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Forsa-Umfrage
Immer mehr Angriffe auf Beamte und Rettungskräfte

83 Prozent sehen laut einer Umfrage eine Verrohung der Gesellschaft. Jeder zweite Beschäftigte im öffentlichen Dienst habe schon körperliche oder verbale Gewalt erlebt. Der Deutsche Beamtenbund fordert Konsequenzen.

Von Volker Finthammer | 20.08.2019
Rettungsassistenten der Berliner Feuerwehr transportieren einen Patienten
Ein Viertel der Befragten in der Forsa-Umfrage hat selbst schon Übergriffe auf Einsatzkräfte oder Beschäftigten im öffentlichen Dienst wahrgenommen (imago images / snapshot)
Eine Umfrage ist keine Statistik, denn nur die würde die tatsächlichen Sachverhalte angemessen widerspiegeln. Umfragen aber können immer auch beeinflusst sein von der Häufung aktueller Meldungen. Und davon gab es in den vergangenen Monaten tatsächlich nicht wenige.
In einer Bar in Krefeld haben Schaulustige einen Rettungseinsatz behindert, eine junge Frau erlitt deshalb eine Kohlenmonoxid-Vergiftung. Nach einem tödlichen Unfall auf der Autobahn 6 bei Heilbronn bildeten rund 100 Autos nach Angaben der Polizei keine Rettungsgasse, ein weiterer Fahrer fuhr selbst durch den freien Teil der Gasse, um schnell zum Flughafen zu gelangen. Ein Lastwagenfahrer spuckte ein Feuerwehrauto an und beschimpfte die Einsatzkräfte. Das sind nur zwei Meldungen der jüngeren Zeit.
In der aktuellen Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut Forsa für den Deutschen Beamtenbund erstellt hat, sagt nur noch ein Drittel der Befragten, dass der Staat seine Aufgaben noch erfüllen kann. 61 Prozent sind der Meinung, dass er damit überfordert sei. Deutlich wird das gerade bei den Übergriffen auf Rettungskräfte, die im Einsatz behindert, wenn nicht sogar angegriffen werden. 83 Prozent der Befragten sehen darin eine Verrohung in der Gesellschaft, und rund ein Viertel der Befragten hat selbst schon Übergriffe auf die Einsatzkräfte oder Beschäftigten im öffentlichen Dienst wahrgenommen.
Mehrheit der Beamten schon beleidigt, belästigt oder angegriffen
Allen voran Polizisten, Rettungskräfte, Bus- und Bahnfahrer sowie Feuerwehrleute. Aber auch Lehrer und Mitarbeiter der Ordnungsämter. Und auch unter den Angestellten und Beamten sagt inzwischen eine Mehrheit, dass sie schon beleidigt, belästig oder angegriffen worden sind.
"Wenn jeder zweite Beschäftigte im öffentlichen Dienst körperliche, verbale Gewalt schon mal erfahren und erleben musste, dann zeigt das, wo wir in diesem Land im Moment stehen. Und hier ist ein klares Bekenntnis der Politik aber auch der Zivilgesellschaft gefordert, sich vor und hinter den öffentlichen Dienst zu stellen", sagt der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes, Ulrich Silberbach.
Gewalt gegen Polizisten und Rettungskräfte und alle anderen Mitarbeiter im öffentlichen Dienst dürften nicht länger hingenommen werden. Deshalb fordert der Beamtenbund zum einen ein Register, in dem bundesweit die Übergriffe vollständig erfasst werden, um ein exaktes Bild zu bekommen, das sich nicht mehr auf statistische Erhebungen stützen muss.
Der Staat muss seine Beschäftigten schützen
Für die notwendige Strafverfolgung müsste die Justiz endlich besser ausgestattet werden, betont Silberbach. Außerdem müssten die betroffenen Angestellten oder Beamten vom Staat vor Gericht vertreten werden und nicht in persönlichen Zivilrechtsstreitigkeiten zu ihrem Recht kommen:
"Dass der Dienstherr eben wahrnimmt, 'ich Staat' schütze meine Beschäftigten, indem ich eben die Forderung, die er gegenüber einem Schädiger hat, persönlich als meine eigene Forderung, also als Forderung des Staates, darstelle. Und das wäre ein richtiges Zeichen, sich für die und vor die Beschäftigten zu stellen, als sie mit ihrem Problemen und Sorgen alleine zu lassen."
Das dürfe andererseits aber nicht dazu führen, dass unrechtmäßige Übergriffe der Polizei geschützt und nicht geahndet werden. Sinnvoll wären deshalb auch unabhängige Ombudsleute, um den Mantel des Schweigens zu durchbrechen.
Und dass die Bürger aktuell den Staat für überfordert halten, ist für den Beamtenbund eine Folge der jahrzehntelangen Sparpolitik im öffentlichen Dienst. Da deute sich zwar jetzt in einigen Bereichen eine Umkehr an, aber die sei keinesfalls hinreichend. Von der Forderung nach einer besseren Personalausstattung für den öffentlichen Dienst werde man deshalb nicht abrücken, betonte Silberbach.