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"Formal können wir doch schon vom Ende der Rezession ausgehen"

Die Indikatoren deuten auf eine Ende der Krise hin, sagt Winfried Fuest, Professor des Insti­tut der Deutschen Wirt­schaft Köln, ob wir eine grundlegende Wende haben, muss aber abgewartet werden.

Winfried Fuest im Gespräch mit Matthias von Hellfeld |
    Winfried Fuest: Ja, formal können wir doch schon vom Ende der Rezession ausgehen, denn wenn in zwei Quartalen hintereinander nicht mehr negative Vorzeichen bei der Wachstumsrate zu verzeichnen sind und das dritte Quartal wird mit Sicherheit ein positives Vorzeichen haben, dann sind wir formal natürlich aus der Krise raus. Wie nachhaltig natürlich das Ganze ist, das ist zurzeit die ganz schwierige Frage, wie in dem Vorgespräch eben schon deutlich wurde, gibt es natürlich dank Abwrackprämie Zwischenhochs. Ob die dann natürlich auch im nächsten Jahr noch zu verzeichnen sind und wir dann eine grundlegende Wende haben, das muss abgewartet werden. Aber die Indikatoren haben sich gemehrt, die doch auf ein Ende der Krise hindeuten.

    Matthias von Hellfeld: Versuchen Sie dann mal, den Laien unter uns zu erklären, wie die Zahlen für Juni zustande kommen. Warum ist auf einmal so viel mehr exportiert worden?

    Fuest: Ja, ich glaube, es zeigt sich, dass natürlich auch, dass ist nun gerade für die Konjunkturentwicklung in Deutschland von hoher Wichtigkeit, weil wir natürlich unser Wachstum zu zwei Drittel rund auf unseren Exporten ja nähren. Dort ist dann doch das, was schon Volkswirte auch vorher angedeutet haben, sichtbar geworden, die Schwellenländer, allen voran China und auch Indien haben doch wenn nicht eine boomende, so doch eine erstaunlich robuste und auch im Rahmen der sonstigen Krisensituation doch erfreuliche Konjunkturentwicklung. Und sie haben einen Teil dessen, was sonst in die europäischen Länder ging oder auch in die USA ging, kompensieren können, sodass sich dort natürlich auch die Konjunktur belebt hat und wir sind alle hoffnungsvoll, dass das, was an Auftragseingängen im Plus jetzt zu verzeichnen ist, natürlich dann auch irgendwann sich jetzt niederschlägt in der Produktion. Und das ist natürlich genauso wichtig. Die Frühindikatoren beispielsweise des Zentrums für Europäische Wirtschaft, Forschung in Mannheim wie auch die Kollegen des IFO-Instituts in München haben ja immer schon von den Erwartungen her signalisiert, dass es aufwärts gehen würde. Die Lage war noch düster, aber das hat sich jetzt auch ein wenig aufgehellt und das wäre schön, wenn sich das fortsetzen könnte.

    von Hellfeld: Sie haben jetzt Asien und Europa genannt und einige andere Länder. Wie sieht es denn in den USA aus, wie sehen Sie die Entwicklung dort?

    Fuest: Die USA, die jüngsten Daten, gerade heute reingekommen: Die Arbeitslosigkeit ist überraschend nicht weiter gestiegen sogar um 0,1 Prozentpunkte auf 9,1 zurückgegangen, also auch sehr erfreulich. Der Präsident ist natürlich immer optimistisch und er sieht zumindest Indizien, dass die Krise zunächst zwar noch nicht besiegt, aber ein wenig ein Licht im Tunnel, also wir am Beginn doch der Erholung stehen. Und nun sind das natürlich politische Aussagen, aber gleichwohl gibt es doch Indizien, beispielsweise, ein wichtiges Indiz ist eben, dass die Hauspreise in die USA, dieser Index, darauf hindeuten, dass es nicht mehr dort den freien Fall nach unten gibt, sondern eine Stabilisierung, wenn noch sogar eine leichte Belebung kommt. Und das ist eben ganz, ganz wichtig, denn man erinnere sich: Der Ausgangspunkt mit für diese Krise waren natürlich der Verfall der Hauspreise und damit auch der Anfang der großen Finanz- und Konjunkturkrise.

    von Hellfeld: Also, Ihrer Meinung nach ist es nicht so, dass die Wirtschaft sich die Krise jetzt schönredet, um einfach sich selbst Mut zu machen und dadurch möglicherweise auch einen Effekt auszulösen?

