
Was hat Solar Orbiter beobachtet?
Die Raumsonde hat Bilder der Sonne aus einer Entfernung von 77 Millionen Kilometern gemacht, das ist etwa die Hälfte des Abstands Erde-Sonne. Nie zuvor sind Fotos aus so geringer Distanz gelungen. Die Bilder sind sehr scharf und zeigen viele überraschende Dinge: So hat das Solar-Orbiter-Team die Kamera auf eine – wie es aussah – ganz ruhige Stelle der Sonne gerichtet. Aber dann waren plötzlich viele kleine Strahlungsausbrüche zu sehen, ähnlich den größeren Flares, die schon lange bekannt sind.
Das Team spricht ganz euphorisch von den "Lagerfeuern" auf der Sonne, also diesen recht kleinen Stellen, an denen heißes Gases emporschießt. Zudem hat Solar Orbiter die Umgebung der Sonne erfasst, also die heiße Sonnenatmosphäre, die Korona. Dort macht sich der Sonnenwind auf den Weg, ein Strom geladener Teilchen, der ständig durch das Planetensystem pustet.
Was macht diese Bilder so besonders?
Natürlich gibt es schon ähnliche Bilder, aber nicht ganz mit dieser Auflösung. Faszinierend ist, wie dynamisch die Sonne ist, wenn also kleine Videosequenzen zeigen, wie sich das Gas bewegt, wie manche Struktur pulsiert. Die Sonne ist eben ganz uns gar nicht die ruhige gelbe Kugel, die wir am Himmel sehen.

Solar Orbiter zeigt mit den Instrumenten im Ultraviolett- und Röntgenlicht, dass auf der Sonne ständig Gas empor schießt, absinkt und so weiter. Zum anderen ist das Tolle an diesen Bildern, dass es nur technische Tests sind, aufgenommen vier Monate nach dem Start. Wenn erst einmal alles richtig geeicht und gut eingestellt ist, dann dürften die Bilder noch schöner werden. Details bis zu 500 Kilometern Größe sollten dann zu erkennen sein – und das bei der Sonne, die 1,4 Millionen Kilometer Durchmesser hat.
Wie wichtig sind die Daten?
Die Bilder und Messungen sollen helfen, mindestens zwei große Rätsel der Sonne zu lösen. Da ist zum einen der Sonnenwind, ein Strom geladener Teilchen, der von der Sonne wegweht. Manchmal ist er ein laues Lüftchen, mal bläst er in Sturmstärke mit rund 1.000 Kilometern pro Sekunde. Das andere große Rätsel ist die Korona, die heiße Sonnenatmosphäre. Die ist mehrere Millionen Grad heiß, während die Sonnenoberfläche "nur" 6.000 Grad Celsius heiß ist - bis heute ein großes Rätsel. Das ist so, als stünde auf einer kalten Herdplatte ein Topf mit kochendem Wasser. Und natürlich gibt es viele andere Phänomene, die unverstanden sind. Die Sonne ist uns sehr nah, astronomisch gesehen – aber immer noch voller Rätsel.
Was soll Solar Orbiter anders machen als bisherige Sonden?
Solar Orbiter soll zehn Jahre lang im Einsatz sein und dabei aus der Ebene der Erdbahn herausfliegen. Das gab es noch nie. Ab 2025 fängt die Sonde an, auf die Polbereiche der Sonne zu blicken, zwei Jahre später gibt es dann einen perfekten Blick darauf. Auch die Pole der Sonne sind kochend heiß, die haben nichts mit kalten Polargebieten auf der Erde zu tun. Solar Orbiter blickt der Sonne dann sozusagen auf die Schädeldecke und unter das Kinn. Das geht von der Erde nicht, da sehen wir die Pole ganz schlecht.

An den Polen sind magnetische Phänomen besonders gut zu studieren. Und das Magnetfeld ist für die Forscherinnen und Forscher der Schlüssel, um die Rätsel der Sonne zu lösen. Es nicht ganz klar, wie genau dieses Magnetfeld überhaupt entsteht.
Die NASA hat vor zwei Jahren die Sonde Parker Solar Probe gestartet. Ist das eine Konkurrenz für die ESA?
Nein, ESA und NASA arbeiten bestens zusammen, auch bei diesen beiden Missionen. Die Parker Solar Probe wird bis auf sechs Millionen Kilometer an die Sonne heran kommen, der Solar Orbiter "nur" auf gut 40 Millionen Kilometer. Die NASA-Sonde kann gar keine Fotos der Sonnenoberfläche machen, weil es so nah viel zu heiß ist. Die misst die Teilchen vor Ort und macht Fotos, wie Materie von der Sonne abströmt. Beide ergänzen sich ideal. Getrennt beobachten – vereint entdecken.