Die Vorstellung von Musik als Vision einer heilen Welt hat das Werk Karlheinz Stockhausens (1928–2007) vor den Konflikten konkreter Geschichte und Gegenwart abgeschirmt. Allerdings nicht immer vollständig. Im nicht-seriellen Frühwerk schimmern reale Gewalterfahrungen durch, wird schuldhafte Geschichte protokolliert.
Stockhausens Diktatur-Verarbeitung
Tatsächlich ist es der Komponist Stockhausen, der zu Beginn seines monumentalen Opern-Zyklus die traumatischen Erfahrungen des jungen Stockhausen in der NS-Diktatur und in den Kriegsjahren ernst nimmt. Die Rede ist von „Michaels Jugend“, einem Werk orchestraler Vokalmusik, beauftragt von der deutschen Jüdin und Zionistin Recha Freier (1892–1984) für ihre Konzertreihe „Testimonium“ in Jerusalem.
Schwieriger gemeinsamer Weg
1976 kommt es zur ersten Begegnung und eine Arbeitsgemeinschaft entwickelt sich – in regem Briefkontakt, mit Besuchen Freiers in Kürten.
Musiker und Veranstalterin durchleben eine intensive Interaktion, die sich zur Freundschaft ausbildet. Vieles wird darin angesprochen, Unausgesprochenes wird ausgelagert in Dichtung und in Musik.
Autor Georg Beck holt hier übersehene Entstehungsumstände zurück ins Blickfeld. Er beleuchtet die Begegnung des Komponisten mit der Shoah, die bei dem Überlebenden der Gewaltherrschaft eine Trauma-Verarbeitung auslöste.