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"Fördern und Fordern"

"Gutes Zusammenleben - klare Regeln" lautet das Motto des ersten Integrationsgipfels in Berlin. Ziel ist es, langfristig neue Strategien und Ansätze zu entwickeln, um mithilfe der sprachlichen Integration und Bildung von Migranten in Deutschland die bestehenden Defizite abzubauen. Doch: Wie weit soll eine Verpflichtung für in Deutschland lebende Ausländer gehen?

Von Dorothea Jung |
    Die Integration von Zuwanderern wird mit mittlerweile als politische Schlüsselaufgabe gesehen, wie es das Bundeskabinett am vergangenen Mittwoch noch einmal betonte. Wie schwierig sich diese Aufgabe in ihrer realen Umsetzung zukünftig gestalten wird, zeigt sich im Berliner "Problemkiez" des Rollberg-Viertels.

    "Diese bunte Vielfalt an Obst, an Lebensmitteln, ich möcht's nicht missen wollen hier im Bezirk. Aber andererseits gab's auch viele Auseinandersetzungen, weil die die Menschen immer sofort auf Türkisch angesprochen haben, wer da rein gekommen ist. Wo dann die Kunden dann auch ziemlich barsch gesagt haben: Ich bin kein Türke, rede gefälligst Deutsch mit mir, wir sind hier in Deutschland!"

    Seit 30 Jahren wohnt Barbara Seid in Kreuzberg. Fast ihr halbes Leben. Doch in jüngster Zeit fühlt sich die Mutter zweier Töchter manchmal fremd in ihrem Kiez: Die altlinke Kreuzbergerin kann nicht verstehen, was der Marktschreier ruft. Sie kann nicht lesen, was auf dem Reklameschild am Imbiss steht. Und sie kann sich mit ihren verschleierten Nachbarinnen auf der Straße nicht unterhalten.

    "Hier kommt eine Frau mit langen wallenden Gewändern, Kopftuch tragend. Ständig sieht man Frauen mit der Burka rumlaufen - man sieht also nur die Schuhe, die Hände, mehr nicht. Und das hier hat auch Auswirkungen auf mich als nicht Kopftuch tragende, nicht Burka tragende Frau. Denn diese Frauen, sagen sie, verhüllen ihre Scham. Und bringen dann ihren Jungs bei, dass diejenigen, die das nicht machen, die sind "unrein". Und in dem Moment, wo man kritisiert, heißt es einfach: Du bist ausländerfeindlich. Das tut einfach weh!"

    Erfahrungen einer Kreuzbergerin. Erfahrungen, in denen es kein Miteinander von Deutschen und Zuwanderern gibt, sondern ein auffälliges Nebeneinander. Erfahrungen, die das Schlagwort von der "Parallelgesellschaft" illustrieren.

    Szenenwechsel nach Berlin-Neukölln, mitten in den "Problemkiez" Rollberg-Viertel: Eine Siedlung, die in den Medien gerne die "Bronx von Berlin" genannt wird. Das heißt: hoher Ausländeranteil, viel Verwahrlosung, viel Gewalt.

    Hier arbeiten die Sozialarbeiter Gilles Dulhem und Renate Mulak als "Quartiersmanager". Die beiden sollen dafür sorgen, dass die Nachbarschaft im Viertel besser funktioniert. Und stoßen dabei täglich auf Sprachbarrieren:

    "Wir haben eine Siedlung voller Kinder, voller Jugendlicher. Das Problem ist, wenn man sich mit denen unterhält und wenn man mit den Schulen spricht, dann bekommen wir wirklich ganz, ganz viele graue Haare, weil wir uns immer denken: Um Gottes willen! Was soll aus denen werden? Weil, sie einfach alle viel zu niedrig qualifiziert sind. Und das fängt wirklich mit der Sprache an."

    ""Wir erleben das täglich, dass Kinder, die in die Schule kommen, nur radebrechen, nur Deutsch radebrechen. Und es ist überhaupt kein Bewusstsein bei den Eltern darüber vorhanden, wie wichtig die Sprache ist."

    "Wenn wir es schon schaffen würden, dass jeder Jahrgang die Schule verlässt mit Lesen, Schreiben und Rechnen für alle - da hätte man einen Riesenschritt in punkto Integration gemacht. Und wir sind sehr weit davon entfernt."

