Dienstag, 16. April 2024

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Forschung und Wirtschaft
"Gute Unternehmensgründer sind für die Hochschulen ein Gewinn"

Dass Wissenschaftler zu Unternehmern werden, passiert in Deutschland vergleichsweise selten. Ein Forschungsprojekt der TU München zeigt auf, was Unternehmensgründungen aus Hochschulen heraus befördern könnte. Das hätte auch positive Effekte auf die Forschung, sagte Studienleiter Holger Patzelt im Dlf.

Holger Patzelt im Gespräch mit Stephanie Gebert | 10.02.2021
Team eines Start-ups im Büro
Teamprozesse müssten schon an Universitäten besser gecoacht werden, meint Holger Patzelt von der TU München (dpa/ picture alliance/ Zoonar.com/lev dolgachov)
Unternehmensgründungen aus der Wissenschaft heraus sind in Deutschland selten. Eine Studie der TU München hat versucht herauszufinden, was Forschende mit guten Ideen daran hindert zu gründen. Gute Ideen scheitern demnach oftmals an der Einstellung und ungeklärten Konflikten im Gründungsteam, Emotionen und Frustrationen.
In dem Forschungsprojekt wurden auch Vorschläge erarbeitet, wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler besser auf dem Weg zu einer Gründung unterstützt werden könnten. Das Forschungsteam empfiehlt beispielsweise, Entrepreneurship zu einem festen Bestandteil der Hochschulen zu machen, etwa durch Räume für Start-ups, Vorbilder auf die Bühne zu bringen, Austausch mit der Wirtschaft zu ermöglichen und Gründungsberatung anzubieten. Zudem seien spielerische Formate wie Makeathons, bei denen Gründungsteams eine unternehmerische Idee und ein Produkt entwickeln, erfolgreiche Instrumente für die Gründungsförderung an Hochschulen.
Studienleiter Holger Patzelt erläutert im Interview, was Universitäten noch tun können, um bessere Rahmenbedingungen für Ausgründungen zu schaffen.
Stephanie Gebert: Es ist in der Wissenschafts-Community teilweise sogar fast verpönt, kommerziell erfolgreich zu sein. Stehen sich Forschende mit ihrer eigenen Hybris da selbst im Weg?
Holger Patzelt: Na ja, ich würde es nicht unbedingt Hybris nennen, aber wenn man sich quasi die Geschichte deutscher Universitäten anschaut, dann ist ja schon immer ganz klar definiert, dass es zwei Aufgabenbereiche gibt, die die Universitäten haben, nämlich zu forschen und zu lehren. Der Platz für Transfer, also dass man Ergebnisse aus der Universität heraustransferiert in die Gesellschaft rein, und das halt meistens beispielsweise mithilfe einer Unternehmensgründung, das ist eigentlich ein recht neuer Gedanke. Natürlich sind mit solchen Transferaktivitäten auch Sachen verbunden wie beispielsweise Schutz geistigen Eigentums, also Patentierung, was ja einer Idee, dass generiertes Wissen öffentlich für jeden zugänglich sein kann, erst mal zuwiderläuft. Also so kann man das schon erklären, woher die Einstellung kommt, aber natürlich ist sie nicht förderlich, um Transfer und insbesondere auch Unternehmensgründungen aus Universitäten heraus zu befördern.
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Kulturwechsel fördern

Gebert: Würden Sie denn dann sagen, dass es dann grundsätzlich so eine Art Kulturwechsel braucht, also eine Einstellungsänderung im Forschungsbereich, was das angeht?
Patzelt: Das ist sicherlich ein Element davon. Kultur ist ja immer etwas Starkes, das schwer und langsam zu ändern ist. Aber das ist sicherlich ein Teil der angegangen werden muss. Es ist aber nicht das Einzige. Ich glaube, dass auch Universitäten – und das ist ja das, worauf auch unsere Studie aufgebaut hat – selbst einiges tun können, um nicht nur den Kulturwechsel zu fördern, sondern insgesamt auch bessere Rahmenbedingungen zu schaffen für Ausgründungen.
Gebert: Ja, um überhaupt wissen zu können, wie das so geht, zu gründen, setzen Unis ja teilweise schon – wir haben es ein bisschen auch im Beitrag gehört – darauf, dass sie Studierende mit Unternehmertum zusammenbringen. Also Coachings, Mentorings. Sie haben als eine Maßnahme zur Gründungsförderung für Hochschulen gefordert, das Ganze muss auch Spaß machen. Ist das bislang also meist eher eine dröge Angelegenheit?
Patzelt: Ich würde nicht sagen, dass sie dröge ist. Aber aufbauend auf dem, was Sie gerade zur Kultur gesagt haben, ist es manchmal relativ schwierig, dass von Anfang an schon als unternehmerische Formate erstellte Komponenten wissenschaftlich Interessierte ködert. Also das Spielerische, das wir gefunden haben, ist deshalb interessant, weil diese spielerischen Formate eigentlich erst mal gar nicht unternehmerisch sind vom Charakter.

