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Folgen einer Steuererhöhung

Gerner: Am Telefon ist Rolf Peffekoven, Wirtschaftsexperte und ehemaliges Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage. Herr Peffekoven, was ist denn für Sie der Königsweg in Sachen Finanzierung der Hochwasserflut?

    Peffekoven: Wir streiten im Augenblick über die Finanzierung, und die Vorschläge, die jetzt möglich wären, hängen natürlich auch davon ab - Sie haben es eben schon angesprochen -, wie hoch die Schäden sind, und welche Schäden eintreten. Über den Umfang können wir im Augenblick überhaupt nichts Verlässliches sagen. Ich denke, es ist legitim, dass man zunächst einmal einen Betrag von sieben, acht Milliarden - darum geht es ja in der politischen Diskussion - festgelegt hat. Und dann kommt die Frage, wie man das finanzieren kann, und dafür gibt es im Grunde vier Wege: Kreditfinanzierung, Kürzung von bisher geleisteten Ausgaben, Erhöhung von Steuern und Abgaben - diesen Weg will die Bundesregierung gehen - und die Stärkung des wirtschaftlichen Wachstums, um aus den dadurch entstehenden zusätzlichen Steuereinnahmen die Flutschäden abdecken zu können. Und die Diskussion geht ja letzten Endes erfreulicherweise nicht darum, dass geholfen wird und ein Betrag von acht Milliarden bereitgestellt wird, sondern sie geht um die Frage: Auf welchem Weg finanziere ich diesen Betrag?

    Gerner: Es gibt namhafte Politiker, die sagen, dass die Erhöhung des Solidaritätszuschlags von 5,5 auf etwa 10 Prozent die einfachste Lösung wäre. Was halten Sie denn davon?

    Peffekoven: Also das gehört dann eben in die Gruppe der Steuererhöhungen. Es ist gesamtwirtschaftlich zunächst einmal ziemlich gleichgültig, ob Sie einen Solidaritätszuschlag erhöhen, ob Sie, was letzte Woche diskutiert worden ist, die Mehrwertsteuer erhöhen, oder ob Sie, was die Bundesregierung jetzt anstrebt, die Einkommensteuer für ein Jahr erhöhen. Das sind alles Steuererhöhungen, und ich bin in dieser Situation skeptisch, ob dies der richtige Weg ist, denn wir sind in einer Situation mit ausgesprochen schwachem Wachstum und einer sehr hohen Unterbeschäftigung. Es hat bisher eigentlich ein gewisser Konsens bestanden, dass Steuersenkungen in dieser Situation geboten sind, und keineswegs Steuererhöhungen. Und ich stimme Roland Koch insofern zu, als es jetzt die Aufgabe sein müsste, das wirtschaftliche Wachstum trotz aller Schwierigkeiten auf ein höheres Niveau zu heben. Dann wird die Finanzierungsaufgabe um einiges leichter werden.

    Gerner: Aber gerade was die angebliche Gefahr für die Konjunktur in Deutschland angeht, hören wir von den Wirtschaftsexperten Widersprüchliches. Woran können wir uns denn halten?

    Peffekoven: Ich erinnere Sie daran, dass wir noch vor gut einem Jahr darüber diskutiert haben, ob diese jetzt in Rede stehenden Stufe der Steuerreform nicht aus konjunkturpolitischen Gründen vorgeschoben werden sollte. Diejenigen, die das gesagt haben, waren zum Beispiel auch - bis auf das Kieler Institut - die übrigen Forschungsinstitute, die ein Herbstgutachten, ein Frühjahrsgutachten herausgeben. Die müssen doch jetzt erklären, warum das, was sie beim letzten Mal behauptet haben, nämlich dass die Steuerreform einen konjunkturpolitischen Effekt hat, jetzt gerade nicht mehr gelten soll. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir zur Anregung der Konjunktur Steuersenkungen brauchen, nicht Erhöhungen. Und deshalb bin ich auch der Meinung, dass dieser Weg der Steuererhöhungen im Prinzip falsch ist, zumal es um eine Größenordnung geht, die in einem ordentlich geführten Haushalt durch entsprechende Reduktionen von bisherigen Ausgaben finanziert werden müsste.

    Gerner: Auch wenn Sie Herrn Koch eben in einem Punkt zugestimmt haben, sehen Sie da nicht auch einen gewissen Schlingerkurs in den letzten Tagen? Gestern war noch die Körperschaftssteuer als sozial gerechtes Instrument in den Vordergrund gerückt. Jetzt eben konnten wir einen deutlichen Rückschritt vermerken. Die Bundesbankgewinn stehen auf einmal zur Disposition. Ist da nicht eine uneinheitliche Position zu beobachten?

    Peffekoven: Also ich will nochmals sagen: Herr Koch hat hier gesagt, dass er Steuererhöhungen für falsch hält. Ich sage auch: Steuererhöhungen sind falsch. Nun ist aber offenbar doch die politische Entscheidung gefallen, dass die Verschiebung der zweiten Stufe der Steuerreform durchgesetzt wird. Wenn man das nun schon durchsetzt, dann muss man wenigstens auch die Körperschaften besteuern. Insofern halte ich das für eine durchaus richtige Position.

    Gerner: Aber ist das so sozial gerecht, wie die Union behauptet? Denn viele Unternehmen zahlen ja gar keine Körperschaftssteuer.

    Peffekoven: Das ist jetzt ein zweiter Punkt. Also wenn Sie die Stufe zurückverschieben in das nächste Jahr, dann treffen Sie damit nur diejenigen, die Einkommensteuer zahlen, denn die nächste Stufe wäre nur noch eine Senkung bei der Einkommensteuer, aber nicht bei der Körperschaftssteuer gewesen. Das hätte bedeutet, dass Sie das Solidaropfer, das jetzt eingefordert wird, nur von denen verlangt hätten, die einkommensteuerpflichtig sind, und das sind im Unternehmensbereich die Einzelunternehmen und die Personengesellschaften, das sind typischerweise die mittelständischen Unternehmen. Da wäre es richtig gewesen, auch die Kapitalgesellschaften heranzuziehen. Dass sie im Augenblick keine Steuern zahlen, ist außerordentlich misslich, und es liegt auf der Hand, dass Sie diejenigen, die keine Steuern zahlen, nicht zu Steuerzahlen machen werden, wenn Sie den Körperschaftssteuersatz erhöhen. Da fehlt eben die Bemessungsgrundlage. Das sind aber völlig andere Probleme, die zu beklagen sind, mit der grundsätzlichen Einschätzung aber nichts zu tun haben, dass wenn Steuererhöhung, dann nicht nur die einkommensteuerpflichtigen Unternehmen, sondern auch die körperschaftssteuerpflichtigen.

    Gerner: Vielen Dank für das Gespräch.

    Link: Interview als RealAudio