    Neben dem Büro der beiden Quartiersmanager liegt ein Mädchentreffpunkt. Hierher kommen viele Kopftuch tragende Jugendliche aus dem Kiez - oft heimlich. Es sind Teenager, die niemals wagen würden, einen Freund zu haben, weil das ihre Familienehre in Frage stellen würde. Mädchen wie Dilan, Berfin und Sahra zum Beispiel, die sich nicht vorstellen können, Hochzeit zu feiern ohne Jungfrau zu sein:

    "Die Eltern können sagen: Wir müssen Dich zum Beispiel umbringen, kann ja sein, oder?"

    "Oder wird von der Familie gestoßen und als schlimmes Mädchen verhandelt."

    "Ich würde mir das nicht trauen, meinen Eltern zu sagen."

    "Ich auch nicht, aber ich denk mal, die Frau muss dann akzeptieren, weil sie weiß genau, dass sie von der Familie so dann wie Außenseiter genommen wird."

    "Ich würde meinen Eltern nichts sagen. Die würden vielleicht mich auch schlagen oder umbringen."

    "Ja, voll krass."

    "Ich würde auch so was nicht machen."

    "Gott sei Dank, dass wir nicht solche Mädchen sind."

    Etwas läuft schief mit der Integration von Migranten in Deutschland: Frauen und Mädchenrechte werden unterdrückt, es gibt offensichtliche Bildungsmängel und die Gefahr von Parallelgesellschaften. Doch es bedurfte erst eines "Ehrenmordes" und des Hilferufes aus der Neuköllner Rütli-Schule, um die Politik wachzurütteln. "Wir müssen etwas tun", sagt die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer:

    "All das hat uns dazu geführt zu sagen, dass man im Bereich der Integration eine ganzheitliche, eine systematische Integrationspolitik braucht - Integration geschieht nicht von selbst. Und diese Integrationspolitik, die soll sich orientieren an dem Grundsatz des "Förderns und Forderns"."

    Das Schlagwort vom "Fördern und Fordern" soll mit Leben erfüllt werden: Morgen findet ein Integrationsgipfel statt. Gastgeberin ist Angela Merkel. Auf ihrer Gästeliste stehen 70 Teilnehmer: Vertreter aus Politik und Wirtschaft, aus Kirchen- und Wohlfahrtsverbänden sowie Migranten verschiedener Herkunftsländer. Zweck des Gipfels ist, einen Arbeitsprozess anzustoßen, bei dem ein "Nationaler Integrationsplan" entwickelt wird. Dazu Maria Böhmer:

    "Ich möchte, dass aus der Fülle der Programme, der Projekte, der Modelle, wir dann zu einem systematischen Maßnahmenansatz kommen. Der nicht nur von politischer Seite gestaltet wird, sondern auch von einer aktiven Bürgergesellschaft, und vor allen Dingen gemeinsam mit den Migrantinnen und Migranten."

    Über die Gästeliste des Gipfels gab es bereits viel Streit: Angela Merkel und ihre Integrationsministerin hätten nicht genügend Migrantenvertreter eingeladen, heißt es - und vor allem nicht die richtigen. Sie hätten mit dem islamisch-türkischen Verband DITIB eine von der Türkei gesteuerte Organisation in die Runde gerufen. Die sei das Sprachrohr des Religionsministeriums in Ankara, und nicht das der Muslime in Deutschland.

    FDP-Chef Guido Westerwelle nennt es kontraproduktiv, dass überhaupt so wenig Muslime eingeladen wurden. Und Grünen-Vorstand Omid Nouripour fehlen ganz konkret die wichtigsten muslimischen Dachverbände wie Islamrat und Zentralrat der Muslime. Außerdem vermisst Nouripour Fachleute für Flüchtlingsfragen:

    "Man erklärt Integration zur Chefsache, lädt viele, viele Kameras ein, und dann unterhält man sich teilweise mit Menschen, die einfach niemanden repräsentieren. "Pro Asyl" ist nicht eingeladen worden: Das geht nicht! Man kann nicht über Integration reden, ohne über die Flüchtlinge zu reden, die hunderttausende von Menschen sind, das ist absurd. Ich hab das Gefühl, dass bestimmte differenzierte Stimmen einfach nicht gehört werden sollten. Und wenn differenzierte Stimmen nicht gehört werden, dann ist das nur noch "Show". Und das ist ein Problem."

    Kritik am Treffen kommt aber auch aus den Reihen der Union. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schreibt, dass Wolfgang Schäuble das Thema "Integration" eigentlich in seiner Verantwortung sieht. Hintergrund: Der Bundesinnenminister hat sein eigenes Projekt in Sachen Integration. Er plant für den September eine Islamkonferenz. Auf der soll es allein um Muslime gehen. Schäubles Konferenz will Grundlagen für eine institutionelle Gleichberechtigung des Islam in Deutschland ausarbeiten.

