benötigt, wird er diese bekommen. Humanitäre Hilfe und medizinische Hilfe, ja. Aber wir werden uns nicht in ein Land verwandeln, das diese Flüchtlinge aufnimmt."
    Israel bleibt hart
    Mit Sorge beobachtet Israel die fragile Lage im Südwesten Syriens, wo die Kämpfe zwischen der syrischen Armee und deren verbündeter Milizen auf der einen Seite und den Rebellen auf der anderen Seite immer heftiger werden. Nach Angaben der Vereinten Nationen befinden sich in der Region schon jetzt rund 50.000 Menschen auf der Flucht. Die Zahl dürfte in den kommenden Wochen rasch anwachsen.
    Israel aber bleibt dabei. Es will keine Flüchtlinge aufnehmen. Und der frühere Leiter des nationalen Sicherheitskabinetts Yaakov Amidror sieht keinen Grund von dieser Haltung abzurücken.
    "Wir reden hier von zwei Gruppen, in denen jede bereit ist, die Mitglieder der anderen zur ermorden, wenn sie gewinnen würde. Israel sollte sich nicht in diesen jahrhundertealten Konflikt einmischen. Und wir sollten nicht glauben, dass wir jemand retten würden, mit dem man Mitleid haben müsste. Deswegen müssen wir sehr aufpassen, uns nicht in einen Krieg ziehen zu lassen, der nicht unserer ist."
    Angst vor islamistischen Kämpfern unter den Flüchtlingen
    Doch es gibt in Israel auch Kritik an dieser Haltung. Saleh Saad, Abgeordneter der Zionistischen Union in der Knesset, betonte, die Situation an der israelisch-syrischen Grenze schreie geradezu nach einer kreativen Lösung. Er schlägt Flüchtlingscamps auf der israelischen Seite im Grenzgebiet vor, die solange Bestand haben sollen, bis die internationale Gemeinschaft eine Lösung in dem Flüchtlingsdrama findet.
    Eine Haltung, die in Israel allerdings keine Mehrheit hat. Das Militär befürchtet, dass mit den Flüchtlingen aus Syrien islamistische Kämpfer nach Israel eindringen könnten.
    Auch deshalb ist Israels Generalstabschef Gadi Eisenkot in die USA geflogen, um dort mit führenden Militärs die Lage in Syrien zu analysieren. Und am Sonntag wird sich das Sicherheitskabinett unter der Leitung von Premierminister Netanjahu mit dem Thema beschäftigten.
    Auf der Tagesordnung: Wie kann sich Israel auf einen mögliche Eskalation des Konfliktes im Norden des Landes vorbereiten.