Dienstag, 19. März 2024

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Förderung für Graduiertenschulen
"Für uns ist es ein trauriger Tag"

Es sei ein fatales Signal, dass die Graduiertenschulen nicht mehr durch die Exzellenz-Strategie gefördert würden, sagte Sabine Schäfer von der Bielefeld Graduate School in History and Sociology im Dlf. Für Nachwuchswissenschaftler seien sie die stabile Einheit, an die sich die Promovierenden wenden könnten.

Sabine Schäfer im Gespräch mit Kate Maleike | 19.07.2019
 Eine Gruppe von Silhouetten mit Doktorhüten steht vor einer Mauer.
Die Ausbildung von Wissenschaftlern sei eine Daueraufgabe, sagt Sabine Schäfer. "Dass dafür nicht auf Dauer auch Geld bereitgestellt wird in so einem wirklich renommierten Förderrahmen, das finde ich schwierig." (imago / Ikon Images)
Kate Maleike: Wenn in gut einer Stunde in Bonn die Exzellenzunititel offiziell verkündet werden, ist der prestigeträchtigste Wettbewerb zur Förderung der Spitzenforschung in Deutschland in diesem Durchgang abgeschlossen. Leer ausgegangen sind dann die Graduiertenschulen in Deutschland, denn sie waren als Förderlinie nach zwei Durchgängen gar nicht erst mit dabei. Doktor Sabine Schäfer leitet an der Uni Bielefeld die Graduate School in History and Sociology und ist dem Netzwerk der exzellenzgeförderten Graduiertenschulen aktiv. Guten Tag, Frau Schäfer!
Sabine Schäfer: Guten Tag, Frau Maleike!
Maleike: Wie geht es Ihnen denn jetzt an einem solchen Tag, am Tag der Entscheidung?
Schäfer: Also erst mal möchte ich allen gratulieren, wenn die Entscheidung gefallen ist, die durchgekommen sind, denn die haben natürlich sehr viel Arbeit in diese ganze Sache reingesteckt. Für uns ist es natürlich irgendwie auch wieder ein trauriger Tag, andererseits ist die Entscheidung, dass die Graduiertenschulen nicht weiter gefördert werden, jetzt auch schon älter. Und wir sind jetzt, denke ich, alle dabei, einen guten Weg in die Zukunft unserer eigenen Graduiertenschulen zu finden.
Maleike: Genau, bei der Evaluierung des Wettbewerbs war ja die Förderlinie, die Sie gefördert hat, komplett weggefallen, weil das Argument war, dass die Graduiertenschulen oder eben die Graduiertenausbildung an den Hochschulen inzwischen Standard sei und nicht gesondert weiter gefördert werden müsste. Wie geht es denn jetzt den 40, die gefördert wurden, generell so nach dem Aus bei der Exzellenzförderung?
Schäfer: Das ist, glaube ich, sehr unterschiedlich. Es gibt natürlich solche Graduiertenschulen, die jetzt im Rahmen von Exzellenzclustern mit gefördert werden. Es gibt solche, die im Rahmen anderer, zum Beispiel Max-Planck-Institute, mitgefördert werden. Es gibt natürlich auch die, die von ihren Hochschulen oder auch von ihren Bundesländern weiter gefördert werden, wenn auch nicht im gleichen Maße wie vorher. Und es gibt dann natürlich Graduiertenschulen, wie uns jetzt zum Beispiel in Bielefeld, wir werden zwar weiter gefördert, allerdings von den beiden beteiligten Fakultäten, und von daher in einem relativ kleinen Rahmen nur noch.
Maleike: In den Jahren, in denen Sie über die Exzellenzinitiative, so hieß sie ja damals noch, sind ungefähr eine Million pro Jahr geflossen. Das bedeutet, dass die meisten sich aufgemacht haben nach der Entscheidung, irgendwie sich zu verstetigen und dann irgendwie entweder in Clustern untergekommen sind oder eben ihre Hochschulleitungen dazu gebracht haben, sie doch weiter zu finanzieren.
"Die Rektorate agieren ganz unterschiedlich"
