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Fortschritte in der Energiewende
"Einige Länder reiten uns voran"

Aus Sicht von Sybille Röhrkasten vom Potsdamer Forschungsinstitut IASS sind erneuerbare Energien weltweit auf dem Vormarsch. In Deutschland hingegen sei die Entwicklung langsam. Im Transportsektor fände eine wirkliche Umstrukturierung noch nicht statt und das sei "ein großes Problem für den Klimaschutz", erläuterte Röhrkasten im DLF.

Sybille Röhrkasten im Gespräch mit Georg Ehring | 17.03.2016
    Ein Windrad des Offshore-Parks Baltic 2 vor der Insel Rügen in der Ostsee.
    Sybille Röhrkasten, Potsdamer Forschungsinstitut IASS, im DLF: "In Deutschland können wir im Stromsektor von einer echten Energiewende sprechen." (picture alliance / dpa / Jens Büttner)
    Georg Ehring: Gemessen am Marktanteil ist die Energiewende bei uns eine Erfolgsgeschichte. Rund ein Drittel des Stromverbrauchs in Deutschland stammt inzwischen aus Windrädern, Solar-, oder Biogas-Anlagen. Wir sind damit Vorreiter in der Welt. Aber wer reitet hinterher oder überholt uns vielleicht sogar? Im Auswärtigen Amt hat heute der Energy Transition Dialog begonnen, eine Konferenz über eine weltweite Energiewende. Telefonisch verbunden bin ich jetzt mit Sybille Röhrkasten vom Potsdamer Forschungsinstitut IASS. Guten Tag, Frau Röhrkasten.
    Sybille Röhrkasten: Guten Tag.
    Ehring: Frau Röhrkasten, in welchen Ländern kann man von einer echten Energiewende sprechen?
    Röhrkasten: Ich würde schon sagen, dass wir auch in Deutschland im Stromsektor von einer echten Energiewende sprechen können. Sie hatten gerade schon gesagt: Wir haben mittlerweile einen Anteil von 30 Prozent erneuerbarer Energien im Stromsektor. Das ist deutlich mehr, als wir zum Beispiel noch im Jahr 2000 hatten. Da betrug er sechs Prozent. Das heißt, hier können wir schon von einer echten Energiewende sprechen.
    In Deutschland ist der Transport- und der Wärmebereich ein großes Problem. Das heißt, im Transportsektor findet eine wirkliche Umstrukturierung noch nicht statt und dies ist dann auch ein ganz großes Problem für den Klimaschutz, den Sie angesprochen haben.
    Es gibt aber weltweit einige Länder, die im Stromsektor schon eine fast zu 100 Prozent erneuerbare Stromerzeugung vorweisen können. Das heißt, es gibt hier einige Länder, die uns nicht hinterherreiten, sondern die voranreiten.
    Hier ist zum Beispiel Costa Rica zu nennen oder auch Norwegen, Nepal, das heißt ganz unterschiedliche Länder. Was diese Länder allerdings eint ist ein ausgeprägtes Wasserkraftpotenzial.
    Es gibt aber auch Länder wie zum Beispiel Dänemark, die selber kein ausgeprägtes Wasserkraftpotenzial haben und die auch einen viel höheren Anteil erneuerbarer Energien haben als Deutschland, 43 Prozent im Fall von Dänemark. Was aber klar ist, ist, dass erneuerbare Energien weltweit schon auf dem Vormarsch sind. Global wurden seit dem Jahr 2013 mehr Kapazitäten für Erneuerbare zugebaut als Kapazitäten für fossile Energien und Atom.
    Auch dies bezieht sich auf den Stromsektor. Das heißt, wenn wir aber den Klimaschutz ernst meinen, dass wir einen sehr viel ambitionierteren Ausbau erneuerbarer Energien brauchen, als dies bislang geschieht.
    Ehring: Der Energiebedarf wächst ja in vielen Entwicklungsländern nach wie vor sehr, sehr stark und auch da werden erneuerbare Energien ausgebaut. Verdrängen die die fossilen Energieträger oder die Atomkraft, oder ergänzen sie die?
    Röhrkasten: In dem Fall ist es in der Tat eher so, dass sie die ergänzen. Das heißt, es gibt einige Länder, Schwellenländer vor allem, die mit einem enorm steigenden Energiebedarf konfrontiert sind, und um diesen zu befriedigen möchten diese Länder auf die Bandbreite der Energieträger zugreifen. Hier ist es so, dass nicht nur erneuerbare Energien ausgebaut werden, sondern auch fossile Energie. Aber auch hier lässt sich ein Trend erkennen, dass auch in diesen Ländern erneuerbare Energien eine immer attraktivere Alternative werden.
    "Ölreiche Länder setzen zunehmend auf erneuerbare Energien"
    Ehring: Nun wird ja das Öl immer billiger, die Kohle auch. Das hat ja in Deutschland dazu beigetragen, dass wieder mehr CO2 emittiert worden ist. Welche Folgen hat das denn weltweit für die Energiewende?
    Röhrkasten: Na ja, weltweit hat das schon die Folgen, dass die Konsumenten dieser Energieträger eigentlich den falschen Eindruck bekommen, dass es ökologisch, wirtschaftlich und langfristig lohnenswert sei, auf diese Energieträger zu setzen.
    Das ist vor allem deswegen ein Problem, weil die Preise für diese Energieträger nicht die tatsächlichen Kosten umfassen. Das heißt, Schäden für lokale Umweltverschmutzung oder auch negative Auswirkungen auf den Klimawandel werden nicht eingepreist. Das heißt, die Preise für Öl und Kohle spiegeln nicht die tatsächlichen Kosten wieder. Was aber global sehr interessant ist, ist, dass natürlich die niedrigen Ölpreise für Ölproduzenten ein großes Problem sind.
    Diese fürchten nun um ihre Wettbewerbsfähigkeit und entdecken auch da Erneuerbare zunehmend als ein Geschäftsmodell. Das heißt, auch Länder, die wir klassischerweise mit Öl in Verbindung bringen, wie zum Beispiel die Vereinigten Arabischen Emirate, die setzen zunehmend auch auf erneuerbare Energien, weil es für sie ökonomisch langfristig sinnvoll ist.
    "Ein klassisches Vorurteil"
    Ehring: Noch ganz kurz zu den Preisen. Gehen die Erneuerbaren bald auch ohne Subventionen?
    Röhrkasten: Na ja, da sprechen Sie eigentlich ein klassisches Vorurteil an, dass Erneuerbare subventioniert werden und Konventionelle nicht. Das stimmt allerdings überhaupt nicht. Zahlen der Internationalen Energieagentur zeigen, dass die globalen Subventionen für fossile Brennstoffe viermal so hoch sind wie die Subventionen in erneuerbare Energien. Das heißt, dass Erneuerbare stärker subventioniert werden als Fossile, das stimmt überhaupt nicht. Das Gegenteil ist der Fall.
    Ehring: Sybille Röhrkasten, herzlichen Dank. - Sybille Röhrkasten war das vom Potsdamer Forschungsinstitut IASS zur weltweiten Energiewende.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.