Samstag, 11. Mai 2024

Forum neuer Musik 2023: Karlheinz Stockhausen trifft Recha Freier
Michaels andere Reisen

Karlheinz Stockhausens‘ Oper „Michaels Jugend“, 1979 in Israel uraufgeführt, erzählt von Diktatur und Gewalt. Für die Auftraggeberin und Shoah-Überlebende Recha Freier und den Komponisten war es ein Versuch, erlittene Traumata im Dialog künstlerisch zu artikulieren.

25.11.2023
Der Komponist Karlheinz Stockhausen sitzt in die Kamera lächelnd an einem großen Pult im Royal Opera House, London.
Karlheinz Stockhausen am Mischpult vor einer Aufführung der Oper "Donnerstag" aus dem Zyklus "Licht". (picture alliance / AP / Joe Schaber)
Die Vorstellung von Musik als Vision einer heilen Welt hat das Werk Karlheinz Stockhausens (1928–2007) vor den Konflikten konkreter Geschichte und Gegenwart abgeschirmt. Allerdings nicht immer vollständig. Im nicht-seriellen Frühwerk schimmern reale Gewalterfahrungen durch, wird schuldhafte Geschichte protokolliert.

Stockhausens Diktatur-Verarbeitung

Tatsächlich ist es der Komponist Stockhausen, der zu Beginn seines monumentalen Opern-Zyklus die traumatischen Erfahrungen des jungen Stockhausen in der NS-Diktatur und in den Kriegsjahren ernst nimmt. Die Rede ist von „Michaels Jugend“, einem Werk orchestraler Vokalmusik, beauftragt von der deutschen Jüdin und Zionistin Recha Freier (1892–1984) für ihre Konzertreihe „Testimonium“ in Jerusalem.

Schwieriger gemeinsamer Weg

1976 kommt es zur ersten Begegnung und eine Arbeitsgemeinschaft entwickelt sich – in regem Briefkontakt, mit Besuchen Freiers in Kürten.
Der weiß gekleidete, jüngere Karlheinz Stockhausen sitzt neben der älteren Recha Freier, beide lachend ins Gespräch vertieft.
Recha Freier und Karlheinz Stockhausen in Kürten, Mai 1978. (Suzanne Stephens, Archiv Stockhausen-Stiftung für Musik, Kürten (www.karlheinzstockhausen.org))
Musiker und Veranstalterin durchleben eine intensive Interaktion, die sich zur Freundschaft ausbildet. Vieles wird darin angesprochen, Unausgesprochenes wird ausgelagert in Dichtung und in Musik.
Autor Georg Beck holt hier übersehene Entstehungsumstände zurück ins Blickfeld. Er beleuchtet die Begegnung des Komponisten mit der Shoah, die bei dem Überlebenden der Gewaltherrschaft eine Trauma-Verarbeitung auslöste.