Schäfer: Ja, ich denke, das ist in den meisten Graduiertenschulen der Fall. Es ist einfach so, zum Beispiel das Land Baden-Württemberg fördert die eigenen Graduiertenschulen in dem Maße weiter, in dem es immer gefördert hat – also mit 25 Prozent. Die durchlaufen eine Evaluation, aber die haben zumindest die Aussicht, dass sie vom Land weiter diese 25 Prozent bekommen. Das ist bei uns in Nordrhein-Westfalen nicht der Fall. Das ist, glaube ich, auch in den meisten Bundesländern nicht der Fall. Und die Rektorate agieren da natürlich auch ganz unterschiedlich, es gibt Rektorate, die haben dann zumindest das Personal der Geschäftsstelle verstetigt, also da Dauerstellen geschaffen, das ist aber durchaus nicht überall der Fall.
Maleike: Also kann man sagen, es hat ein gutes Ende jetzt für die Graduiertenschulen, auch wenn sie nicht mehr in dieser staatlichen, großen Spitzenförderung dabei sind?
Schäfer: Das ist schwer zu sagen. Ich möchte ja auch weiter überleben, insofern kann ich jetzt nicht sagen, das ist alles ganz schrecklich. Wir versuchen natürlich jetzt in dem Rahmen, der uns gegeben ist, weiterzuarbeiten. Aber man muss ganz ehrlich sagen, dass das Signal, das dadurch gegeben wird, dass es eben kein Programm mehr für Graduiertenschulen gibt, eigentlich ein fatales ist. Denn in der Wissenschaft ist das so, die Aufmerksamkeit folgt dem Geld. Das ist ja nicht nur in der Wissenschaft so, sondern woanders auch, aber in der Wissenschaft ist es auch eben so. Und dadurch, dass es kein großes Förderprogramm für Graduiertenschulen mehr gibt, rückt auch die Nachwuchsförderung so ein bisschen in den Hintergrund, habe ich den Eindruck. Natürlich werden auch in den Exzellenzclustern Nachwuchswissenschaftler beschäftigt, aber die werden als Erwerbstätige gesehen und nicht mit ihren Promotionen. Und das ist, glaube ich, wirklich das Problem in dieser Förderlinie.
Promotionsphase ist eigene Lebensphase
Maleike: Können Sie noch mal auf den Punkt bringen, was genau der Mehrwert einer Graduiertenschule ist?
Schäfer: Der Mehrwert einer Graduiertenschule ist, dass die Promovierenden oder auch die Post-Docs mit ihren eigenen Projekten gesehen werden und mit dieser Phase, in der sie sich befinden. Die Promotionsphase ist eine ganz eigene Phase, es ist ja eine Lebensphase im Grunde genommen auch, die relativ lange dauert. Wir reden immer von drei Jahren, aber realistisch sind eher drei bis fünf Jahre, und in dieser Zeit passiert viel. Und auch in der Karriereentwicklung der einzelnen Leute passiert viel. Da fängt man vielleicht an mit einem Stipendium, dann läuft das Stipendium aus, die Arbeit ist aber noch nicht fertig, dann geht man weiter und arbeitet vielleicht in einem Projekt, das bringt ganz andere Probleme mit sich, ganz andere Möglichkeiten auch. Und die Graduiertenschule ist sozusagen die stabile Einheit, an die die Promovierenden sich in diesen ganzen unterschiedlichen Phasen immer wieder wenden können. Und das ist dann nicht mehr gegeben, wenn sie eben nur als quasi Erwerbstätige gesehen werden oder als Stipendiaten – und nicht als Wissenschaftler, die ja auch eine Forschungsleistung erbringen in der Wissenschaft.
Maleike: Von hinten her gesehen heißt das, Sie empfinden die Entscheidung, dass die Graduiertenschulen aus der Förderung der Exzellenzstrategie herausfallen immer noch als falsch?
Schäfer: Ich empfinde sie insbesondere vor dem Hintergrund, dass jetzt so eine Art Verstetigung im Raum steht – wie sich das am Ende in sieben Jahren darstellt, ist vielleicht auch noch mal eine andere Frage –, aber gerade vor diesem Hintergrund finde ich das wirklich eine ganz schwierige Entscheidung, die da damals gefallen ist, denn wenn es eine Daueraufgabe gibt, dann ist das doch die Ausbildung von Wissenschaftlern. Meiner Meinung nach ist das doch eine ganz starke Daueraufgabe, und dass dafür nicht auf Dauer auch Geld bereitgestellt wird in so einem wirklich renommierten Förderrahmen, das finde ich schon schwierig.
Maleike: Herzlichen Dank für diesen Wasserstand und weiterhin alles Gute!
Schäfer: Danke schön und vielen Dank an Sie!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.