Sonntag, 28. April 2024

Archiv

Forschungsreaktor Halden
Norwegen fälschte Testergebnisse von radioaktiven Brennelementen

Der Halden-Reaktor in Norwegen wurde für Tests von Brennstoffen für den Einsatz in Kernreaktoren genutzt. Jetzt stellte sich heraus, dass Forschungsergebnisse jahrelang gefälscht worden sind. Ergebnisse, die beim Betrieb von Reaktoren in anderen Ländern eingesetzt worden sind.

Von Dagmar Röhrlich | 25.05.2020
König Olav von Norwegen ( 2. von links) beim Besuch des Haldenreaktors am 11. Oktober 1959
König Olav von Norwegen ( 2. von links) beim Besuch des Haldenreaktors am 11. Oktober 1959 (Copyright: imago stock&people)
Der Halden-Forschungsreaktor war klein: Seine Leistung betrug nur 25 Megawatt. Kein Vergleich mit den 1000-und-mehr-Megawatt-Leistungsreaktoren aus der Stromproduktion. Und er war alt: 1958 ging er in Betrieb. Seine Aufgabe: In ihm wurden Brennelemente aus diversen Ländern getestet. Inzwischen ist klar: Dabei lief nicht alles so, wie es sollte.
"2018 haben wir uns entschlossen, den Halden-Reaktor stillzulegen. Im Jahr darauf erhielt ich dann die Warnung eines Whistleblowers, dass es zwischen 1990 und 2005 zu Fehlverhalten gekommen sein sollte", erklärt Nils Husby, inzwischen Chef des norwegischen Instituts für Energietechnologie, das die norwegischen Reaktoren betrieben hat. Es ging um Versuche, bei denen festgestellt werden sollte, wie sich verschiedene Brennelemente in einem laufenden Reaktor verhalten.
Manipulation bei mindestens vier internationalen Projekten
"Solche Tests laufen über lange Zeiträume, in denen wir Schlüsseldaten wie beispielsweise Temperatur oder Druck messen. Die Prüfung der Vorwürfe hat nun ergeben, dass damals dem Kunden nicht mitgeteilt wurde, wenn die Betriebsbedingungen für den Test nicht erreicht werden konnten. Vielmehr hat man die Ergebnisse so abgeändert, dass es aussah, als hätte alles geklappt."
Mal manipulierten die Forscher die Daten, mal änderten sie den Versuchsaufbau heimlich ab. Betroffen sind mindestens vier internationale Projekte. Bei drei weiteren besteht Fälschungsverdacht. Diese Fälschungen sind geschickt gemacht und schwer aufzudecken. Nils Husby erklärt, die Sicherheit des Halden-Reaktors selbst sei nie betroffen gewesen. Ob das bei Reaktoren auch so ist, für die die Ergebnisse verwendet wurden, wird noch untersucht.
Finnlands Atom-Baustelle Olkiluoto - Symbol für den Niedergang von Europas Nuklearindustrie
An der Westküste Finnlands sollte 2012 ein neuer Kernreaktor in Betrieb gehen – doch Strom erzeugt er bis heute nicht. Schuld daran sind nicht etwa Proteste von Anwohnern, sondern technische Probleme und Pannen.
"Diese Materialien wurden ja getestet, um beispielsweise herauszufinden, wie korrosionsbeständig oder langlebig die Brennelemente beim Einsatz im Kernkraftwerk sind. Das bedeutet, dass die Manipulationen durchaus Konsequenzen haben könnten. Wie ernst diese Konsequenzen wären, hängt davon ab, wie diese Testdaten weiterverwendet wurden."
Gefährdung für anderen Reaktoren sind nicht auszuschließen
Was genau passiert ist, unterliegt Geheimhaltungsklauseln aus den Verträgen. Aber bei zwei Projekten soll es nach derzeitigem Erkenntnisstand keine sicherheitsrelevanten Konsequenzen geben, bei den anderen Fällen steht das Ergebnis noch aus. Frederic Hauge, Präsident der norwegischen Umweltschutzorganisation Bellona ist jedenfalls beunruhigt:
"Auch wenn ich nicht sagen kann, dass das Risiko hoch ist, könnten doch immer noch Reaktoren auf Grundlage der Ergebnisse aus Halden betrieben werden und beispielsweise aufgrund eines falschen Betriebsprofils heißer werden. Wir fordern deshalb die norwegische Regierung auf, die Liste der betroffenen Länder und Reaktoren zu veröffentlichen. Dann könnten wir untersuchen, wie hoch mögliche Risiken sind."

Frederic Hauge fordert außerdem Untersuchungen dazu, ob und inwieweit das damalige Instituts-Management von den Forschungsfälschungen wusste.
"Seit die Anlage geschlossen ist, gibt es dort eine neue Leitung. Und die macht bei der Aufklärung einen recht guten Job. Um die derzeitige Leitung geht es nicht, sondern um die frühere."