    Die "FAZ" vermutet nun "Revierstreitigkeiten" zwischen der Integrationsbeauftragten und dem Bundesinnenminister. Wolfgang Schäuble habe Maria Böhmer nahe gelegt, die islamischen Verbände außen vor zu lassen. Außerdem beurteile Schäuble den Erfolg des Integrationsgipfels skeptisch, heißt es.

    Hessens Ministerpräsident Roland Koch, CDU, stößt ins gleiche Horn und erklärt, man dürfe keine zu hohen Erwartungen haben. Und Schleswig Holsteins Ministerpräsident Ralf Stegner, SPD, vermutet in dem Gipfel gar eine Werbeveranstaltung für die Integrationsbeauftragte.

    "Die Gefahr besteht", gibt SPD-Generalsekretär Hubertus Heil Anfang der Woche zu:

    "Denn der Verdacht liegt ja nahe, dass es sozusagen jetzt einmal einen Gipfel gibt, und dann kommt nichts anderes ´raus, als Arbeitsgruppen. Das wäre etwas zu wenig. Wir wollen - das werden wir dann als Sozialdemokraten, wenn das anders laufen sollte, auch mit Leben erfüllen - dass daraus ein vernünftiger Prozess wird. Da muss Inhalt ´rein und nicht nur die übliche 'Gipfelei'."

    Die wichtigsten Inhalte des Treffens sind: Sprache, Bildung und Ausbildung, sowie Demokratieerziehung und Frauenrechte. Da sind sich alle, die am Gipfel teilnehmen, einig - trotz der Sticheleien im Vorfeld. Einigkeit besteht auch darin, dass ein nationaler Aktionsplan nur entstehen wird, wenn alle Beteiligten des Gipfels - nicht nur die Migranten - sich selbst verpflichten, mehr für die Integration zu tun als bisher. Ein Knackpunkt: die Integrationskurse:

    "Ich will sprechen auch Deutsch und möchte auch Arbeit hier in Deutschland."

    "Wenn wir in Deutschland wohnen, wir müssen auch Deutsch sprechen."

    "Meine Frau sprechen auch deutsch. Und Kinder sprechen - ich möchte auch lernen, nicht?"

    Seit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes gibt es sie bereits, die Sprach- und Integrationskurse für Migranten - und sie werden auch genutzt. Aber nicht immer so umfassend wie sie angeboten werden - nur ein Drittel der bereitgestellten Gelder für Kurse wurden im letzten Jahr abgerufen - und oft auch nicht von denjenigen, die sie wirklich gebraucht hätten.

    Deswegen befürworten Innenministerkonferenz und Bundesrat, diese Kurse nicht nur Neuzuwanderern anzubieten, sondern allen Migranten, die sie nötig haben. Also auch denen, die schon jahrzehntelang hier wohnen. Schleswig Holsteins Innenminister Ralf Stegner, SPD, spricht sogar von Pflicht:

    "Migrantinnen und Migranten müssen es als ihre selbstverständliche Aufgabe begreifen, sich und ihre Kinder in die deutsche Gesellschaft zu integrieren und einen aktiven Beitrag zu leisten. Integration ist insofern Pflicht, meine Damen und Herren. Das heißt: Man muss Deutsch verstehen und sprechen, sonst kann man sich nicht integrieren. Und das ist nicht zu viel verlangt."

    Soll nun der türkische Gemüsehändler, der sein Obst auf Türkisch anpreist und sich mit seinen Kunden nur schlecht auf Deutsch unterhalten kann, gezwungen werden, einen Integrationskursus zu besuchen? Wie weit soll die Verpflichtung für lange in Deutschland lebende Ausländer gehen?

    Das wird auf dem Integrationsgipfel sicher für Diskussionsstoff sorgen. In der Kreuzberger Wrangelstraße hat die Diskussion darüber schon begonnen. In diesem Berliner Kiez, wo man im Imbiss ganz selbstverständlich auf Türkisch "Börek", "Simit" und "Lahmacun" bestellt, und nicht "Teigtaschen", "Sesamkringel" und "Pizza".

    "Wenn sie auch anbieten würden, würden die Türken nicht hingehen, glaube ich. Weil hier überall Türken sind, auch in Bank, in Krankenkassen, überall. Die Türken deshalb brauchen da kein Deutsch zu lernen."

    "Es gibt Leute hier, die haben 40 Jahre lang gearbeitet, und danach sagen sie: Die sollen hier jetzt Deutsch lernen. Wir sind hier geboren, und wir sind hier integriert. Also ich versteh nicht, was jetzt Integration."