Spielerische Projekte in unternehmerischer Umgebung

Gebert: Was wäre das denn zum Beispiel?
Patzelt: Es geht beispielsweise darum, einen Roboter zu bauen. Wir haben bei uns an der TU München ein Projekt, das nennt sich Roboy, und das hat zum Ziel, dass man einen möglichst humanoiden Roboter baut. Da engagieren sich viele Studierende und Wissenschaftler drin, und das ist eine große Community. Das Interessante ist, dass dieses spielerische Projekt im Entrepreneurship Center angesiedelt ist, das heißt also in einer unternehmerischen Umgebung. Und so wären diese erst mal unternehmerisch gar nicht interessierten Individuen aber auch sensibilisiert über die ganzen Aktivitäten im Center und entdecken vielleicht, dass ein Teil ihrer spielerischen Aktivitäten durchaus auch einen wirtschaftlichen Wert haben könnte oder vielleicht auch einfach nur ein Problem löst, das eine Firma gerade hat.

"Änderung des Mindsets ist wichtig"

Gebert: Was könnte denn noch förderlich sein? Also das Spielerische, sagen Sie gerade, und vielleicht sogar entdecken, dass ein bisschen Unternehmergeist auch in einem steckt oder dass es da eine Motivation gibt – was könnte noch helfen?
Patzelt: Als Zweites ist auch zentral, dass man sich schon auch mal klar macht, wie unterschiedlich Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen und Gründer und Gründerinnen eigentlich ticken. Eine Wissenschaftlerin oder ein Wissenschaftler ist immer erst dann an einem Punkt zufrieden, wenn das Ergebnis perfekt ist. Man sucht ja quasi die Wahrheit oder man sucht die Evidenz für eine bestimmte Fragestellung. Bei Gründungen ist es oft anders, da hat man nicht ein bestimmtes Ziel so konkret dann, man hat vor allem Zeitdruck. Das heißt, man muss auch leben mit 80-Prozent-Lösungen. Das heißt, da gibt es durchaus Rollenkonflikte und Mindset-Konflikte, und auch die muss man den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern helfen zu überwinden. Das kann beispielsweise sein, indem man ein Mentoringprogramm aufsetzt und Industriekontakte befördert, das kann sein, dass man auch im Coaching eben darauf hinweist, dass diese Änderung des Mindsets wichtig ist, um sich vielleicht in der Unternehmensgründungswelt zu bewegen.

Konfliktpotenzial in interdisziplinären Teams

Gebert: Und ein bisschen Flexibilität braucht’s auch, wenn es ins Zwischenmenschliche geht. Selten ist es ja so, dass es nur ein Einzelner ist, der da eine Idee hat und dann auch gründen kann, sondern meistens ist es Teamwork. Welche Fallstricke haben Sie denn psychologischer Art vielleicht auch gefunden, die sich daraus entwickeln könnten?
Patzelt: An den Universitäten ist es allein aufgrund der Komplexität der Technologie tatsächlich meistens ein Team, das gründet. Und in den meisten Fällen sogar ein interdisziplinäres Team, das heißt Teams aus Mitgliedern verschiedener Fachrichtungen und Hintergründe. Sie brauchen einfach diese unterschiedlichen Kompetenzen und Sichtweisen, um so eine komplexe neue Technologie auf den Markt zu bringen. Da ergibt sich natürlich ganz klar auch das Potenzial von Konflikten. Und tatsächlich, von den scheiternden Teams ist es für viele entscheidend, dass sie eben diese Konflikte nicht bewältigen können. Und auch das ist was, wo wir denken, dass eine Gründungsförderung an Universitäten vielleicht in verstärktem Maße als in der Vergangenheit ansetzen könnte, nämlich die Teamprozesse zu coachen.

Positive Effekte von Ausgründungen

Gebert: Zum Schluss wüsste ich ganz gerne noch von Ihnen, Professor Patzelt: Wenn enn jetzt Hochschulen wirklich sich bemühen, da die Studierenden oder ihre Forschenden auf den Weg zu bringen zu gründen, graben Sie sich dann nicht selbst das Wasser ab, denn Sie haben ja auch ein eigenes Interesse, gut Köpfe zu halten?
Patzelt: Nun, gute Unternehmensgründer sind tatsächlich auch was, was für die Hochschulen, denke ich mal, ein Gewinn ist. Zum einen sind das natürlich auch Rollenmodelle, die man später einbinden kann. Zum Zweiten ist es so, dass in angelsächsischen Ländern beispielsweise es schon fast an der Tagesordnung ist, dass Professorinnen und Professoren auch mit ausgründen. Es gibt sogar Studien, die zeigen, dass diese Ausgründungsaktivitäten dann auch einen positiven Effekt auf die eigene Forschung haben, weil sie eben noch mal andere Perspektiven vermitteln. Insofern denke ich, dass es für die Universitäten tatsächlich auch ein Gewinn wäre, wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in allen Karrierestufen vom frühen Doktorand oder Doktorandin bis hin zur Professorin auch über die Möglichkeit von Ausgründungen nachdenken.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.