    Fuest: Nun ist immer ein bisschen Psychologie im Spiel, aber wir haben heute oder zu Beginn der Woche jetzt oder Mitte der Woche auch immer wieder auch amtliche Zahlen gehört. Das Statistische Bundesamt meldet bekanntlich auch amtliche Daten und das hat wenig mit Psychologie zu tun. Und besonders eben war erfreulich für uns Konjunkturforscher, dass es zum ersten Mal hier auf der Exportseite doch eine Besserung gab und ich denke, die Binnenkonjunktur ist sicherlich wichtig, aber speziell die Bundesrepublik und unsere Konjunktur wird im Wesentlichen beeinflusst durch die Exportkonjunktur. Und springt diese an, dann hätten wir schon sehr viel gewonnen.

    von Hellfeld: Ich weiß, dass Wissenschaftler sich ungerne nach der Zukunft befragen lassen, weil das für viele von Ihnen Kaffeesatzleserei ist, aber wenn wir jetzt eine Besserung haben, wie nachhaltig ist es denn? Was erwarten Sie für die nächsten Monate?

    Fuest: Ich erwarte zumindest für die nächsten Monate eine Fortsetzung des positiven Trends, denn wir haben im Sommer traditionellerweise immer Werksferien und die spannende Frage war für uns alle: Was passiert mit der Kurzarbeit? Und das ist eben der Arbeitsmarkt ein Spätindikator, dort sagen viele Volkswirte, das dicke Ende kommt noch, aber wenn jetzt die Produktion tatsächlich wieder anspringt, dann hoffen wir, dass eben die Kurzarbeit zum Teil eben nicht in die Arbeitslosigkeit führt, sondern dann sogar wieder in die Normalbeschäftigung, und das ist natürlich ein ganz wichtiger Indikator, denn der Arbeitsmarkt ist wichtig für die Binnennachfrage, der Arbeitsmarkt ist wichtig als Konjunkturstütze und wir wären alle natürlich froh, wenn hier es nicht zu dem befürchteten Einbruch noch im Herbst kommen würde.

    von Hellfeld: Also, die Horrorzahlen von fünf Millionen Arbeitslosen oder sowas, die sehen Sie im Moment nicht?

    Fuest: Dies halte ich von Anfang an für überzogen. Horrorzahlen in die eine wie in die andere Richtung sind mit den Daten meistens nicht kompatibel.

    von Hellfeld: Wir hatten es eingangs gesagt, derzeit wird in Detroit, in der Konzernzentrale von General Motors, über die Zukunft von Opel verhandelt und zwar mit der kanadisch-österreichischen Zulieferfirma Magna, die im Übrigen heute selbst in große Schwierigkeiten geraten ist. Haben solche Megadeals, die sich da möglicherweise anbahnen, großen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung, oder ist das dann doch wieder zu klein?

    Fuest: Ich denke, in Relation zu unserer gesamtwirtschaftlichen Leistung sind diese Zahlen zwar nicht unwichtig, aber sie sind nicht so bedeutend, dass sie die Konjunktur in die eine wie die andere Richtung natürlich anschieben oder abtöten würden und von daher gesehen ist sicherlich für die Automobilindustrie und für die Zulieferer ein wichtiges Signal - Magna ist ja selbst ein Automobilzulieferer, der in Schwierigkeiten steckt -, ob jetzt hier die Rettung gelingt oder nicht. Und Opel-Betriebsratsvorsitzender Herr Franz hat ja schon ein Machtwort von der Kanzlerin verlangt. Ich denke allerdings, dass die enge Partie bald irgendwann beendet werden sollte.