    "Man kann jetzt in einem anderen Land nicht leben, wenn man die Sprache nicht beherrscht. Das geht, aber das ist nicht gut!"

    "Ich frag mal so anders: Wenn wir das nicht machen, was wird denn dann passieren? Wenn wir damit überhaupt nicht einverstanden sind: Werden wir dann abgeschoben werden? Was wird denn da kommen?"

    Der Bundesrat schlägt vor, darüber nachzudenken, ob man nicht Migranten, die den Besuch eines Integrationskursus ablehnen, Hartz IV oder Arbeitslosenhilfe kürzen sollte. Übrigens nicht allein eine CDU-Forderung. Auch die Sozialdemokraten rufen nach Sanktionen für Kursusverweigerer. Ute Vogt, stellvertretende SPD-Vorsitzende, nennt das "konsequente Integrationspolitik".

    "Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Frage des Aufenthaltsrechtes; also es ist nicht so, dass man jetzt sofort ausgewiesen wird; aber zum Beispiel die Frage, wie lang so ´ne Aufenthaltsgenehmigung erteilt wird, das kann durchaus auch in Zusammenhang stehen mit den Sprachkursen; das halten wir durchaus für richtig. Weil: man muss ja irgendwo 'ne Möglichkeit haben, zu sagen, es muss, ja, eine Folge haben, wenn jemand keine Bereitschaft zeigt, am Sprachlernen teilzunehmen."

    Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, bedauert derartige Pläne. Kolat hat einen deutschen und einen türkischen Pass und ist zum Integrationsgipfel eingeladen. Der Verbandsfunktionär hält nichts davon, diejenigen zu bestrafen, die keine Deutschkurse besuchen wollen. Das will er auf dem Integrationsgipfel deutlich zur Sprache bringen. Er möchte, dass man die Migranten ermutigt, an der deutschen Gesellschaft teilzuhaben.

    "Das heißt aber nicht, dass man von der türkischen Community nichts fordern darf, sagt Kenan Kolat. Und die Türkische Gemeinde habe zum Thema Deutschlernen bereits Ideen entwickelt:

    "Wir erwarten natürlich von den Menschen, die in diesem Land leben, die deutsche Sprache erlernen müssen, sich dann dafür öffnen müssen, das ist also ohne Wenn und Aber; Sie werden niemanden finden in der türkischen "Community", der sagt: Ich möchte nicht Deutsch lernen. Das gibt es nicht. Die Frage ist, wie schaffen wir gemeinsam, wir sind dort bereit. Deswegen wird die türkische Gemeinde in Deutschland gemeinsam mit der Förderation der türkischen Elternvereine, um die Elternbeteiligung in den Schulen zu erhöhen, nach den Ferien eine große Bildungsoffensive anfangen. Das wird unser Beitrag sein."

    Die Bildungsoffensive des Verbandes sieht vor, türkisch-stämmige Eltern anzuschreiben, sie über ihre Elternrechte und -pflichten aufzuklären, und sie zu motivieren, sich mehr für die Bildung und Erziehung ihrer Kinder zu engagieren. Man will scheue Eltern auf die Elternabende begleiten, Informationsveranstaltungen auf Türkisch anbieten und Bildungspatenschaften für Migrantenkinder anregen. Ideen, die genau auf der Linie von Maria Böhmer liegen. Denn gerade derartige bürgerschaftliche Initiativen und Engagements möchte die Integrationsbeauftragte mit dem Gipfeltreffen anstoßen.

    "Ich hab auch sehr wohl registriert, dass Einzelne schon in ihre Community hinein die Nachricht gegeben haben: Bitte unterbreitet und Vorschläge, damit wir sie dann auch weitergeben können bei diesem Gipfel. Oder auch im Nachfolgeprozess, wenn es um den Nationalen Integrationsplan geht. Das finde ich, ist schon mal ein besonderer Effekt, der von der Einladung der Kanzlerin ausgegangen ist, dieses "Aufbrechen-für-Integration" nutzen wollen."

    Vier Stunden mit Frau Merkel als Aufbruch zu bezeichnen, findet die "Linkspartei" anmaßend. "Was kann man da schon groß anstoßen?" fragt sie - und vermutet im Gipfel eine reine Alibiveranstaltung. An der Basis in den sozialen Brennpunkten sieht man das aber ein bisschen anders.

