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Fortpflanzungsmedizin
Erste Geburt aus Gebärmutter einer toten Spenderin

Medizinische Weltpremiere: Erstmals ist ein Kind geboren worden, dessen Mutter die Gebärmutter einer Verstorbenen transplantiert bekommen hatte. Bislang waren solche Transplantationen nur erfolgreich, wenn der Uterus von einer lebenden Spenderin stammte. Doch der Weg zu einem Routineeingriff ist noch weit.

Von Christine Westerhaus | 05.12.2018
    Illustration eines neun Wochen alten Fötus mit Plazenta
    In einer über zehnstündigen OP wurde einer 32-Jährigen in Brasilien der Uterus einer verstorbenen Spenderin eingepflanzt (imago / Science Photo Library)
    Bis zu Vincents Geburt hatten Frauen ohne eigenen Uterus nur die Chance auf eine Adoption, oder sie gingen den meist illegalen Weg über eine Leihmutter. Doch inzwischen sieht es anders aus. Der Schwede Mats Brännström vom Sahlgrenska Universitätskrankenhaus in Göteborg war der erste, der diese aufwändige Operation 2013 am Menschen wagte. Und er war bei mehreren weiteren Transplantationen auf der ganzen Welt dabei. Inzwischen hat sogar er Schwierigkeiten, den Überblick zu behalten.
    "Vier Kinder wurden inzwischen im Ausland geboren. Nein, es waren fünf! 2014 waren es drei in Schweden, dann 2015 und 2017 noch mal fünf Babys. Und zwei der operierten Frauen haben jeweils zwei Kinder geboren. Insgesamt sind es also acht in Schweden plus fünf Kinder im Ausland."
    Uterus einer toten Spenderin
    Eines dieser insgesamt 13 Kinder ist in der Gebärmutter einer verstorbenen Spenderin herangereift. Ob das funktionieren würde, war zuvor lange unklar. Viele Ärzteteams, die diese Transplantation versuchten, sind gescheitert: Der verpflanzte Uterus musste nach wenigen Tagen, manchmal schon Stunden nach der OP wegen Blutungen oder anderen Komplikationen entfernt werden. Erst 2017 hatte ein brasilianisches Team um den Chirurgen Dani Ejzenberg vom Krankenhaus der Universität São Paulo Erfolg.
    "Wir haben mit einem professionellen Team in einem Zentrum gearbeitet, das auf Transplantationen spezialisiert ist. Und wir haben vorher ein intensives Training absolviert, auch zusammen mit Professor Brännström und seinem Team. Ich glaube aber, dass auch einfach Glück mit im Spiel war. Denn die Patientin wurde auch schon nach dem ersten Befruchtungsversuch schwanger."
    Riskanter Eingriff für Lebendspenderinnen
    Dass es nun möglich ist, die Organe verstorbener Spenderinnen zu verpflanzen, gibt vielen Frauen Hoffnung. Denn bisher waren sie darauf angewiesen, im Freundes- oder Familienkreis eine Spenderin zu finden, deren Blutgruppe übereinstimmt. Und die bereit ist, ihre Gebärmutter über einen riskanten Eingriff zu spenden. Dani Ejzenberg:
    "Ich denke, das ist der wichtigste Vorteil, dass wir die Spenderin keinem Risiko aussetzen: Denn eine solche Uterus-Entnahme ist keine einfache Gebärmutter-Entfernung, weil auch große Gefäße mit entnommen werden müssen. Es kann zu massiven Blutungen kommen und die Spenderinnen sind bis zu 10 Tage danach arbeitsunfähig. Außerdem dauert die Operation sechs Stunden."
    Bei den ersten Transplantationen kam es tatsächlich in Einzelfällen zu Komplikationen. So wurde in einem Fall der Harnleiter einer Spenderin bei der Entnahme verletzt. Und noch ist unklar, welche langfristigen Folgen diese Operation für die Betroffenen hat. Allerdings lief auch beim brasilianischen Team nicht alles glatt. Bei einem anderen Versuch mit dem Organ einer verstorbenen Spenderin scheiterten sie.
    "Wir mussten die Gebärmutter zwei Tage nach der Transplantation aufgrund einer Thrombose wieder entfernen."
    Ein Erfolg, aber keine Routineoperation
    Dennoch ist Dani Ejzenberg überzeugt, dass der jetzige Erfolg kein Glückstreffer war. Er ist sich sicher, dass in Zukunft weitere Frauen ein Baby im Uterus einer verstorbenen Spenderin austragen werden.
    "Wir denken, dass in Zukunft beide Techniken genutzt werden. Die Lebendspende und die Transplantation von Gebärmüttern Verstorbener. Und wenn wir mehr Fälle haben, können wir die Vor- und Nachteile beider Varianten vergleichen. Außerdem werden wir immer mehr dazulernen und gleichzeitig die Operationstechniken verbessern und die Operationszeit verkürzen."
    Denn auch wenn inzwischen 13 Babys nach einer Gebärmuttertransplantation geboren wurden: Von einer Routineoperation ist dieser Eingriff noch ein gutes Stück entfernt.