"Wir gehen jetzt ins Rohstofflager. Wir nennen unsere Abfälle tatsächlich Rohstoffe, für uns sind die Rohstoff", sagt Unternehmensgründer Michael Hofmann auf dem Weg über den großen Betriebshof und erklärt dann den Widerspruch zwischen Firmennamen und Standort:
"Ich komme aus Hamburg und damals nach der Wende waren der Schweriner See und die Müritz meine 'Badewanne'. Ich habe das Land lieben und schätzen gelernt, die Leute hier schätzen gelernt. Und für mich war vollkommen klar: Wenn wir ein Werk bauen, dann machen wir das hier in Schwerin, nicht weit weg von Hamburg. Und da man weltweit Schwerin, den Ort, nicht kennt, aber Hamburg kennt, haben wir uns, obwohl wir in Schwerin sitzen, 'Folienveredelung Hamburg' genannt."
Schatzkammer mit dem Geruch einer Biotonne
Angekommen in einer hohen Halle. Hier stapeln sich meterhoch und gut sortiert jede Menge bunter Ballen. Michael Hofmann spricht von seiner "Schatzkammer" und lacht: "Unser Rohstofflager. Tja, und das sind alles Folien. Die sind zu Ballen zusammengepresst worden. Tja, und wenn Sie da mal so draufschauen, dann finden Sie sich als private Konsumentin sicherlich wieder, ne?"
Es riecht wie aus einer Biotonne im Hochsommer. Kein Wunder: Hier liegen Plastikverpackungen und -tüten aller Art, und an vielen kleben noch Reste von Nahrungsmitteln, Erde, Farbe. Michael Hofmann zieht einen gebrauchten gelben Sack hervor: superdünn und damit auch superleicht.
Bitte reinigen - 100 Quadratmeter in einer Sekunde
90 Prozent aller heutigen Folien hätten eine kaum messbare Masse bei vergleichsweise großer Oberfläche - ein Riesenproblem für das Reinigen und Wiederverwerten, sagt Michael Hofmann. Aber:
"Unsere Technologie kann das. Wir setzen das HydroDyn-Verfahren ein. Das steht für 'hydro-dynamische Friktionsreinigung'. Das ist das weltweit wirtschaftlichste Verfahren, das es gibt. Das ist darauf spezialisiert, in ganz kurzer Zeit große Oberflächen zu reinigen. Um Ihnen mal ein Beispiel zu geben: Um eintausend Kilogramm an neuen Kunststoffen zu erzeugen, müssen wir bis zu hundert Quadratmeter pro Sekunde reinigen. Das heißt also: Eine großzügig geschnittene Wohnung bitte mal in einer Sekunde saubermachen! Das ist die technologische Herausforderung, und das ist auch der Grund, weshalb das Folienrecycling - das gibt es praktisch kaum."
In Schwerin schon, und zwar seit 2016 und im 24-Stunden-Betrieb. Die nächste Etappe:
"So, wir kommen jetzt in die Produktionshalle. Ich bitte Sie, sich immer eng bei mir zu halten; wir haben Gabelstaplerverkehr ---- Moin, Moin!"
Hier rattert, rauscht und ruckelt es in beträchtlicher Lautstärke. Die meisten Maschinen würden von der Höhe her kaum in ein Einfamilienhaus passen - sei es der Schredder, der die Verpackungen und Tüten zunächst auf Flockengröße zerkleinert, sei es das Herzstück - die "Turbo-Washing-Box", die in einem Container steckt.
"Und dann kommt die nächste Herausforderung, denn Sie müssen 100 m² pro Sekunde auch trocknen."
Am Ende entstehen hier aus Folienabfällen hochwertige Polyethylen-Granulate. Daraus wiederum können Transportverpackungen, Agrarfolien, Müllsäcke oder Abdeckplanen viel preiswerter hergestellt werden, als würde man auch dafür glasklaren Primärkunststoff verbrauchen. Zudem sei jede wiederverwertete Plastiktüte eine weniger in unseren Seen oder den Weltmeeren, sagt Michael Hofmann:
"Das Thema 'Verschmutzung der Weltmeere' ist ein ernstes Thema. Jeder erlebt bei seinem Badeurlaub am Strand, und jetzt kommen die Verbote: Keine Strohhalme, kein Plastikgeschirr mehr. Selbstverzicht auf Einkaufstüten. Das ist aber erstens nur die Spitze des Eisberges und zweitens löst es ja das Problem nicht. Wir brauchen Kunststoffe. Hygienefunktionen, Ladungssicherung etc. Aber wir lösen ja das Problem, indem wir das machen, was wir hier vorzeigen."
Pekings Verbot, Schwerins Geschäft
Das Besondere an dem Schweriner Folienrecycling: Es kommt mit kaltem Wasser und ohne Chemikalienzusätze und giftige Dämpfe aus. Ganz anders in China, dem weltweiten Plastikmüllverwerter und Re-Granulat-Hersteller Nr. 1. Seit die Regierung in Peking zu Jahresbeginn die Einfuhr von ausländischem Plastikabfall verboten hat, sucht die chinesische Chemieindustrie dringend Granulat-Nachschub. Auch in Schwerin, freut sich Geschäftsführer Hofmann.
"Wir haben jetzt eine Kapazität von 18.000 Jahrestonnen, und wir wollen bis auf 55.000 Jahrestonnen gehen. Das gibt dieser Standort auch mit der vorhandenen Infrastruktur her. Wir würden dann noch einmal um 40 Mitarbeiter erweitern - also auf 88 Mitarbeiter."
Letzte Station: das hauseigene Labor. Hier wird die Qualität der glatten, geruchlosen Plastikkörner ständig überprüft, sagt Michael Hofmann und fasst Geschäftsidee wie Marktpositionierung der Schweriner Folienveredelung GmbH so zusammen:
"Unsere Kunststoffprodukte sollen dauerhaft auch preiswert sein. Das ist die Attraktivität: Diese Recycling-Kunststoffe als Ersatz für neue Kunststoffe einzusetzen. Das ist ähnlich wie im Altpapier. Heute ist die Recycling-Quote bei Altpapier über 70 Prozent, und was sind die Produkte? Es sind Massenprodukte: Kopierpapier, Toilettenpapier. Und das ist auch unser Ziel: Wir wollen sogenannte Commodities, also Mengenprodukte, produzieren. Und dass eine verarbeitende Industrie, die dann natürlich auch Mengen nachfragt und die Sicherheit haben muss, dass diese Produktmengen kommen - da wollen wir uns etablieren. Das ist auch der Schlüssel letztendlich zum Erfolg für Recycling."