    Gilles Dulhem und Renate Mulak, die beiden Quartiersmanager aus Berlin-Neukölln, halten den Integrationsgipfel für ein gutes Signal. Sie finden, man müsse schließlich einfach mal irgendwie anfangen, die Probleme auf den Tisch zu legen. Wenn dabei herauskommt, dass die Migranten selbst die Elternarbeit fördern, wie es die "Türkische Gemeinde" es vorhat - dann sei das wunderbar. Noch besser wäre es allerdings, sich viel früher zu engagieren, sagen die Sozialarbeiter, damit die Kinder deutsch sprechen können, wenn sie in die Schule kommen.""

    "Wir brauchen, Sprachförderung, Sprachförderung, Sprachförderung, und wir brauchen natürlich den Zwang, Kinder in die "KiTa" zu bringen, die in Familien nicht-deutscher Muttersprache aufwachsen.

    ""Wir glauben, es ist ganz wichtig, dass diese Kindergartenpflicht kommt. Und zwar sehr schnell verabschiedet wird. Weil: Das ist einer der Schlüssel langfristig."

    "Wir denken schon, dass man irgendwelche Methoden finden muss, ob das jetzt eine Verpflichtung ist, ob das ist, wir streichen euch das Kindergeld, wenn ihr die Kinder nicht in die "KiTa" gebt, ob das reicht, wenn man sagt, die "KiTa" kostet nichts, ich glaube, das reicht nicht - man muss Druck machen."

    Maria Böhmer jedoch will erst einmal den sanften Weg einschlagen. Sie plant, Kindergartenplätze künftig überall in Deutschland kostenlos anzubieten - damit es Migrantenfamilien leichter fällt, ihre Kinder in den Kindergarten zu schicken. Im Kindergarten selbst sollen dann bereits die ersten Sprachkurse beginnen. Auch das ist sicher ein Stoff für die morgige Diskussion.

    Das Kabinett hat am Mittwoch im Vorfeld des Gipfels noch einmal deutlich gemacht, dass es die Integration von Zuwanderern als politische Schlüsselaufgabe begreift. Das Treffen am Freitag sei aber nur ein Anstoß, sagt Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Es gehe um die Entwicklung auch neuer politischer Ansätze und Strategien.

    "Dieses im Zusammenhang mit allen Verantwortlichen aus Bund, Ländern und Gemeinden, aus sehr vielen gesellschaftlichen Gruppen und Gruppierungen zu erörtern, im Rahmen eines Prozesses, der dann ein ganzes Jahr in Anspruch nehmen wird, der begleitet werden wird von Arbeitsgruppen mit bestimmten Schwerpunktthemen, und da müssen wir versuchen, hier zu Möglichkeiten zu kommen, wie wir eine bessere Integration haben."

    Gilles Dulhem, der Quartiersmanager im Neuköllner "Problemkiez" Rollberg-Viertel, sieht in diesem Ansatz die Chance, kleinkariertes Lagerdenken in der Integrationspolitik zu überwinden. "Wenn man die Migranten tatsächlich mit einbezieht", sagt der Sozialarbeiter, "haben wir eventuell tatsächlich die Möglichkeit, in die "Communities" hineinzuwirken".

    "Wenn ich einen Jugendlichen anhalte, der schwarz - also auf einem geklauten Mofa - hier an der Mittelpromenade, wo es verboten ist, ohne Helm ganz, ganz schnell Roller fährt, das erste, was er mir sagt, ist: Du hast mir nichts zu sagen, Du bist kein Muslim. Das ist der erste Spruch. Und da möchte ich einfach durch eine offensive Kommunikationspolitik der Akteure, die dann gehört werden von den Familien, nämlich von den "Moschees", von den "Hodschas", von den Migrationsvereinen, dass da offensiv in die Köpfe "hineingepredigt" wird, was eigentlich der deutsche Rechtsstaat ist - was das bedeutet."

    Das Fazit der Sozialarbeiter aus Berlin-Neukölln lautet: Integration braucht "Brückenbauer". Sie benötigt Menschen, die in der deutschen Gesellschaft angekommen sind, und die Kontakte knüpfen können in die Migranten-"Communities".

    Vorbilder, die auch in Verbänden und Moschee-Vereinen gehört werden, die bislang unter sich geblieben sind. Und Integration braucht Menschen aus der Mehrheitsgesellschaft, die sich als Paten und Wegweiser in Bildung und Ausbildung anbieten. Das Motto des Integrationsgipfels lautet: "Gutes Zusammenleben - klare Regeln". Es wird entscheidend vom viel beschworenen Engagement der Bürgergesellschaft abhängen - ob es mit Leben gefüllt werden kann.
    Ein Mitarbeiter einer Münchener Döner-Kebab-Imbisskette bereitet eine Portion Kebab vor
    Wird man ihn bald zwingen können, einen Integrationskurs zu besuchen? (AP Archiv)